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Die Mittagesser

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In der Mitte der Volksküche stand ein eiserner Kanonenofen auf einem niedrigen gemauerten Unterteil. Im Winter wurde er schon am frühen Vormittag angeheizt. Wegen der meist nicht vollständig getrockneten Buchenholzscheite stand die große Ofentüre bei Heizungsbeginn immer eine Zeit lang offen, damit das Feuer mehr Zug bekam, meinten die um den Ofen herumstehenden. Aber mitbestimmend war auch die besondere Atmosphäre, die der Anblick des offenen Feuers erzeugte. Er wirkte dann wie ein offener Kamin.

Das flackernde Feuer, das Knistern der zusammenbrechenden Holzscheite in dem im Winter noch halbdunklen Speiseraum war beeindruckend. Man konnte sich kaum vom Anblick der Flammen lösen. Einige Männer wachten besorgt darüber, dass niemand von den vor dem Ofen sich drängelnden Kindern, im Feuer herumstocherte.

Wenn Klaus und seine Kumpane sich alleine vor der offenen Ofentüre am Feuer zu schaffen machen konnten, war das wie ein kleines Abenteuer. Es herrschte eine, nur durch das knistern vom Feuer und zischen der teilweise feuchten Scheite unterbrochene magische Stille. Das ferne Klappern von Geschirr aus der Küche störte nicht, es gehörte dazu. Der typische Geruch vom brennenden noch leicht feuchten Buchenholz mischte sich mit dem, der von der Küche kam, und hat sich für jeden, der dort morgens um den Kanonenofen bei offener Ofentüre stand, für immer eingeprägt. Dieser Geruch und die ausströmende Wärme waren ein Begriff für Geborgenheit. Denn Wärme war nach Essen der zweitwichtigste lebenserhaltende Faktor für die Flüchtlinge, das war jedem klar.

Die Sitzplätze in Ofennähe schienen einigen älteren Flüchtlingen vorbehalten zu sein, denen die Kinder alle respektvoll auswichen, denn sie hatten einen Ton an sich, den viele noch all zu gut kannten und bei dem sie immer noch innerlich strammstanden. Sie durften aber ohne sich Ärger einzuhandeln, vor dem Ofen stehend erwärmen oder ihre manchmal schneenassen Hosen, Strümpfe und Handschuhe trocknen, aber wehe, wenn einer sich auf die danebenstehenden und manchmal noch leeren Bänke niederließ, die als reserviert galten.

Es gab einige der Mittagsgäste, bei deren Erscheinen immer wieder getuschelt wurde. Da war der Fabrikant, so nannte man den Mann eines älteren Ehepaares. Das Kennzeichen war sein Hut, ein schwarzer Homburger, der wohl früher einen sehr eleganten Eindruck hinterlassen haben muss, aber jetzt schon sehr ramponiert war. Aber man sah ihm an, dass er noch jeden Tag gebürstet wurde. Auch die sonstige Kleidung konnte man so charakterisieren. Man erzählte sich, dass er in Stettin eine große Fabrik besessen hätte. Folglich stellte sich Klaus für lange Zeit so einen Fabrikanten vor. An den allgemeinen Gesprächen unter den Flüchtlingen beteiligte er sich nicht. Zu seiner Frau, die ihn stets fürsorglich eingehakt und somit gestützt begleitete, gab es nichts Besonderes zu bemerken.

Ein anderes ebenfalls bemerkenswertes Paar war deutlich umgänglicher. Von der Frau wusste man, dass sie eine erfahrene Hebamme war, weshalb sie bei einigen Frauen eine gerne gesehene Gesprächspartnerin war, da viele von ihnen infolge der Vergewaltigungen durch die Russen schwanger geworden waren und sie deshalb einen Ausweg suchten, wobei sie ihnen helfen sollte. Nach einiger Zeit fiel auf, dass ihr Mann alleine zum Essen kam. Bis durchsickerte, dass sie verhaftet worden war, weil sie bei einer Abtreibung mitgewirkt hätte.

Nach einigen Wochen war sie jedoch wieder da, was von vielen mit deutlich erkennbarer Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Ihr Mann, der Musiker war hatte jetzt Hochkonjunktur, weil alle nach dem durchgestandenen Schrecken und Grauen des Krieges nur noch vergessen wollten, da half außer Alkohol auch das Tanzvergnügen und für Letzteres benötigt man Musik.

Seine Frau aber war über die zahlreichen Engagements ihres Mannes nicht so erfreut, denn er wahr lungenkrank, was für einen Trompeter keine gute Prognose bedeutete und deshalb bangte sie bei jedem seiner Auftritte, ob er ihn auch lebend übersteht. Er aber fuhr bewusst volles Risiko, weil er seiner Frau, so lange er noch kann, was bieten wolle, sagte er war

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