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11. Koh Tao

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Die Weiterfahrt nach Koh Tao verlief exact genauso hektisch wie die Fahrt nach Koh Pah Ngan zuvor. Mit dem Unterschied, dass Josefs Rucksack diesmal ganz oben auf dem großen Haufen unter Deck zu liegen kam. Das lag zum einen daran, dass Josef diesmal auf halber Strecke zustieg, zum anderen daran weil er selbst dafür Sorge trug, und sich den Rucksack nicht mehr abnehmen ließ. Es war ihm egal, dass der Rucksack ein rosa Bändchen verpasst bekam, das fürs Ziel stand. Trotzdem er selbst einen dazupassenden, rosa Aufkleber auf´s T-Shirt geklebt bekam, der ihn quasi mit seinem Rucksack verband, beunruhigte ihn das, schien ihm das nur noch mehr suspekt zu sein. Denn Koh Tao wurde ohnehin als nächstes, und letztes, angelaufen. Auf der Strecke gab es keinen Zwischenstopp mehr, man konnte sein Ziel also gar nicht verfehlen. Außer man war völlig bescheuert. Eher arbeitete das Personal hier einfach in blindem Gehorsam und ohne auch nur eine Minute nachzudenken. Die einen klebten einem das Ziel an die Brust, die anderen setzten einen dort an Land. Samt Gepäck. Josef mochte sich nicht vorstellen, was alles geschehen konnte, wenn irgendwelche Aufkleber verwechselt wurden, verloren oder ab gingen, sich eigenmächtig woanders wieder anklebten. Er quetschte sich in einen Sitz zwischen zwei fetten Amis, im vorderen Viertel des Bootsrumpfs. Der Platz gewährte ihm recht guten Blickkontakt zu seinem Rucksack. Bequem war anders. Aber Sicherheit ging vor. Kein Risiko mehr! Geradeaus bot ein kleines Fernsehgerät die Albernheiten einer asiatischen Spielshow zur Unterhaltung feil. Wenn man es nicht gesehen hätte, würde man es nicht für möglich halten. Aber die Fernsehmacher hierzulande schienen noch einiges mehr an Blödsinn in Petto zu haben, als ihre europäischen Kollegen im so genannten Free TV. Hier wurde Sahne oder Rasierschaum in wahren Unmengen verspritzt, Leute von schmalen Planken in schäumende Pools geschubst, oder von fantasievoll designten Falltüren eingequetscht. Alles unter Dauergelächter aus dem Off und immer wieder von Commercials unterbrochen, die genauso bunt und sinnfrei waren, wie die Spielshows selber.

„I am from Australia“, tat ein enorm bleiches und dürres Mädchen kund, hängte sich ungefragt an Josefs rechtes Bein, umschlang sein Knie. Eingequetscht wie er war, musste Josef das mit sich geschehen lassen. Das offensichtlich hyperaktive australische Kind nahm in voll in Beschlag, erzählte ihm in atemberaubendem Tempo seine kurze Familiengeschichte; von der er Gott sei Dank nur die Hälfte verstand; zwirbelte, ganz von kindlicher Wichtigkeit beseelt an seinen blonden Stopsellocken herum. Drehte sie ein, drehte sie aus. Lachte und war bereits auf seinem Schoß. Stieß ihm die Knie in die Hüften. Angestrengt versuchte Josef einen Blick der Eltern zu fangen aber die waren mit sich selbst beschäftigt. Josef konnte noch nie verstehen, wie man sein Kind derart sorglos der Gesellschaft überantworten konnte, einfach auf die natürliche Beißhemmung hoffen konnte, nur um sich ein paar Momente der Ruhe auf Kosten der anderen zu stehlen. Und all die bösen Onkels, die es gab. Verdrängte man das einfach? Die vielen Süßigkeiten der dämonischen älteren Herren, deren gewissenlose Schwengel wie Tiere hinter ihren Hosenlätzen lauerten? Immer auf dem Sprung. Nach dem Zuckerl kam der Strangulationsdraht oder das Kochmesser. Oder das Kind kam in den Keller. Zur weiteren Verfügung. Wenn man schon ein Kind machte, dann sollte man es auch beaufsichtigen. Es erziehen. Füttern. Pfleglich behandeln. Um es schließlich mit elterlicher Bestimmtheit aus dem Nest stoßen zu können. In ein neues Leben. Gestärkt. Gerüstet. Bereit und hungrig.

Josef fing kurz den Blick der Mutter, deutete mit dem Zeigefinger nach unten, auf das Kind in seinem Schoß. Die Mutter tat als ob nichts gewesen wäre und wandte sich wieder ihrem Mann zu. Josef schickte ein laut gebelltes „Madam!“ in ihren Nacken, das sie nicht mehr ignorieren konnte. Sichtlich angestrengt kam sie herüber, das Kind wurde über den Bauch des Amerikaners rechts von Josef gezogen was auf dessen T-Shirt zwei schöne Schleifspuren aus frischem Schuhsohlendreck hinterließ.

„I´ll beg your pardon, mister.“

Was für ein blöder Spruch.

„Schon okay.“

Josef machte sich gar nicht erst die Mühe die abgedroschene Floskel in korrektes Englisch zu übersetzen. Dafür war er schon zu wütend. Er wandte sich ab. Draußen spritzte das Meerwasser hoch, klatschte an die Scheiben. Das Motorengeräusch setzte kurz aus um dann um einiges lauter wieder einzusetzen. Das Schiff näherte sich dem Hafen. Josef stand auf, sicherte seinen Rucksack und ließ diesmal das ganze Chaos in Ruhe an sich vorüberziehen.

Unter den Bäumen des Himmels

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