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II. Hitlers Persönlichkeit und Bedeutung für den Nationalsozialismus

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Zentrale Bedeutung Hitlers

Adolf Hitler war der Anfang und das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland. Ohne ihn wäre seine Partei nicht in dieser Form an die Macht, wäre das „Dritte Reich“ so nicht ins Leben gekommen. Ohne ihn hätte es keine unbeirrte, ja stringente Politik zum Krieg, keinen permanenten, perspektivisch grenzenlosen Willen zur territorialen Expansion bis hin zum Vabanquespiel um Weltmacht oder Untergang, keine Politik des „Rassenkriegs“ mit millionenfachem Menschenmord gegeben.

Zugleich war Adolf Hitler nichts ohne die nach hunderttausenden zählenden Anhänger und Millionen Wähler, die seit Ende der zwanziger Jahre in freien Abstimmungen immer wieder für ihn und seine Partei votierten, die ihn 1932 mittels Straßenradau und Wahlurne vor die Tür der Reichskanzlei trugen, wo ihn eine kleine Clique sich selbst überschätzender konservativ-nationalistischer Türsteher um den senilen Reichspräsidenten Hindenburg schließlich nach langem Zögern am 30. Januar 1933 einließ. Wäre Hitler nicht auf die Bereitschaft vieler Deutscher gestoßen, seinen Versprechungen und Imaginationen in partieller oder weit reichender Übereinstimmung zu folgen, es hätte das „Dritte Reich“ nicht gegeben. Aber es sei wiederholt: Hätte es Hitler nicht gegeben, dann wohl auch nicht dieses „Dritte Reich“. Es erscheint angebracht, diese doppelseitige Perspektive so explizit zu betonen, um den bisweilen wahrnehmbaren Eindruck zu vermeiden, man könne das eine ohne das andere denken – das „Dritte Reich“ ohne Hitler oder Hitler ohne das millionenfache Mitmachen der Deutschen.

Deutsche Traditionen und Mentalitäten

Wer Hitlers entscheidende Rolle für die Existenz des „Dritten Reiches“ erkennt und betont, nimmt zugleich keinerlei Verantwortung von denjenigen, die ihm zur Macht verhalfen und sich an den Verbrechen der NS-Herrschaft zwischen 1933 und 1945 beteiligten. Dieser Hinweis erscheint angebracht, weil in der Diskussion um die Rolle Hitlers in der deutschen Geschichte, vereinfacht gesagt, bisweilen eine falsche Alternative impliziert wird: Wer Hitlers herausragende Rolle betont, dem wird nicht selten unterstellt, er wolle den Zivilisationsbruch, den das „Dritte Reich“ in der deutschen Geschichte repräsentiert, auf die Schuld eines Mannes und weniger Satrapen reduzieren, um die übrigen Deutschen gleichsam als bloß Verführte zu exkulpieren. Das wäre ebenso irreführend, wie wenn man demgegenüber Hitler als genuin-eigenwilligen Faktor vernachlässigte und allein die kompliziert-spannungsreiche Entwicklung der deutschen Gesellschaft, ihrer nationalistischen Eliten und autokratischen Mentalitäten, ihrer antiparlamentarischen Traditionen und ihres antidemokratischen Bewusstseins als allein entscheidend, womöglich gar als eine Art Einbahnstraße ins „Dritte Reich“ interpretieren wollte.

Wenngleich zweifellos niemand den Nationalsozialismus mit Hitler gleichsetzen würde, lässt sich bei allen Vorbehalten gegen historische Spekulationen doch behaupten, dass die NS-Bewegung ohne Hitler vermutlich eine zersplitterte Form verschiedener radikaler, nationalistischer, völkischer, antisemitischer, mystisch-esoterischer, antikapitalistischer, teilweise auch sozialistischer Gruppierungen geblieben wäre, wie sie in den zwanziger Jahren zuhauf in Deutschland existierten. Betrachten wir Hitlers engste Anhänger, so wird dieses Argument plastisch: Die einen, wie etwa Göring, waren radikal nationalistisch, dabei eher wirtschaftskonservativ und zugleich informell imperialistisch auf einen mitteleuropäischen Großwirtschaftsraum ausgerichtet, standen damit für sich genommen den Vorstellungen Alfred Hugenbergs und der DNVP oder auch Hjalmar Schachts nahe. Die anderen, etwa Gregor Straßer, bis 1926 auch Goebbels, oder auch Robert Ley, orientierten sich an sozialistisch-antikapitalistischen Gemeinschaftsvorstellungen. Eine dritte Gruppe wiederum, etwa um Ernst Röhm, favorisierte faschistisch-militaristische Ideale mit sozialistischen Untertönen. Weitere Orientierungen ließen sich nennen, etwa der esoterische Mystizismus, dem Heß ebenso huldigte wie Himmler. Gleichwohl ist niemand erkennbar, der diese heterogenen, zum Teil antagonistischen Strömungen integrierend zu bündeln vermochte, wie es Hitler so offensichtlich mit einer in alle Richtungen wirkenden Glaubwürdigkeit gelang. Mit Blick auf die verbrecherische Wirkungsgeschichte der NS-Herrschaft in Europa würde heute zudem „wahrscheinlich die große Mehrzahl der Historikerinnen und Historiker, die sich mit der Geschichte des ‘Dritten Reiches’ beschäftigen, die These unterschreiben: ‘Ohne Hitler kein Holocaust’“ (Peter Longerich). Anders formuliert und zusammengefasst: Hitler war vor 1933 und blieb bis zu seinem Selbstmord die pseudomissionarisch treibende, ideologisch orientierende, politisch inspirierende und integrierende Kraft des Nationalsozialismus und des „Dritten Reiches“. Wer Hitler aus den Jahren 1933 bis 1945 wegdenkt – und dies unterscheidet ihn von allen anderen Tätern dieser Jahre –, der kommt zu einem grundsätzlich anderen Verlauf der Weltgeschichte.

„Ohne Hitler kein Holocaust“

Die nationalsozialistische Herrschaft 1933-1939

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