Читать книгу Verscharrt auf Wangerooge - Malte Goosmann - Страница 7

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Jens Rackow freute sich auf seinen Feierabend, der eigentlich kein Abend mehr werden konnte. Sie waren die ganze Nacht durchgefahren. Das Wasser kam nun langsam zurück. Es würde seine letzte Fuhre werden. Die Musik dröhnte durch die beiden großen Kopfhörer in seine Ohren. Es musste immer wieder ACDC sein. Er hatte sich auf seinem Smartphone eine Best Of-Liste zusammengestellt, die er häufig bei seinen Fahrten mit dem Dumper hörte. Ein Fahren ohne Kopfhörer war kaum möglich, denn die Fahrgeräusche dieser gelben Ungetüme waren erheblich. Ein Ohrenschutz war unerlässlich und wurde auch vorgeschrieben. Die meisten Fahrer benutzten ihn auch. Rackow nahm lieber die Musikkopfhörer, um die Fahr- und Vibrationsgeräusche zu übertönen. Er war jetzt an der Ostspitze angekommen. Der Radlader wartete schon mit einer vollen Schaufel auf ihn. Es dauerte knappe 5 Minuten und sein Dumper war mit Sand vollgeladen. Es dämmerte zwar schon, aber alle Scheinwerfer an den Fahrzeugen waren eingeschaltet. Rackow fuhr gerne nachts, da dann in der Regel keine Strandspaziergänger unterwegs waren. Man musste nicht so aufpassen und konnte seinen Träumen nachgehen. Rackow war eigentlich Strandwärter, also Herr über die Strandkörbe. In der Saison kontrollierte er, ob die Gäste auch für ihren Korb bezahlt hatten und musste nach nächtlichen Saufgelagen am Strand Flaschen, Kondome und noch so allerlei andere Dinge einsammeln. Umgestürzte Körbe wurden wieder aufgerichtet und auf die richtige Position gestellt. Rackow freute sich auf die kommende Saison, auf die große Auswahl aus Mädchen, die er von seinem Strandwächterkarren aus beobachten konnte. Die eine oder andere würde er dann im Beach Club, der örtlichen Stranddisco, abschleppen können. Rackow war ein mittelgroßer, blonder, meist braungebrannter Typ und hatte ohne Zweifel einen „Schlag“ bei Frauen.

Der Radlader hupte. Das war das Signal für die Abfahrt. Für Rackow war das alljährliche Sandfahren eine gute Abwechslung im tristen Inselalltag der Vorsaison, zumal er den zusätzlichen Nebenverdienst gut gebrauchen konnte. Beim Überfahren der Buhnen nahm er das Gas weg. Die Dumper mit ihren extrem hohen und dicken Rädern waren nicht gut gefedert. Schon aus Liebe zu seiner Bandscheibe drosselte er an dieser Stelle immer die Geschwindigkeit. Er hatte den Hauptstrand erreicht. Die letzte Fuhre würde er in Höhe Surfkiosk abladen. Gleich daneben, vor der großen Halle, wo die Strandkörbe gelagert wurden, mussten die Dumper dann geparkt werden. Er schaltete in den Rückwärtsgang, der starke Rückscheinwerfer leuchtete auf, damit der Fahrer seine Ladung korrekt platzieren konnte. Die Ladefläche ging hoch und der Sand rutschte auf den Strand. Rackow beobachtete durch den Rückspiegel den Vorgang. Doch irgendetwas war anders. Er meinte ein Metallteil gesehen zu haben und mehrere Unebenheiten im Sand. Mittlerweile war die gesamte Ladung abgekippt worden. Rackow kletterte aus dem hohen Fahrerhaus, ließ aber den Rückscheinwerfer brennen, damit er den Sandhaufen besser begutachten konnte. Zuerst fiel ihm ein verrostetes Metallrohr auf, was wie ein Gewehrlauf aussah. Er zog an dem Rohr und tatsächlich kam ein Gewehr, oder das, was davon übrig geblieben war, zum Vorschein. Rackow wühlte weiter im Sand. Er erschrak aber heftig, als er auch noch einen Totenschädel erblickte. Daneben schienen noch andere Knochenreste zu liegen. Da es noch ziemlich dunkel war und nur der Scheinwerfer die Szenerie aufhellte, hatte das ganze etwas Geisterhaftes. Rackow, der sonst nicht sehr schreckhaft war, fing an zu zittern. Ein leichter Würgereiz stellte sich ein. Er schaute sich um, seine Kollegen waren schon weg. Er hatte die letzte Tour gefahren. Der Fahrer des Radladers war noch weit weg. Rackow atmete tief durch, griff in die Brusttasche seines blauen Overalls nach seinem Handy und wählte 110.

Lars Petersen schreckte auf. Sein Diensthandy machte einen Höllenlärm, das war immer dann der Fall, wenn sich die Leitstelle vom Festland meldete. Jemand auf der Insel musste 110 gewählt haben. Er meldete sich schlaftrunken mit:

„Petersen.“

Der wachhabende Beamte informierte über den eingegangenen Notruf:

„Moin, Herr Kollege, tut mir leid, dass ich Sie wecken muss. Jemand hat angeblich Leichenteile am Strand gefunden. Position Höhe Surfkiosk, der Mann heißt Rackow.“

„Okay, ich kümmere mich drum.“

Petersen stöhnte auf:

„Bitte nicht wieder ‘ne große Sache. Es war so schön ruhig.“

Schnell zog er sich seine Uniform an, nahm den starken Handscheinwerfer mit und schwang sich auf das Dienstfahrrad. Onno Siebelts würde er später informieren, wenn er sich ein Bild von der Lage gemacht hatte. Jens Rackow kannte er von der Knobelrunde beim Magister. Der war eher ein ruhiger Vertreter, nur im Suff etwas aufbrausend. Wenn der ihn jetzt verarschen wollte, dann gäbe es richtig Ärger. Auf der anderen Seite konnte Jens jetzt nicht besoffen sein, denn er gehörte zu den Dumperfahrern, die er heute Nacht gehört hatte.

Petersen erreichte die Promenade, stellte sein Fahrrad vor dem Schwimmbad ab und ging die Treppe zum Strand hinunter. Sofort fiel ihm der helle Lichtschein des Dumpers auf. Neben dem Fahrzeug standen zwei Männer. Einer davon war ohne Zweifel Jens Rackow, den anderen kannte er nicht. Er musste aber auch zu den Sandfahrern gehören, denn der Radlader stand neben dem Dumper. Rackow sah blass aus, der andere Mann wirkte etwas unbeteiligter. Petersen umrundete den Sandhaufen. Rackow sprach ihn sofort an:

„Moin Sheriff, guck dir das mal an!“

Petersen konnte noch nichts Auffälliges erkennen. Er nahm seinen Handscheinwerfer und schaltete ihn ein. Rackow zeigte mit seinem Arm in die Richtung, wo der Schädel lag. Jetzt sah auch Petersen den Totenkopf, daneben lagen einige Knochenteile.

„Habt ihr was angefasst, Jens?“

Rackow deutete auf die rostigen Gewehrreste.

„Ich hab‘ nur das Rohr hier rausgezogen, weil mir das aufgefallen ist. Normalerweise liegt da nichts im Sand, wenn wir hier abladen.“

„Ist okay, dass dir das überhaupt aufgefallen ist, Kompliment.“

Rackow freute sich über das Lob und langsam kam auch wieder Farbe in sein Gesicht. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und deutete wieder auf den Schädel:

„Muss aber schon länger tot sein oder?“

Petersen grinste:

„Darauf kannst du Gift nehmen. Der ist sowas von tot, toter geht’s nicht. Frisch verweste Leichen sehen anders aus.“

„Ist ja gut, keine Einzelheiten, mir reicht das hier.“

Rackow zog an seiner Zigarette. Insgeheim freute sich Petersen. Das war kein aktueller Todesfall, so wie bei Brigitte Dunker im letzten Jahr. Trotzdem musste er natürlich handeln. Er blickte auf seine Uhr, es half nichts. Er würde seinen Kollegen Onno Siebelts aus dem Bett klingeln müssen, auch Wilhelmshaven musste informiert werden. Der Kriminaldauerdienst in Wilhelmshaven versprach, Kommissar Wilbert, der für Tötungsdelikte zuständig war, zu informieren. Ein Spurensicherungsteam würde in jedem Fall losgeschickt werden. Mit Wilbert hatte Petersen nach anfänglichen Schwierigkeiten recht gut zusammengearbeitet. Wilbert hatte auch seine gute Arbeit bei den Vorgesetzten erwähnt, aber der Innensenator in Bremen wollte Petersen trotzdem auf keinen Fall zurückhaben. Die Geschehnisse um das Disziplinarverfahren gegen den Drogenfahnder Lars Petersen hatten zu viel Staub aufgewirbelt und der Senator selbst war in die Schusslinie geraten. Petersen war eben das Bauernopfer gewesen, so empfand er es jedenfalls.

Mittlerweile war auch Siebelts eingetroffen, der kleine gedrungene Mann, mit Bierbauchansatz, hatte offensichtlich Schwierigkeiten sich durch die Sandmassen zu kämpfen. Mit hochrotem Gesicht erreichte er Petersen und Rackow. Der Fahrer des Radladers hatte sich in sein Steuerhaus gesetzt. Man brauchte ihn im Moment nicht.

Siebelts hatte Absperrband mitgebracht. Schnaufend prustete es aus ihm raus, als er den Totenkopf sah:

„‘Nen Arzt, der uns ‘nen Totenschein ausstellt brauchen wir wohl nicht oder?“

„Du bist ja schon gut drauf, heute Morgen“, bemerkte Petersen trocken.

„Tja, ich bin froh, dass das keine aktuelle Leiche ist. Vielleicht ist da jemand vor Jahren von einem Schiff über Bord gegangen und ist schon vor langer Zeit an den Strand geschwemmt worden. Kann doch sein oder?“

Petersen deutete auf die Gewehrreste:

„Sicherlich ist das möglich, aber stutzig macht mich dieses Gewehr hier. Ein Seemann hat doch in der Regel kein Gewehr und ein Mariner läuft doch auch nicht mit einen Gewehr über sein Schiff.“

Rackow, der bei der Marine gedient hatte, schaltete sich ein:

„Da hast du sicherlich Recht, Sheriff und das ist auch kein aktuelles Bundeswehrmodell. Ein G3 ist das sicher nicht.“

Petersen nickte:

„Es hilft nichts, da müssen die Kriminaltechniker ran, aber was machen wir so lange mit unserem Sandhaufen?“

Siebelts runzelte die Stirn:

„Das ist doch keine klassische Auffindsituation. Jens hat doch den Scheiß hier hergefahren. Wir sollten den ganzen Haufen mit dem Radlader in die Halle fahren, da kann dann ja die KTU alles in Ruhe untersuchen, ohne dass ‚Touris‘ hier rumbuddeln.“

Petersen fand den Gedanken überzeugend:

„Wir sollten uns aber in Wilhelmshaven absichern, sonst haben wir wieder den schwarzen Peter.“

Siebelts fand diese Obrigkeitshörigkeit etwas übertrieben. Er wusste aber davon, wie Petersen in Bremen übel mitgespielt worden war und konnte seine Vorsicht nachvollziehen.

Nach kurzem telefonischem Hin und Her gab Wilhelmshaven grünes Licht. Rackow fuhr seinen Dumper langsam in die Parkposition. Der Fahrer des Radladers wurde instruiert, wo er die Ladung Sand hinschütten sollte. Es wurde ihm eingeschärft, den Sandhaufen möglichst original aufzunehmen und langsam in der Strandkorbhalle abzusetzen. Die Einfahrt der Halle war durch einen Anker und eine gelbschwarze Gefahrentonne beschränkt. Rackow betätigte die Elektronik des Hallentores. Langsam schob sich das Hallentor nach oben. Rackow wies dem Fahrer des gelben Radladers eine Ecke in der Halle zu, von der er wusste, dass sie nicht gebraucht wurde. Das Unterfangen gelang, da der Fahrer sich sehr geschickt anstellte.

„Gelernt ist gelernt“, sagte Petersen zu Siebelts.

Beide waren zufrieden. Sie mussten jetzt keine Bewachung der Fundstelle organisieren. Die Halle wurde abgeschlossen, die Hallenecke mit Absperrband markiert. Siebelts würde die Kurverwaltung informieren, dass ein Teil der Halle gesperrt war. Mit Rackow zusammen gingen die beiden Polizisten in ihr Revier in der Charlottenstraße. Es musste ein Protokoll angefertigt werden.

Nachdem Rackow die Wache verlassen hatte, orderte Siebelts erst einmal bei seiner Frau Frieda Kaffee und ein paar belegte Brötchen. Beiden Beamten war sichtlich flau im Magen. Petersen machte sich Sorgen um seinen Kollegen, der erst kürzlich nach einem Herzinfarkt und einer mehrwöchiger Reha-Maßnahme den Dienst wieder angetreten hatte.

„Wann kommt eigentlich unsere Verstärkung?“, fragte Petersen.

Siebelts runzelte die Stirn und sah Petersen verärgert an:

„Glaubst du, ich halte das hier nich‘ durch oder was?“

„Nein, natürlich nicht. Aber es wird eine Menge Arbeit auf uns zukommen und da könnten wir schon noch Unterstützung gebrauchen.“

„Nun mach‘ mal nicht in Schwarzmalerei, Lars, das ist kein aktueller Mordfall. Strandleichen hat es hier immer schon gegeben. Du als Großstadtpolizist siehst immer nur Mord und Totschlag. Strandleichen gehören seit ewigen Zeiten zu den Nordseeinseln und nun komm‘ mir nich‘ mit Nordsee ist Mordsee!“

Petersen fing an zu lachen:

„Du kennst dich ja aus, der Film von Hark Bohm mit der Musik von Udo Lindenberg.“

„So genau wusste ich das nicht. Du bist hier anscheinend der Kulturkenner, unser intellektueller Dorfsheriff aus Bremen.“

Beide hatten nicht bemerkt, dass Frieda Siebelts während ihrer Unterhaltung das Dienstzimmer betreten hatte. Die große, schlanke Frau mit dem herben Gesicht war für Petersen das Sinnbild einer Ostfriesin. Ihre blauen Augen funkelten böse:

„So früh raus und ohne Frühstück, das ist nichts mehr für Onno, der klappt mir bald wieder zusammen.“

Bei diesen Worten lief Siebelts rot an:

„Hör auf, das war nur ‘ne Strandleiche, da war nichts Aufregendes dabei, beruhig dich. Lass uns den Korb mit Kaffee und Brötchen hier und lass uns weiter arbeiten.“

„Dafür bin ich euch gut genug“, keifte Frieda Siebelts, „und wenn dann das Kind in den Brunnen gefallen ist, kann ich wieder Mutter Theresa am Krankenbett spielen.“

Mit diesen Worten verließ sie wutschnaubend die Wache. Petersen war etwas erschrocken über den Wutausbrauch, hegte aber Sympathie für die Argumente der besorgten Ehefrau.

„Onno, irgendwie hat sie aber Recht. Wir brauchen Unterstützung. Du solltest in Wilhelmshaven anrufen, vielleicht kann der Kollege Haake ja schon früher kommen.“

„Erst mal warten wir ab, ob da wirklich viel Arbeit auf uns zukommt. Erst dann ruf ich an. Nur wegen einer Strandleiche mach‘ ich mich nicht lächerlich.“

In diesem Moment läutete das Telefon. Siebelts nahm ab. Es war Kommissar Wilbert aus Wilhelmshaven. Etwas säuerlich gab Siebelts den Hörer an Petersen weiter:

„Der will mit dir sprechen.“

Mit „Moin Kollege Wilbert“, meldete sich Petersen. Wilbert erwiderte den Gruß, legte dann aber sofort los:

„Also wir wollen aus der Sache nichts Großes machen. Das Spusiteam kommt heute Nachmittag mit dem Polizeikreuzer und nimmt dann mit, was von eurer Leiche übrig geblieben ist. Das wird dann untersucht und dann werden wir wissen, aus welchem Jahrhundert das Skelett ist.“ Wilbert lachte:

„Vielleicht werden Sie ja noch als großer Archäologe in die Geschichte eingehen, der Nordsee-Ötzi von Wangerooge.“

Petersen konnte hierüber nicht lachen und wunderte sich über den merkwürdigen Humor seines Wilhelmshavener Kollegen. Er vermied es aber, den Leichenfund zu kommentieren. Vielleicht hatten seine Kollegen an der Küste Recht und er überbewertete die Sache mit der Leiche, aber irgendwie spürte er ein merkwürdiges Gefühl in seiner Magengegend. Auf sein Gefühl konnte er sich bisher immer verlassen, nur in puncto Frauen hatte ihn dieses Gefühl häufig im Stich gelassen. Petersen informierte Siebelts über das Gespräch mit Wilbert. Siebelts rief Harm Gerdes von der Freiwilligen Feuerwehr an. Die Beamten der Kriminaltechnik mussten vom Anleger abgeholt werden, da zum Leidwesen der Wangerooger Beamten der Polizei kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung stand. Gerdes sicherte die Hilfe der Feuerwehr zu. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feuerwehr war kein Problem. Petersen hatte bei seinem letzten Fall dies am eigenen Leib positiv erfahren.

Nach dem nochmaligen Lesen des Protokolls fiel Petersen ein mögliches Versäumnis auf. Zweifelnd sprach er Siebelts an:

„Sag mal, hätten wir nicht noch mal zur vermeintlichen Fundstelle im Osten fahren müssen. Vielleicht liegt da noch was und wenn die wieder anfangen Sand zu fahren, ist es zu spät.“

Onno schüttelte mit dem Kopf:

„Wir haben jetzt Flut, die spült sowieso alles durcheinander. Aber ich ruf mal die Gemeindeverwaltung an, dass Jens oder der Fahrer des Radladers uns noch mal die Fundstelle zeigen, okay?“

Petersen nickte:

„Wenn heute Nachmittag Ebbe ist, können die vielleicht einen von der Spusi mitnehmen.“

„Mook we! Ich ruf mal bei der Gemeinde an.“

Das Einfließen von pattdeutschen Redewendungen durch Onno Siebelts gefiel Petersen. Er hatte noch seine Großeltern in Bremen Platt sprechen hören und war seitdem von dieser Sprache fasziniert. Zu seiner Musiksammlung gehörten auch LPs von Knut Kiesewetter und Fiede Kay, die plattdeutsche Musik machten.

Für 15:00 Uhr war die Ankunft des Polizeikreuzers aus Wilhelmshaven angekündigt. Harm Gerdes stand mit dem roten Rover der Freiwilligen Feuerwehr zur Abholung des Spurensicherungsteams am Anleger bereit. Petersen und Siebelts brachen nach einer kurzen Mittagspause zur Strandkorbhalle auf, wo bereits einige Mitarbeiter der Kurverwaltung auf sie warteten. Petersen steuerte direkt auf Jens Rackow und den Fahrer des Radladers zu. Er nickte beiden freundlich zu:

„Moin ihr beiden, büschen wenig Schlaf heute, aber es hilft ja nichts. Ich hab‘ ‘ne Frage an euch. Findet ihr die Stelle wieder, wo ihr heute Morgen die letzte Fuhre aufgenommen habt?“

Rackow antwortete:

„Ungefähr schon, aber die Flut wird alles verändert haben.“

Petersen nickte:

„Ist mir schon klar, aber ich würde euch bitten, einen der Beamten aus Wilhelmshaven da mal hinzufahren. Geht das?“

„Aye, aye Sir“, antwortete Rackow, der immer mal wieder betonte, dass er auf der Fregatte „Lübeck“ gefahren war. Petersen hatte das mal beim Knobeln im „Störtebeker“ aufgeschnappt.

Er betrat nun die Strandkorbhalle. Die Ecke mit dem Sandhaufen war abgesperrt. Alles schien unberührt, nur die Lichtverhältnisse gefielen ihm nicht.

„Können wir irgendwie mehr Licht in die Ecke bekommen?“, fragte er die Vertreter der Kurverwaltung. Man versprach, einen Scheinwerfer herzuschaffen. Petersen hörte schon das Röhren des Rovers. Harm Gerdes kam mit seinem Fahrzeug vom Strand und fuhr direkt die Auffahrt zur Halle rauf. Die drei Beamten kletterten aus dem Fahrzeug. Mit einem knappen „Moin, moin“ begrüßte man sich. Alle drei Spezialisten waren auch mit dem Fall Dunker auf der Insel befasst gewesen. Die Silberkoffer wurden entladen. Harm Gerdes versprach die persönlichen Sachen in die Pension zu fahren. Die drei inspizierten den Sandhaufen. Einer der Beamten wandte sich an Petersen:

„Wir brauchen so ‘ne Art Sieb für den Sand, könnt‘ ihr das besorgen?“

„Wir haben hier ‘ne Gärtnerei“, schaltete Siebelts sich ein, „ich ruf da mal eben an. Ich hab so ein Ding auf dem Gelände in der Siedlerstraße mal gesehen, glaub‘ ich wenigstens.“ Nachdem Petersen die Beamten kurz über die Auffindsituation informiert hatte, wurde ein Beamter abgeordnet, mit dem Radlader in den Osten der Insel zu fahren. Die anderen schlüpften in ihre weißen Overalls und begannen mit ihrer Arbeit. Nach einer halben Stunde wurde von dem Inhaber der Inselgärtnerei mit dem E-Karren ein Sandsieb herbeigeschafft. Siebelts und Petersen waren mit sich zufrieden. Sie hatten alles Denkbare getan, damit die Kollegen ihre Arbeit optimal verrichten konnten. Es war jetzt etwas Zeit zum Verschnaufen. Petersen tippte Onno Siebelts auf die Schulter:

„So lieber Onno, du gehst jetzt nach Hause und machst Feierabend, sonst reißt Frieda mir noch den Kopf ab.“

„Du spinnst wohl, jetzt, wo es gerade interessant wird?“, brauste Onno auf.

„Keine Widerrede, das wird jetzt nicht spannend. Das dauert bis die Spusi-Jungs was rauskriegen und ob die uns was sagen, ist auch nicht sicher, für die sind wir kleine Lichter.“

Murrend schob Siebelts ab und bat Petersen, ihn zu informieren, falls es etwas Neues geben sollte. Petersen beobachtete noch, wie die beiden Spusi-Beamten begannen, den Sand durch das Sieb laufen zu lassen. Die Skelettreste und die verrosteten Gewehrteile hatten sie in Plastikfolien eingepackt. Zu gern hätte er gefragt, ob es schon Erkenntnisse gab, aber er wusste zu gut, dass die Spusi nichts mehr hasste, als Kriminalbeamte, die ständig schon so früh was wissen wollten. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als auch nach Hause ins Revier zu gehen, zumal sich auch bei ihm eine gewisse Müdigkeit breit machte.

Nach dem Duschen und einem kleinen Imbiss griff er zur Gitarre und spielte einige Rock-Soli als Fingerübung. Die Ereignisse um die Strandleiche traten zunehmend in den Hintergrund. Musik war für ihn Entspannung pur. Das Projekt von Musiklehrer Sönke Meiners, eine Band auf der Insel zu gründen, musste gut überlegt sein. Sicher mussten Rock-Standards zum Repertoire gehören, aber so ganz von maritimen Inhalten sollte man sich nicht lösen, wenn auch einmal vor Publikum gespielt werden sollte. Das würde ein schmaler Grat zwischen Shanties und Rock werden. Bei diesen Gedanken fielen ihm die Augen zu und er versank in eine Welt musikalischer Träume.

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