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Besonders im letzten Viertel des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind zahlreiche wichtige philosophische und theologische Studien entstanden. Wie die Theologen und Philosophen in der Vergangenheit haben sich die zeitgenössischen Wissenschaftler an der Biologie orientiert – aber auch die Psychologie, die neuen Technologien und die sozialen Bewegungen haben wichtige Impulse für ihre theoretische Arbeit geliefert. In der Tat wird die Notwendigkeit interdisziplinärer Ansätze weithin anerkannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten Philosophen wie Jean-Paul Sartre, Maurice Merleau-Ponty und Simone de Beauvoir, die Bedeutung der menschlichen Sexualität nicht nur im Licht neuer wissenschaftlicher Daten, sondern auch neuer philosophischer Theorien der Freiheit und Liebe neu zu bestimmen.9 Am einflussreichsten für unser Verständnis von Sexualität und sexuellem Begehren war jedoch das Werk von Michel Foucault.10 Aber auch analytische Philosophen steuerten wichtige Studien zu Themen wie Gender, Ehe, Familie, Homosexualität und Pornografie bei.11 Insbesondere feministische Philosophinnen leisteten bahnbrechende Arbeit, nicht nur zum Verständnis der Sexualität im engeren Sinn, sondern auch zu den großen philosophischen Fragen der Verkörperung, der Genderidentität, der Natur des sexuellen Begehrens, der Gerechtigkeit in familiären Beziehungen und den Formen der Elternschaft.12

Auch die Theologie hat wichtige Erkenntnisse in Bezug auf die menschliche Sexualität und das Sexualverhalten geliefert. Einige dieser Arbeiten entstanden in Nordamerika in den 1960er-Jahren mit der römisch-katholischen theologischen Debatte über die künstliche Empfängnisverhütung.13 Kurz darauf läuteten die wichtigen Publikationen von Anthony Kosnik und seinen Kollegen aus der römischkatholischen Tradition und James Nelson aus der protestantischen Tradition den Beginn einer ganz neuen Ära für eine christliche Sexualethik ein.14 Die Beiträge von Charles Curran, André Guindon, Philip Keane, Giles Milhaven, Lisa Sowle Cahill, Beverly Wildung Harrison, Carter Heyward, Christine Gudorf und vielen anderen waren zum Verständnis des Sexuellen innerhalb christlicher Gemeinschaften von unschätzbarem Wert.15 Bibelforscher wie Phyllis Trible, Mary Rose D’Angelo, William Countryman, Robin Scroggs, Richard Hays und Dale Martin haben sich mit Fragen der Sexualethik befasst.16 Und auch jüdische Theologen haben zu vielen dieser Fragen wichtige Untersuchungen beigetragen. Autoren wie Eugene Borowitz, David Feldman, David Novak, Judith Plaskow, David Biale und Elliot Dorff haben sich kritisch mit der Rolle der Sexualität in der jüdischen Gemeinschaft (und darüber hinaus) auseinandergesetzt.17

Viele der philosophischen und theologischen Forschungsbeiträge sind freilich umstritten, trotzdem haben sie zahlreiche neue Erkenntnisse generiert und Perspektiven eröffnet, die nicht mehr ignoriert werden können. Einige theoretische Analysen zur Bedeutung der menschlichen Sexualität sind genauso entscheidend für unser Verständnis wie die naturwissenschaftlichen Entdeckungen, die ihnen vorausgegangen sind. Die Einsicht in den Zusammenhang von Sex und Freiheit, Sex und Macht, Sex und Geschichte, von Gender und beinahe allem anderen, ist in mancher Hinsicht so wichtig, dass es einfach kein Zurück zu naiveren Betrachtungsweisen gibt.

Die theologische Kritik am anthropologischen Dualismus und an der Betonung von Sünde und Scham hat für die Schöpfungs- und Inkarnationslehre und die Eschatologie neue Sichtweisen auf die Sexualität ermöglicht. Kritische Bibelexegesen haben allgemein akzeptierte Sexualnormen destabilisiert und neues Licht auf die Stellung der Sexualität in der menschlichen Gemeinschaft geworfen. Die Kritik an religiösen Traditionen hat in einigen Fällen zur kreativen Neustrukturierung wichtiger Aspekte der Tradition geführt. Aber selbst dort, wo die neuen theologischen Sichtweisen der menschlichen Sexualität mit Skepsis betrachtet oder rundheraus abgelehnt werden, haben sie den theologischen Diskurs erheblich verändert. Die Theologie hat wie die Philosophie einen Weg eingeschlagen, der eine Umkehr unmöglich macht.

Obwohl die Schlüsselfragen erforscht sind und sich die Hauptrichtungen für eine zeitgemäße Philosophie, Theologie und Ethik der menschlichen Sexualität herauskristallisiert haben, ist die Diskussion alles andere als abgeschlossen. In den Kirchen und Synagogen wütet der Dissens, und es gibt viele Fragen (wie die nach der Bedeutung der menschlichen Sexualität, des Begehrens und der Verkörperung sowie der Strukturen menschlicher Beziehungen), die zur Gattung der »ewigen Fragen« gehören. Jede Generation wird sie immer wieder neu für sich erkunden müssen. Deshalb ist es wichtiger denn je, mit allen uns zur Verfügung stehenden Disziplinen die Diskussion fortzusetzen und ethische Leitlinien für den Bereich der Sexualität zu entwickeln.

Verdammter Sex

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