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Kleidung in der ständischen Gesellschaft

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In der ständischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit war Kleidung ein Medium, um Wohlstand, Geschmack und persönliche Präferenzen auszudrücken. Eine Vorbildfunktion hatten dabei Fürsten und Adelige, für die Kleidung ein wesentliches Mittel der Distinktion war36 und die dementsprechend große Summen dafür ausgaben. Auf großen Messe- und Marktplätzen wie Frankfurt am Main und Leipzig deckten sich adlige Kunden bzw. deren Beauftragte mit rheinischen, niederländischen und englischen Tuchen ein. In Frankfurt erwarben etwa die Landgrafen von Hessen und die Grafen von Isenburg regelmäßig Textilien. Dabei handelte es sich sowohl um kostbare Materialien wie Samt, Atlas und Damast als auch um englische und brabantische Woll- und Leinenstoffe für den Hofstaat und die Dienerschaft. Allein im Falle der hessischen Landgrafen summierten sich die Tuchkäufe auf den Frankfurter Messen jährlich auf 2000 bis 3000 rheinische Gulden.37 Darüber hinaus waren die Fürsten und ihr Gefolge darauf bedacht, sich auf Reichstagen, bei Hochzeiten und bei anderen festlichen Anlässen standesgemäß zu präsentieren. In der Zeit um 1500 zielte die höfische Kleidung noch primär auf Repräsentation nach außen und erst in zweiter Linie auf Distinktion innerhalb der höfischen Gesellschaft ab.38

Aber auch das städtische Bürgertum legte Wert auf ästhetisch ansprechende Kleidung aus feinen Materialien. Das Patriziat der süddeutschen Reichsstädte orientierte sich im 16. Jahrhundert zunehmend an adeligen Vorbildern und reklamierte für sich selbst eine adelsgleiche Qualität. Gesellschaftliche Aufsteiger konnten durch aufwendige Kleidung ihren erworbenen Wohlstand inszenieren und ihren Anspruch auf soziale Anerkennung untermauern. Als Ulrich Fugger d. J. 1516 die Kaufmannstocher Veronika Gassner heiratete, soll er dem Chronisten Wilhelm Rem zufolge der Braut Kleider und Juwelen im Wert von 3000 Gulden geschenkt und dieselbe Summe ausgegeben haben, um seinen Verwandten „seidenes Gewand und Samt und Atlas und sonst Kleider“ zu schenken. Diese „große Hoffart“ sprengte nach Rems Ansicht den Rahmen, der bei Hochzeiten Augsburger Bürger bis dahin üblich gewesen war.39

Selbst Handwerker konnten in Städten wie Augsburg und Nürnberg, in denen es ein reges öffentliches Leben und eine Vielzahl geselliger Ereignisse wie Schützenfeste, Karnevalsfeiern und Prozessionen gab, über ihr Äußeres Status- und Modebewusstsein demonstrieren. Studenten und Kaufmannssöhne, die eine Ausbildung im Ausland absolvierten, legten großen Wert auf ein modisches Erscheinungsbild.40

Neuere kulturgeschichtliche Forschungen betonen den engen Zusammenhang von Kleidung und persönlicher Identität. In einer außergewöhnlichen Handschrift, dem Kostümbuch des Fugger’schen Hauptbuchhalters Matthäus Schwarz, ist dies besonders deutlich erkennbar. Der Sohn eines Augsburger Weinhändlers trat nach seiner kaufmännischen Ausbildung in Mailand und Venedig in das Unternehmen Jakob Fuggers ein. Im Jahre 1520 legte der damals 23-jährige Schwarz eine Bilderhandschrift an, in der er sich in immer wieder neuer Kleidung porträtieren ließ. Als er dieses Projekt vier Jahrzehnte später mit einem Bild abschloss, das ihn nach dem Tod des Firmenleiters Anton Fugger in Trauerkleidung zeigt, waren 137 Porträts zusammengekommen.

Schwarz zeigte ein ausgeprägtes Bewusstsein für den Wandel der Moden: Seine Kleidung war aus einer Vielfalt hochwertiger Stoffe wie Atlas, Taft, Samt, Damast und Kamelhaarstoff gefertigt und aufwendig verarbeitet; insbesondere vor seiner Hochzeit im Jahre 1535 präsentierte er sich häufig in leuchtenden Farben. Der selbstbewusste Buchhalter, der im Dienste der Fugger ein Vermögen akkumulierte und 1541 in den Adelsstand erhoben wurde, machte sich die Handelsbeziehungen der Augsburger Kaufleute sowie die Fähigkeiten der reichsstädtischen Schneider, Sticker und Hutmacher zunutze, um sich auf immer wieder neue, mitunter recht ausgefallene Weise zu präsentieren.41

Interessant ist, dass Schwarz in den Beschreibungen seiner Kostüme mehrfach Stoffe erwähnt, die sich auch in den Rechnungen der Welser finden: Im April 1521 beispielsweise war er in Tuch aus Perpignan gekleidet, und 1539 trug er Tuch aus Mechelen. Häufig bestanden Teile seiner Kleidung aus schwarzem Samt.42 Dies bedeutet zwar nicht, dass Schwarz die Materialien für seine Gewänder bei den Welsern erworben haben muss; es zeigt aber, dass das breit gefächerte textile Sortiment aus verschiedenen Ländern, das das Handelshaus im Angebot hatte, von mode- und statusbewussten Bürgern rege nachgefragt wurde.

Dass auch Mitglieder der Welser-Gesellschaft Wert auf standesgemäße Kleidung legten, geht aus dem Fragment eines Geschäftsbuchs hervor, das die Faktorei Antwerpen in den 1540er-Jahren führte. Darin wurden Ausgaben auf private Rechnung von Teilhabern und Mitarbeitern verbucht. Für den Firmenleiter Bartholomäus Welser wurden demnach 1545 neben „etlichen Paar Schuhen und Pantoffeln“ sowie diversen Nahrungs- und Genussmitteln verschiedene Sorten Stoffe – englische Kerseys, Burschat, schwarzes Tuch – eingekauft. Welsers Sohn Christoph kleidete sich in den Niederlanden neu ein: Neben Ausgaben für Schneider und Näherinnen wurden für ihn ein neues Rapier43 samt Scheide, samtene Gürtel, ein mit Taft gefütterter grauer Hut und schwarzes englisches Tuch registriert. Für den Mitarbeiter und Teilhaber Hans Vöhlin d. J. fielen ebenfalls erhebliche Ausgaben für das Anfertigen neuer Kleidung an.44


Der Fugger’sche Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz 1521; Kostümbuch des Matthäus Schwarz

Aufbruch ins globale Zeitalter

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