Читать книгу Aufbruch ins globale Zeitalter - Mark Häberlein - Страница 7

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Die Funde im Wrack der „Bom Jesus“ und die Einträge in den Rechnungsbuchfragmenten der Welser machen deutlich, dass die großen Augsburger Handelshäuser im 16. Jahrhundert Kontakte nach Amerika und Asien hatten. Doch wenn man sich eingehender mit der Literatur zum Thema befasst, stellt man schnell fest, dass ihre direkten Beziehungen nach Übersee eher sporadischer Natur waren. Beide Handelshäuser beteiligten sich 1505 an einer portugiesischen Indienfahrt – doch bereits im folgenden Jahr erklärte der portugiesische König den asiatischen Gewürzhandel zum Kronmonopol und schloss damit die süddeutschen Kaufleute von weiteren derartigen Unternehmen aus. Die Welser schlossen 1528 mit der spanischen Krone einen Vertrag über die Kolonisierung Venezuelas – doch dieses Projekt degenerierte binnen weniger Jahre zu einem reinen Feldzugs- und Eroberungsunternehmen, das aufgrund der von den Welser-Vertretern begangenen Grausamkeiten und des Handels mit indigenen und afrikanischen Sklaven alles andere als ruhmreich war. Jahrzehnte später partizipierten Fugger und Welser erneut am Gewürzeinkauf in Asien – doch auch dieses Unternehmen währte nur wenige Jahre. Der Umfang der überseeischen Aktivitäten der Augsburger Handelshäuser sollte also nicht überschätzt werden: Abgesehen von einer Faktorei im indischen Goa in den Jahren 1586 bis 1592 unterhielten die Fugger zu keinem Zeitpunkt eine feste Niederlassung in Übersee, und die langlebigste überseeische Faktorei der Welser – Santo Domingo auf der Karibikinsel Hispaniola – bestand keine 20 Jahre. Dieser Befund gilt auch für andere Augsburger und Nürnberger Handelshäuser, die zwar zahlreiche Projekte in Übersee lancierten, von denen allerdings kaum eines dauerhaft erfolgreich war.9

Trotz ihrer insgesamt geringen und bestenfalls temporären Präsenz in Übersee vertritt dieses Buch die These, dass die Fugger und Welser die Anfänge des neuzeitlichen Globalisierungsprozesses auf wichtigen Geschäftsfeldern aktiv mitgestalteten. Ihre Bedeutung für den Welthandel des 16. Jahrhunderts resultierte aus ihrer zentralen Stellung im Handel mit Gütern, die für das Anknüpfen und die Verstetigung interkontinentaler Wirtschaftsbeziehungen essenziell waren.

Der Aufschwung des Augsburger Handels im Spätmittelalter basierte auf der Vermarktung von Textilien, die das Rückgrat der schwäbischen Wirtschaft bildeten. Die Barchenttuche, die Augsburger Weber herstellten, kombinierten Textilfasern unterschiedlicher Herkunft, nämlich Baumwolle aus dem östlichen Mittelmeerraum und Flachsgarn aus Mitteleuropa. Durch Baumwollimporte aus Venedig und die großräumige Vermarktung von schwäbischem Barchent verknüpften die reichsstädtischen Handelsgesellschaften die lokale Produktion mit europäischen Beschaffungs- und Absatzmärkten. Als die Fugger um die Mitte des 16. Jahrhunderts begannen, schwäbischen Barchent an Amerikahändler in Sevilla zu verkaufen, machten sie dieses Produkt zumindest für kurze Zeit zu einem globalen Handelsgut (Kapitel 1).

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert sicherten sich süddeutsche Handelshäuser, allen voran die Fugger, eine zentrale Stellung in der Vermarktung der Kupfer- und Silberproduktion der wichtigsten europäischen Montanreviere. Nahezu gleichzeitig erschlossen die Portugiesen den Seeweg nach Indien und waren dadurch erstmals in der Lage, die begehrten asiatischen Gewürze direkt vor Ort einzukaufen. Da die Portugiesen für den Asienhandel jedoch dringend auf Kupfer und Silber angewiesen waren, wurden die Oberdeutschen ihre wichtigsten Handelspartner. Vier Jahrzehnte lang, von ca. 1500 bis etwa 1540, spielte die strategische Kooperation der Agenten der portugiesischen Krone mit Vertretern der Augsburger Handelshäuser in Antwerpen und Lissabon eine entscheidende Rolle bei der Beschaffung der für den Überseehandel Portugals notwendigen Bunt- und Edelmetalle. Ohne Fugger’sches Kupfer und Silber wäre die portugiesische Expansion im Indischen Ozean in dieser Form nicht möglich gewesen (Kapitel 2).

Die Welser hingegen waren zentrale Akteure bei der Distribution asiatischer Gewürze auf den europäischen Märkten. Nachdem die Entdeckung der Seeroute um das Kap der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama in Mitteleuropa bekannt geworden war, beeilten sich die großen Augsburger und Nürnberger Handelshäuser, Faktoreien in Lissabon zu errichten. Bezogen die Welser die begehrten asiatischen Spezereien – indischen Pfeffer, Zimt aus Ceylon sowie Gewürznelken, Muskatnuss und Muskatblüte von den Molukken – um 1500 noch über Venedig, so konzentrierten sich ihre Einkäufe in den folgenden Jahrzehnten auf Antwerpen und Lissabon. Auch wenn die direkte Beteiligung der Welser an portugiesischen Indienfahrten ein vorübergehendes Phänomen war, handelten sie über Jahrzehnte hinweg in großem Umfang mit asiatischen Gewürzen, die sie auf den wichtigsten westeuropäischen Märkten einkauften. Ihre Rolle als Gewürzhändler war so bedeutend, dass sie der Gesellschaft im sogenannten Monopolstreit der 1520er-Jahre erhebliche rechtliche und politische Schwierigkeiten eintrug (Kapitel 3).

Zucker, den europäische Kaufleute im Spätmittelalter vorwiegend aus dem Mittelmeerraum bezogen, war um 1500 noch längst kein so wichtiges Handelsgut wie Pfeffer oder Gewürznelken. Im Zuge der Expansion Spaniens und Portugals im atlantischen Raum wurden jedoch neue Anbaugebiete auf Madeira, den Kanaren, in der Karibik und schließlich in Brasilien erschlossen. Die eng mit der Ausweitung des Sklavenhandels verbundene Expansion der Zuckerplantagenwirtschaft leistete einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung eines atlantischen Wirtschaftsraums. Obwohl die Welser in diesem Prozess nur ein Akteur unter vielen waren, nahmen sie daran durch die Gründung von Niederlassungen und den Kauf von Plantagen auf Madeira, der Kanareninsel La Palma und Santo Domingo (Hispaniola) regen Anteil. Indem sie sich 1528 die Statthalterschaft über Venezuela sicherten, stiegen die Augsburger Welser sogar zur Kolonialmacht auf. Der Aufbau einer wirtschaftlich lukrativen Kolonie scheiterte jedoch auf ganzer Linie, und die Eroberungs- und Beutezüge der Repräsentanten des Handelshauses vor Ort kosteten Tausenden von Ureinwohnern Venezuelas sowie Hunderten von Europäern das Leben (Kapitel 4).

Neben erfolgreichem Fernhandel basierte der Aufstieg der Fugger und Welser ganz wesentlich auf der Gewährung von Krediten an das Haus Habsburg. Kaiser Karl V. verdankte seine Wahl im Jahre 1519 maßgeblich der finanziellen Unterstützung der beiden Handelshäuser, die auch in den folgenden Jahrzehnten seine wichtigsten Bankiers blieben. Für ihre Darlehen erwarteten sie jedoch Gegenleistungen: Neben anderen königlichen Einkünften in Spanien übertrug der Herrscher den Fuggern und Welsern die Pacht der Ländereien der spanischen Ritterorden, zu denen auch das Quecksilberbergwerk von Almadén gehörte. Als in Mexiko um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein neues Verfahren zur Silbergewinnung unter Verwendung von Quecksilber, das sogenannte Amalgamierungsverfahren, entwickelt wurde, stieg der Bedarf an Quecksilber in der Neuen Welt sprunghaft an. Die Fugger wurden die wichtigsten Lieferanten dieses essenziellen Rohstoffs für die mexikanische Silberproduktion. Ohne Fugger’sches Quecksilber hätte es den mittelamerikanischen Silberboom des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts und die Manila-Galeonen, die Amerika und Asien erstmals über den Pazifik hinweg verknüpften, nicht gegeben (Kapitel 5).

Andere außereuropäische Güter waren wirtschaftlich weit weniger bedeutsam, spielten aber in der Medizin- und Kulturgeschichte des Renaissancezeitalters eine wichtige Rolle. Manchen amerikanischen und asiatischen Arzneimitteln wurde eine besondere Heilwirkung zugeschrieben – insbesondere dem Guajakholz, das gegen die Geschlechtskrankheit Syphilis helfen sollte. Indische Diamanten, südamerikanische Smaragde und karibische Perlen waren begehrte Luxusgüter, für die an europäischen Fürstenhöfen hohe Preise bezahlt wurden. Überdies dokumentierten Fürsten und Adelige ihre weitreichenden Beziehungen und ihr Interesse an exotischen Welten durch den Erwerb exotischer Tiere und die Ausstellung außereuropäischer Objekte in Kunst- und Wunderkammern. All diese Güter gingen auch durch die Hände der Fugger und Welser und ihrer Vertreter (Kapitel 6).

Der Handel mit globalen Gütern war – wie der vormoderne Fernhandel überhaupt – ein riskantes Unterfangen: Um Marktgegebenheiten und geschäftliche Chancen richtig einschätzen zu können, benötigten die Handelsgesellschaften Informationen über die Handelswelt außerhalb Europas sowie über die iberischen Asien- und Amerikaflotten. Handschriftliche und gedruckte Berichte von den spanischen und portugiesischen Entdeckungen, Geschäftskorrespondenzen und das Medium der „Neuen Zeitungen“ stellten die notwendigen Informationen zur Verfügung und trugen dazu bei, dass sich Ansätze eines globalen Bewusstseins entwickelten (Kapitel 7).

Während Mitglieder der Familien Fugger und Welser die Geschicke ihrer Handelshäuser von Augsburg aus lenkten, saßen einige ihrer Angestellten und Geschäftspartner an den Schaltstellen des spanischen und portugiesischen Überseehandels – in Lissabon, am spanischen Hof und in Sevilla – und beteiligten sich von dort aus an Geschäften mit Asien und Amerika. Einige wenige reisten sogar selbst nach Indien oder in die Neue Welt. Vier dieser globalen Akteure aus dem Umfeld der beiden Augsburger Handelshäuser werden in Kapitel 8 vorgestellt. Am Ende dieses Buchs wird der Frage nachgegangen, warum die Fugger offenbar wesentlich erfolgreicher waren als die 1614 in Konkurs gegangenen Welser.

Aufbruch ins globale Zeitalter

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