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7. Kapitel

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Ein neuer Morgen brach an. Wohlig räkelte ich mich neben meiner schlafenden Karla in dem unbequemen Bett. Plötzlich kam eine ganze Armee von blau-bekleideten Putzfrauen in unser Zimmer, eine niederschmetternde Arie singend. Jene wischten um unser Bett, die "hola" riefen, im nu fegten, putzen und wischten und hinterher wie auf Kommando verschwanden, so wie die Aschenputtel.

Es war allerdings erst sieben Uhr, und ich hatte eigentlich einen ruhigen Morgen angehen wollen.

Gleichermaßen munter kam Käthe plötzlich in unser Zimmer hinein spaziert und sagte fröhlich: "Aufstehen Kinder, aufstehen. Los wir wollen noch etwas haben vom Tag. Kommt, wir gehen jetzt frühstücken."

Noch gar nicht richtig wach, schlug ich mich genervt aus dem Laken. Karla schaute fragend und müde zu mir hoch. Doch war sie, im Gegensatz zu mir, sehr schnell zu bewegen, sich anzuziehen. Wenn es auch etwas Zeit dauerte, sich der weltbewegenden Frage zuzuwenden, ob sie nun das rote Kleidchen, oder aber den bunt gemusterten Short mit zitronen-gelbem T-Shirt anziehen sollte.

Hellblau schimmerte das Wasser in den Pools durch die weit geöffneten Türen unseres Frühstückraumes und die Serviererin wirbelte von Tisch zu Tisch, es gab lauwarmen Instant- Kaffee, aber das Baguette war ganz gut zu genießen mit Marmelade oder wahlweise mit Ei. Karla konnte sich richtig gut benehmen und zum ersten Mal begann ich darüber nachzudenken, wie groß Karla schon geworden und augenscheinlich so vernünftig war.

Nach dem Frühstück hatte ich versucht, Käthe zu überreden, einen Wagen zu mieten. Gott sei Dank befürwortete sie das. Schließlich hatten wir es sogar geschafft, uns auf einen Zielort zu einigen, oh Wunder. Eingedeckt mit Getränken und frohen Mutes fuhren wir los.

In unserem Fiat Panda, dessen geöffnetes Sonnendeck die pralle Morgensonne herein scheinen ließ, und mit dem ich vorsichtig Richtung Norden fuhr, sagte Karla allerdings nach fünf Minuten widerspenstig: "Ich muss mal."

Richtig besinnlich wurde dann aber unsere Tour zum Norden von Mallorca. Käthe und Karla hatten einträchtig zusammen auf dem Rücksitz nebeneinander geschlafen, doch jetzt war Käthe außerordentlich wach. Sie schaute über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg und begann in schulmeisterlichem Ton aus ihrem (!) Reiseführer vorzulesen. Ein Reiseführer, der 1957 zum ersten Mal erschienen und in der 111 Auflage nach Käthes Auffassung die Berechtigung dafür war, dass "Der Führer von Mallorca" tausendmal mehr galt als jedes andere Reisematerial, das ich aufführen würde. Aus diesem las Käthe beseelt laut vor: "Formentor - Hinter dem Hafen steigt die Straße an und erreicht nach 3 km die Höhe von Mal Pas, wo sich das Panorama vollkommen ändert. Rückschauend erblicken wir die Bucht und den eben durchquerten Hafen von Pollensa und vor uns öffnet sich die Sicht auf die steilen Felsen der Nordküste und das unten brandende Meer. Weiter führt die Straße kilometerlang durch Pinienwälder. Zehn Kilometer von Pollensa-Hafen entfernt, in reizvoller Landschaft, dicht an einem Strand mit feinstem Sand liegt das Hotel."

„Du scheinst ja wirklich alles zu wissen“, meinte ich amüsiert. Zunächst zuckte Käthe zusammen. Doch Käthe ließ sich dann nicht beirren, und zeigte wie die Reiseleiterin persönlich aus dem Fenster. "Schaut, das ist der Leuchtturm von Formentor." Schnell blickte sie in den "Reiseführer von Mallorca" räusperte sich und hob erneut an: "Wenn Mallorca Festland wäre, so könnte man sagen, dass Formentor eine Halbinsel ist, deren äusserster Zipfel das Kap von Formentor darstellt. Die noch nicht lange fertiggestellte Landstrasse hört an dem Leuchtturm auf. Hier sind wir 13km vom Hotel bzw. 23 km von Hafen von Pollensa und 83km von Palma entfernt.""

Richtig schwindelig wurde mir, als ich von dem romantischen Aussichtspunkt "Cap Formentor" über das weite, tiefblaue Meer schaute und unter mir die unendliche Tiefe wahrnahm. Ein raues Lüftchen tobte hier oben, und Käthe, deren Höhenangst schon auffällig war, hatte die wütende Karla an der Hand, und hielt sich mit eiserner Hand so stark an meinem Arm fest, dass ich sicherlich davon blaue Flecken bekommen würde.

Plötzlich berührte jemand sachte meine Schulter und holte mich weg von meinen Befürchtungen. Vor Erstaunen verschluckte ich mich fast, nachdem ich mich umgedrehte. Vor mir stand der Mensch, der mich gestern gegrüßt hatte. Perplex schaute ich in seine braunen Augen, die durch die hell-braunen Haare, die ihm der Wind in die Augen blies, fast verdeckt wurden. "Hola", brachte ich gerade noch heraus. Es war nicht weit her mit meinen Spanisch-Kenntnissen. "Sie können deutsch reden, ich komme auch aus Deutschland, wir wohnen in der gleichen Appartement-Anlage", entgegnete er leutselig.

"Oh, so ein Zufall", antwortete ich sogar wenig überrascht. Dass hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Lächelnd beobachtete er, wie ich mein Gesicht verzog, dann sagte er: "Ich heiße nicht etwa Pepe oder Manuel, ich heiße Kurt. So einfach ist das. Herrlich ist es hier, nicht wahr."

Er ließ seinen Blick über das weite Meer schweifen.

Das war ein prosaischer und romantischer Moment zugleich. Und nachdem ich ihm beigepflichtet und schließlich Karla und Käthe und mich selbst vorgestellt hatte, beschlossen wir, den zugigen Aussichtspunkt zu verlassen und in Pollensa gemeinsam Mittag zu essen. Pollensa, ein Ort mit "typischen Winkeln und Sitten", wie der "Reiseführer von Mallorca" versprach, war auch in Käthes Sinne. Trotzdem schaute sie mich etwas missmutig von der Seite vom Beifahrersitz an, so als ob sie bereits den Verdacht hegte, dass ich einen Urlaubsflirt ins Leben rufen wollte. Hatte ich das wirklich vor? Gott bewahre, ich wollte eine neuen Mann für immer und nicht bloß einen Urlaubsflirt. Um sie zu beruhigen, schaute ich nach ernsthaft auf das Heck seines Wagens, und schüttelte angedeutet den Kopf. Käthe verstand, und lehnte sich zufrieden zurück in ihren Sitz.

Als ich die steile, enge Landstraße wieder gen Pollensa hinter dem gleichfarbigen Fiat Panda von Kurt hinterher fuhr, überlegte ich, wie eine Mutter ihr Kind bloß Kurt nennen konnte. Nun ja, aus Karla sollte eigentlich eine Sonja Jasmin werden, aber als ich Karla so auf meinen Bauch liegen hatte und ihr kleines kleines Gesicht sah, da wusste ich, dass aus meiner Tochter nie eine Sonja, geschweige denn eine Jasmin werden würde. Eine Mutter hatte das so in den ersten Sekunden bereits im Gefühl. Dieser Mensch, der da so geschickt vor mir um die Kurven fuhr, hätte eher ein Martin sein können, oder ein Benedikt. Aber ein altbackener Kurt weiß Gott nicht.

Ach, was war das für ein fantastischer Urlaubstag gewesen, und so ergiebig. Ich hatte einen wirklich netten Mann kennen gelernt, der sich bei Paella und Sangria als formvollendeter Kavalier erwiesen, und auch die anspruchsvolle, seriöse Käthe im Sturm erobert hatte.

Den Nachmittag verbrachten wir noch zusammen unter der glühenden Sonne am Strand.

Glücklich betrachtete ich das frisch gewaschene, gecremte, gekämmte und schlafende Karlinchen neben mir im Bett, als Käthe noch einmal kurz zu uns ins Zimmer schaute. "Übrigens kommt Kurt morgen mit uns ans Meer. Das mit der Fahrerei ist zu viel für unsere Karla, du bist doch sicher einverstanden, oder?"

Das war ja fast schon eine abgesprochene Sache. Dass sich meine Ex-Schwiegermutter sich so gut mit meiner neuen Urlaubsbekanntschaft verstehen würde, hätte ich auch nicht gedacht.


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