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Peter versuchte die Kopfschmerzen, die ihn schon seit dem frühen Morgen hartnäckig verfolgten, zu ignorieren. Nachdem die Tür hinter dem jungen Mann ins Schloss gefallen war, hatte er noch einige Zeit mit Grübeln verbracht und war zeitig ins Bett gegangen. Doch seine Wunden hatten ihn den größten Teil der Nacht vom Schlafen abgehalten. Als er doch endlich eingedöst war, hatten Albträume von vampirgleichen Frauen und alten Hexen seinen Schlaf heimgesucht. Er glaubte, sich vage daran zu erinnern, dass in seinen Träumen auch ein junger Mann vorgekommen war, der die Ungeheuer verjagt und ihn gerettet hatte. Natürlich war es ein reiner Zufall, dass die Hauptakteure seiner Träume seinen Bekanntschaften vom Vortag ähnelten.

Fast hätte er sich davon überzeugen können, dass der vergangene Tag ein Tag wie jeder andere und nicht der schlimmste Tag seines Lebens gewesen war. Diese unendliche Peinlichkeit! Allein die Erinnerung daran trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht. Er konnte nur beten, dass keiner, den er kannte, je davon erfuhr.

Ein greller Lichtstrahl ließ ihn zusammenzucken. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er im nächsten Augenblick platzen. Wie gut, dass er wenigstens nicht fahren musste!

Peter hatte morgens den ersten Flug genommen und versucht, die irritierten Blicke zu ignorieren. Die Sicherheitsbeamten hatten ihn sehr sorgfältig beobachtet und Peter war erst nach ein paar Minuten klar geworden, dass sie ihn für einen Kriminellen gehalten hatten. Doch zum Glück hatten sie sich aufs Beobachten beschränkt und ihn und sein Gepäck nicht genauer unter die Lupe genommen. Nur das Durchleuchten war etwas heikel gewesen, aber zum Glück hatte er es mit einer Frau zu tun gehabt, die ihn nun, dank eines kleinen Missverständnisses, für einen liebevollen Familienvater hielt anstatt für einen Schwerverbrecher und ihm heimlich geholfen hatte.

Im Flugzeug hatte er dann endlich seine Ruhe gehabt. Die erste Klasse war fast leer gewesen und keiner hatte versucht, ihn in irgendwelche Gespräche zu verwickeln, oder mitfühlende oder spöttische Bemerkungen gemacht. Er war es leid, immer wieder erklären zu müssen, wie er zu seinen Verletzungen gekommen war.

Am Nachmittag war er dann endlich gelandet und irgendjemand hatte ihm einen Wagen mit Chauffeur geschickt. Peter verzog das Gesicht, als er an die hämische Miene des Chauffeurs dachte. Aber der Mann wusste, dass gehässige Worte ihn den Job kosten würden, und so hatte Peter wenigstens vor ihm seine Ruhe.

Ein leises Rascheln ließ ihn nach seiner Sporttasche gucken, die neben ihm auf dem Sitz stand. Aber er hatte sich geirrt, das Geräusch kam nicht von ihr, sondern von der Zeitschrift, die zu Boden gerutscht war. Peter ließ sie, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, auf dem Boden liegen. Das Bücken fiel ihm immer noch schwer und das würde wohl in den nächsten Tagen auch noch so bleiben.

Müde sah Peter aus dem Wagenfenster, als das große Haus, in dem seine Familie schon seit Generationen lebte, in Sicht kam. Endlich zu Hause!

Ungeduldig wartete er darauf, dass der Wagen hielt. Der Fahrer stellte den Motor ab und stieg aus. Dabei ließ er sich Zeit und Peter ertappte sich bei dem Gedanken, dass der Mann es nicht gewagt hätte, bei einem anderen aus seiner Familie so zu trödeln, aber Peter war bekanntermaßen auch der Einzige, der sich nie beschwerte. Peter wusste, dass es ihm manchmal an Durchsetzungskraft mangelte. Er war zwar ein guter Schlichter, aber ein schlechter Befehlshaber. Um Befehle zu geben, fehlte ihm einfach die nötige Autorität. Oder der nötige Wille, wenn er ehrlich war.

Natürlich kam sein Fahrer auch nicht auf den Gedanken, ihm aus dem Wagen zu helfen. Er quälte sich mühsam aus dem Sitz, richtete sich langsam auf und schnappte sich seine Tasche. Selbst wenn der Fahrer angeboten hätte, sie zu tragen, diese Tasche hätte er ihm nie im Leben überlassen. Dafür war ihm ihr Inhalt zu wertvoll.

Dubois, ein alter Freund und Ratgeber seines Großvaters, begrüßte ihn. Kritisch musterte er Peter und ihm entgingen weder die Kratzer noch sein steifer Gang. Doch er wartete, bis der Fahrer nicht mehr in Hörweite war, bevor er den Mund aufmachte. „Nun, Junge, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast dich geprügelt“, meinte er, „aber das würde ich eher deinen Brüdern zutrauen als dir. Was war los? Musstest du die gegnerischen Parteien mit Gewalt wieder zur Vernunft bringen?“

Peter schüttelte den Kopf und seufzte. „Nein, das war nicht nötig. Die Verhandlungen waren zwar schwierig, aber nicht so schwierig. Ein bedauerliches Missverständnis war die Ursache“, erwiderte er ausweichend und hoffte, Dubois würde es dabei belassen.

„Schönes Missverständnis! Aber andererseits, was will man von einer Nation, in der fast jeder eine Waffe besitzt, auch anderes erwarten! Du hast wahrscheinlich noch Glück gehabt, dass du nicht angeschossen worden bist!“, wetterte er. „Ich habe dir doch gesagt, dass New York ein gefährliches Pflaster ist und dass du auf jeden Fall Bodyguards mitnehmen sollst, aber nein, der Herr hört ja nicht auf mich! Wenigstens deinem Großvater hätte dies bewusst sein sollen!“

Bodyguards? Widerwillig schüttelte Peter den Kopf. Er mochte es nicht, jederzeit von fremden Menschen beobachtet zu werden, und er sah nicht ein, wozu sie nötig sein sollten. Wer würde ihn denn schon entführen, um ein Lösegeld von seiner Familie zu erpressen? Dubois und sein Großvater waren zwar anderer Ansicht, aber wenigstens hatte sein Großvater nachgegeben, was Reisen nach Amerika und Asien anging. Nun wurde er nur noch in Europa von Bodyguards verfolgt. Was Peter zum Anlass nahm, so viel Zeit wie möglich auf anderen Kontinenten zu verbringen.

Dubois schimpfte immer noch auf Amerika und seinen Starrsinn, als Peter, der seine Hetztiraden leid wurde, einwarf: „Was gibt es hier Neues? Wie geht es Großvater und meinen Geschwistern? Gestern war doch der Empfang, nicht wahr?“

Dubois verstummte abrupt. Sie näherten sich dem Korridor, der zum Arbeitszimmer seines Großvaters führte, aber Dubois antwortete immer noch nicht. Peter fühlte Angst in sich aufsteigen. Irgendetwas Schreckliches musste passiert sein! Hatte es etwa einen Unfall gegeben?

„Onkel, was ist los?“, erkundigte er sich besorgt. „Wenn etwas nicht stimmt, dann musst du mir das sagen! Bitte, lass mich nicht im Ungewissen!“

Dubois, der zwar nicht sein richtiger Onkel, aber sein Pate war, schüttelte den Kopf. Er setzte zu einer Erklärung an, überlegte es sich anders und schloss wieder den Mund. Schließlich seufzte er, als er Peters ängstliches Gesicht sah.

„Besser, dein Großvater erklärt dir alles“, meinte er. „Nur so viel: Es hat eine Reihe unangenehmer Zwischenfälle gegeben. Es ist zwar niemand ernstlich zu Schaden gekommen, aber deinen Großvater haben sie doch sehr mitgenommen. Du darfst ihn jetzt auf keinen Fall aufregen oder ihm Scherereien machen!“ Doch dann wurde sein Gesicht weicher. „Doch wem erzähl ich das. Du würdest doch niemals Scherereien machen oder dich und die Familie in Verlegenheit bringen.“

Peter dachte schuldbewusst an New York und die alte Dame. Sie durften niemals erfahren, was vorgefallen war! Er war froh, dass Dubois gerade an die Tür seines Großvaters klopfte und so seine brennenden Wangen nicht sehen konnte. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollten sie von diesem Vorfall erfahren! Flüchtig dachte er auch an den jungen Hotelangestellten und an seinen zärtlichen Kuss und spürte, wie er dunkelrot anlief. Schnell verdrängte er den Gedanken wieder. Er mochte sich kaum vorstellen, wie sein Großvater darauf reagieren würde, sollte er je davon erfahren. Er würde ihm nie wieder in die Augen sehen können.

Dubois riss ihn aus seinen Grübeleien und bedeutete ihm einzutreten. Danach schloss er leise die Tür und Peter war mit seinem Großvater allein in seinem Arbeitszimmer. Peter beobachtete, wie er die Zeitung, in der er eben noch gelesen hatte, beiseite legte. Seufzend rieb er sich die Augen. Peter erschrak, als er sah, wie müde er aussah. Sein Großvater war ein alter Mann! Er schien in den letzten beiden Wochen um zwanzig Jahre gealtert zu sein.

„Großvater, geht es dir gut?“, erkundigte er sich besorgt.

Sein Großvater rang sich ein Lächeln ab. „Peter! Schön, dass du wieder da bist!“ Er musterte ihn und bemerkte seine Wunden. „Die gleiche Frage könnte ich dir auch stellen.“

Peter winkte ab. „Nichts, was der Rede wert wäre“, log er. „Das ist schon bald verheilt. Nur ein kleines Missverständnis. Du kennst das wahrscheinlich.“

Sein Großvater nickte mitfühlend. „New York ist eine gefährliche Stadt.“

Peter lächelte. „Das meinte Dubois auch.“

Sein Großvater lachte leise. „Der gute alte Dubois. Weißt du, dass er mittlerweile schon vierzig Jahre für mich arbeitet? Eine lange Zeit. Er hat euch alle aufwachsen sehen, aber ich glaube nicht, dass er je vorausgesehen hätte, wie sehr einige von euch mich mal enttäuschen würden.“

Oh mein Gott! Wusste er etwa von New York? Peter durchlief ein kalter Schauer.

„Großvater!“

„Keine Sorge, dich meine ich damit nicht“, entgegnete er beruhigend. „Du und deine Cousins, ihr könntet mich nie enttäuschen. Ihr würdet nie etwas tun, das mich und die Familie in Schwierigkeiten bringen würde. Du bist ein guter Junge. Was man von deinem jüngeren Bruder leider nicht behaupten kann.“

Sein jüngerer Bruder war das schwarze Schaf der Familie. Einen größeren Frauenhelden hatte Peter noch nicht gesehen. Was hatte er nun schon wieder angestellt? Hatte er irgendeinem von Großvaters Freunden oder Bekannten Hörner aufgesetzt und derjenige hatte es erfahren? Oder hatte er dessen Tochter geschwängert? Oder gar beides?

Peter gestattete sich ein Seufzen. „Vielleicht würde er weniger Ärger bereiten, wenn er etwas mehr zu tun hätte. Du solltest ihm eine Aufgabe geben“, wagte er sich vor.

Sein Großvater starrte ihn an, als wären ihm plötzlich Hörner gewachsen. „Ihm? Welche denn? Dein Bruder hat nicht einen Funken Verantwortungsbewusstsein! Wenn ich ihm eine wichtige Aufgabe gebe, kann ich sicher sein, dass sie erstens scheitert, und zweitens, dass am Ende alle stinksauer sein werden! Es wäre Wahnsinn, ihm Verantwortung zu überlassen!“

„Stimmt, von geschäftlichen Dingen hat er keine Ahnung“, gab er zu. „Und er verliert auch schnell die Geduld, wenn ihn etwas nicht interessiert. Aber andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass ein Teil seiner Probleme daher rührt, dass er zu viel Zeit und Langeweile hat. Wie willst du wissen, ob er Verantwortung übernehmen kann, wenn du ihm nie welche gegeben hast?“

Sein Großvater wollte protestieren, doch dann besann er sich. „Vielleicht hast du Recht“, räumte er ein. „Aber welche Aufgabe kann ich ihm denn geben? Vom Geschäft versteht er nicht viel. Das hat ihn noch nie interessiert. Als Schlichter ist er völlig ungeeignet. Oder könntest du dir vorstellen, dass er deinen Job übernimmt?“

Peter schüttelte den Kopf. Bloß nicht!

„Also was dann?“, fragte sein Großvater. „Und wage ja nicht zu sagen, dass er die Familie in der Öffentlichkeit repräsentieren soll! Er würde unseren Ruf schneller ruinieren, als ich ‚Das ist alles nur ein Missverständnis!‘ sagen könnte.“

„Ich wüsste eine Aufgabe für ihn“, erklärte er und lächelte seinen Großvater an, der fragend die Augenbrauen hob. „Und es besteht sogar die Möglichkeit, dass er dabei noch etwas über Geschäfte und den Umgang mit Menschen lernt.“

„Und das wäre?“

„Die Verantwortung für das Gestüt“, erklärte er.

„Das Gestüt? Bin ich denn wahnsinnig? Er wird den ganzen Tag nur damit verbringen, auszureiten und den Mädchen zu imponieren!“

Peter schüttelte den Kopf. „Dann lass ihn doch ausreiten! Er wird schon feststellen, dass er damit nicht lange durchkommt, sofern er sich sein Taschengeld von nun an richtig verdienen muss. Pferde sind das Einzige, für das er, neben Frauen und Autos, nie das Interesse verliert. Und ich nehme nicht an, dass du damit einverstanden wärst, wenn er Rennfahrer wird.“

„Bloß nicht!“, antwortete sein Großvater entsetzt. Schließlich seufzte er. „Vielleicht hast du Recht. Ich werde in jedem Fall gründlich über deinen Vorschlag nachdenken.“

Peter betrachtete die Zeitung, die sein Großvater noch immer gedankenverloren in der Hand hielt. „Steht etwas Interessantes drin?“, wollte er wissen.

Sein Großvater schnaubte angewidert. „In diesem Schundblatt?“

„Warum liest du es dann?“

„Weil ich wissen muss, ob manche Dinge sich schon herumgesprochen haben“, antwortete sein Großvater.

„Welche denn?“

„Zum Beispiel der Einbruch von diesen Tierschützern bei den Krons. Es ist doch Wahnsinn, was manche Leute machen, nur um irgendwelche Viecher zu retten“, meinte er abfällig.

Peter bemühte sich angestrengt, nicht auf seine Sporttasche zu blicken, die neben ihm auf dem Fußboden stand. Wenn sein Großvater wüsste!

„Es ist ja schön und gut, wenn diese Menschen ihre eigenen Tiere verwöhnen“, fuhr sein Großvater fort, „aber sie sollen sich gefälligst nicht in die Tierhaltung anderer Leute einmischen! Das Schlimmste sind diese militanten Tierschützer, die noch nicht einmal vor Straftaten wie Einbruch und Diebstahl zurückschrecken, um irgendwelche Hunde zu retten! Das sind kaum bessere Terroristen!“, empörte er sich.

„Jetzt übertreibst du aber!“, protestierte Peter.

Ein Rascheln ertönte.

„Was war das?“, erkundigte sich sein Großvater, plötzlich hellhörig geworden.

„Was?“, erwiderte Peter verzweifelt. „Ich habe nichts gehört.“

Ein erneutes Rascheln kam aus seiner Tasche. Kurz darauf folgte ein weiteres Geräusch, das klang wie ein Winseln.

„Da, schon wieder! Das Geräusch kommt eindeutig aus deiner Tasche! Was hast du da bloß drin?“ Er war aufgestanden und näherte sich nun seinem Enkel.

„Da drin? Nichts“, log er.

Sein Großvater guckte ihn ungläubig an. „Ich kenne dich gut genug, Junge, um zu wissen, wann du lügst!“, erwiderte er scharf.

Peter starrte verlegen zu Boden und ließ zu, dass sein Großvater die Tasche ergriff und den Reißverschluss ganz zurückzog.

„Was zur Hölle ...?“

Ein Winseln ertönte und der kleine Welpe sprang, noch etwas müde, aus Peters Tasche. Erfreut wedelte er mit seinem Schwänzchen und begann die neue und ungewohnte Umgebung zu beschnuppern. Peter riskierte einen vorsichtigen Blick zu seinem Großvater, der für einen Augenblick völlig sprachlos war. Einige Augenblicke vergingen.

„Wessen Hund ist das?“, erkundigte er sich scharf.

„Äh, meiner“, gestand Peter. „Ich habe ihn von MacBride geschenkt bekommen. Kennst du Sam MacBride?“, plapperte er nervös.

„Ja, ja, ich kenne MacBride!“, fauchte sein Großvater. „Aber das beantwortet noch nicht die Frage, was der Hund in deiner Tasche gemacht hat!“

„Nun, ich vermute mal, er hat geschlafen“, antwortete Peter dümmlich.

Sein Großvater warf ihm einen eisigen Blick zu, den Peter nach kurzem Zögern trotzig erwiderte. „Ich habe vor, ihn zu behalten“, erklärte er mutig.

„Das kommt gar nicht in Frage!“, erwiderte sein Großvater sofort. „Du weißt genau, dass ich in meinem Haus keinen Hund haben will.“

„Dann ziehe ich eben aus!“, meinte Peter und nahm den Welpen auf den Arm. „Ich werde ihn nämlich nicht wieder weggeben!“

„Ausziehen? Du willst ausziehen?“, wiederholte sein Großvater ungläubig.

„Großvater, ich bin achtundzwanzig! Meinst du nicht, dass es langsam Zeit für mich wird, auf eigenen Füßen zu stehen?“

„Aber dafür muss man doch nicht ausziehen!“, widersprach sein Großvater. „Und was heißt auf eigenen Füßen stehen? Das machst du doch! Willst du etwa behaupten, dass ich dich wie ein Kleinkind behandele?“

„Nein, aber ...“

„Siehst du! Es besteht doch gar kein Grund auszuziehen! Das Haus ist doch groß genug für uns alle, du hast also genug Platz. Oder hast du vor zu heiraten?“

„Wie kommst du denn darauf?“, erwiderte Peter erschrocken.

„Warum eigentlich nicht?“, meinte sein Großvater nachdenklich. „Du gibst doch eine gute Partie ab und wenn du heiraten willst, bin ich natürlich gerne bereit, euch euer eigenes Häuschen zu finanzieren. So wie ich es bei deinem Bruder gemacht habe.“

Seine Miene hellte sich sichtlich auf. „Du kleiner Schlingel, du wolltest mich wohl überraschen, was?“, fragte er und drohte Peter verschmitzt mit dem Zeigefinger. „Oder hast du sie noch gar nicht gefragt? Du glaubst doch nicht, dass sie nein sagen wird, oder? Das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen! Also nicht so schüchtern, frag sie! Und dann stellst du mir die junge Dame mal vor. Wer ist es? Bestimmt diese Beatrice, Oliviers Tochter, habe ich Recht? Bei der letzten Party wart ihr ja unzertrennlich! Sie hat den ganzen Abend mit keinem anderen getanzt. Ich habe Recht, sie ist es, nicht wahr?“

Peter erinnerte sich nur zu gut an Beatrice, diese verdammte Klette! Den ganzen Abend war sie ihm hinterhergelaufen und hatte ihm einladende Blicke zugeworfen. Er war nicht darum herumgekommen, ein paar Mal mit ihr zu tanzen, aber mehr war da nicht gewesen. Er hatte sie seitdem nicht mehr gesehen und darüber war er auch nicht traurig. Vor allem seit er wusste, dass sie kurz darauf mit seinem Bruder im Bett gewesen war.

„Ich habe nicht vor zu heiraten“, erklärte er wütend, „und schon gar nicht Beatrice! Ich will einfach nur ausziehen!“

Das Gesicht seines Großvaters wurde immer länger. „Aber ich habe gedacht, du magst sie. Und sie schien doch ganz begeistert von dir gewesen zu sein.“

Peter schnaubte. „Von meiner Person oder von deinem Geld?“, fragte er bissig.

„Jetzt tust du der jungen Dame aber Unrecht“, tadelte er. „Ich glaube, sie ist über beide Ohren in dich verliebt.“

„So verliebt, dass unser kleiner Casanova keine Schwierigkeiten hatte, sie ins Bett zu bekommen!“, schoss Peter zurück. Sofort bereute er seinen Ausbruch. Das ging seinen Großvater schließlich nichts an.

Sein Großvater wurde still. „Ach, so ist das“, sagte er leise und langsames Verstehen zeigte sich in seinem Blick. „Du mochtest sie, nicht wahr? Auch wenn du das nie zugeben würdest. Und dein Bruder hatte nichts Besseres zu tun, als sie dir auszuspannen. Die wievielte war das? Die fünfte oder die sechste Frau? Das hat alles bei Alexandra vor sieben Jahren angefangen, nicht? Deiner ersten großen Liebe.“

Verdammt, er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen!

Seine Gedanken kehrten zu den Ereignissen vor sieben Jahren zurück. Es tat immer noch verdammt weh, daran zu denken. Manche alten Wunden heilten nie. Er erinnerte sich noch zu gut an ihr erstes Aufeinandertreffen und wie schüchtern er gewesen war. Noch nicht einmal zum Tanzen hatte er sie aufgefordert. Dann ihre ersten Gespräche. Alexandras helles Lachen. Ihre strahlenden Augen, wenn sie ihn angesehen hatte. Und dann der Schmerz, als er sie eines Tages mit seinem Bruder auf ihrem Sofa erwischt hatte, den Verlobungsring in der Tasche. Das hatte verdammt wehgetan.

Er drückte den Welpen dichter an die Brust. Warum musste sein Großvater diese alte Wunde wieder aufreißen? Konnte er ihn nicht einfach vergessen lassen?

„Sag, hasst du ihn?“, wollte sein Großvater plötzlich wissen.

Es dauerte einen Augenblick, bis Peter wusste, wovon er sprach. „Nein“, antwortete er schließlich, „Schließlich gehören dazu immer zwei, also ist es nicht allein seine Schuld, oder?“

Das Schweigen zog sich hin. „Lass uns von etwas anderem reden“, bat Peter schließlich.

Sein Großvater nickte. „Einverstanden. Dann reden wir von dem Hund.“

„Muss das sein? Dazu ist doch schon alles gesagt.“

„Nein!“, widersprach sein Großvater. „Mir ist es egal, ob du den Hund behältst“, erklärte er plötzlich und Peter riss erstaunt die Augen auf, „doch bitte bleib! Was soll ich denn alleine in dem großen Haus?“

Peter erkannte seinen eigenen Großvater nicht wieder. Zwar hatte er schon immer einen guten Draht zu ihm gehabt, anders als seine Geschwister, aber noch nie hatte sein Großvater seine Liebe so deutlich gezeigt. Manche Leute hielten ihn für kalt und unnahbar, aber Peter wusste, dass sich hinter dem oft distanzierten Verhalten seines Großvaters große Zuneigung für seine Enkel verbarg. Sein Großvater war eher streng erzogen worden und Gefühle zu zeigen, galt als weibisch.

Peter betrachtete seinen Großvater. Die müden Augen. Den flehentlichen Blick. Das Herz wurde ihm schwer vor Liebe. „Also gut, ich bleibe“, flüsterte er.

Sein Großvater nickte dankbar. Dann schien ihm etwas einzufallen. „Sag, wie hast du den Hund eigentlich so schnell mitnehmen können? Soweit ich weiß, muss man doch Quarantänevorschriften beachten. Das hast du doch nie und nimmer in wenigen Tagen regeln können, oder?“

Peter druckste herum.

Sein Großvater sah ihn plötzlich scharf an. „Du hast doch nichts Illegales gemacht, oder?“, fragte er fassungslos, doch man konnte es seinem Gesicht ansehen, dass er die Antwort schon wusste. „Peter!“

„Ähm“, machte Peter verlegen. „Es ist ja nicht so, dass der Kleine krank wäre, oder so. Nicht dass dieser ganze Quarantänekram nötig gewesen wäre.“

„Peter!“, bellte sein Großvater. „Ich will jetzt die Wahrheit wissen! Was hast du getan?“

Peter schluckte mühsam und beschloss, die unangenehme Wahrheit so schnell wie möglich loszuwerden. „Ich habe ihn durch den Zoll geschmuggelt. Mit etwas Hilfe von einer Flughafenbeamtin.“

Sein Großvater schüttelte sprachlos den Kopf und Peter starrte zu Boden. Etwas später begann der Hund an seinen Schuhen zu knabbern. Peter war nur froh, dass es nicht die Schuhe seines Großvaters waren.

„Weißt du noch, worüber wir vorhin gesprochen haben? Über diese Verrückten, die alles Mögliche tun für irgendwelche Viecher?“

Peter nickte.

„Dann weißt du ja, dass dies das Dämlichste ist, was du in deinem ganzen Leben getan hast!“, schrie sein Großvater. Die Zornesröte stand ihm im Gesicht und seine geballten Fäuste zitterten. Peter ließ beschämt den Kopf sinken.

„Nimm den verdammten Köter und verschwinde!“, befahl sein Großvater. „Für heute will ich euch nicht mehr sehen!“

Peter schwankte zwischen grenzenloser Scham und immenser Erleichterung. Wenigstens hatte sein Großvater ihm nicht verboten, den Hund zu behalten!

Er schnappte sich seine Tasche, hob dann vorsichtig den Hund hoch, setzte ihn wieder in sein kuscheliges Versteck und schlich aus dem Arbeitszimmer. Draußen war niemand zu sehen. Langsam ging er zu seiner Wohnung. Er hatte einen kleinen Bereich für sich. Ein großes Schlafzimmer, ein eigenes Badezimmer, ein Arbeitszimmer und ein geräumiges Wohnzimmer. Genug Platz für einen kleinen Hund.

Dort angekommen, schloss er die Tür hinter sich, seufzte einmal und ließ dann den Welpen auf Erkundungstour gehen. Auf dem Couchtisch stand eine Vase mit frischen Blumen. Die sollte er wohl besser woanders hinstellen, überlegte er und warf einen raschen Blick auf seinen Hund. Er musste jetzt wohl einiges umräumen und außerdem brauchte er noch Futter und einen Schlafplatz für den Kleinen. Eine Leine hatte er glücklicherweise schon am vorigen Tag vom Hotel geschenkt bekommen.

Wo war der Kleine überhaupt? Suchend sah er sich um, aber er konnte den Hund nirgends entdecken. Die Tür zum Arbeitszimmer stand offen. Da musste er sein!

Im Arbeitszimmer knabberte der Welpe gerade vergnügt an seinen Pantoffeln und Peter musste lächeln. Er kam nicht auf die Idee, ihm das zu verbieten.

Sein Blick fiel auf den Schreibtisch. Ah, da lagen ja auch die Zeitungen des Tages. Die Zeitungen der vergangenen Tage lagen wie üblich im Regal, er würde sie später lesen. Nun aber wollte er erst einmal sehen, was heute anlag. Er schnappte sich die oberste Zeitung vom Stapel, eine amerikanische Tageszeitung. Damit würde er anfangen. Er schlug die Zeitung auf, überflog die Schlagzeilen und stutzte plötzlich.

New York.

AUFRUHR IN EINEM BEKANNTEN NEW YORKER HOTEL

Wie bekannt wurde, ist es in dem renommierten Luxushotel, in dem auch gerne mal Stars wie Brad Pitt oder Tom Hanks absteigen, zu einem großen Eklat gekommen.

Mrs. Deborah Winter (68, Foto rechts), die zurzeit im Hotel zu Gast ist, hatte am gestrigen Abend aufgeregt die Polizei verständigt. Zeugen beschrieben die Frau als völlig hysterisch. Ein Hotelangestellter, der sich der Frau angenommen hatte, konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, als er plötzlich von Mrs. Winter mit einem Regenschirm attackiert und beschimpft wurde. Daraufhin versuchte ein anderer Hotelangestellter seinem Kollegen zu Hilfe zu kommen und die Frau zu beruhigen. Doch alle Versuche schlugen fehl. Schließlich drohte ein Angestellter, die Polizei zu rufen, sollte sie sich nicht sofort beruhigen.

Ein Zeuge schildert die Situation so: „Die waren mit den Nerven am Ende. Ständig liefen sie Gefahr, von dieser Irren verprügelt zu werden. Dem einen hat sie mit dem Regenschirm sogar den Fuß gebrochen, so kräftig hat sie zugeschlagen! Ich finde, die Frau gehört in eine psychiatrische Anstalt, sie ist ja eine Gefahr für die Allgemeinheit!“

Ein anderer Zeuge berichtet, dass Mrs. Winter sich von dieser Drohung nicht im Geringsten einschüchtern ließ. Im Gegenteil. Sie schien erfreut zu sein, bemächtigte sich selbst des Telefonhörers und alarmierte die Polizei.

Der zuständige Beamte beschrieb den Anruf als „hysterisch und zusammenhanglos“. Hätte sich der Hotelangestellte nicht wieder des Hörers bemächtigt, hätte die Frau wohl noch länger wirres Zeug in den Telefonhörer geschrien.

Als wenige Minuten später dann vier Einsatzbeamte im Hotel eintrafen, stürzte sich Mrs. Winter auf die einzige Beamtin unter ihnen und bezeichnete sich selbst als Opfer von sexueller Belästigung und versuchter Vergewaltigung. Diese Unterstellung wurde von den beiden Hotelangestellten sofort empört bestritten. Zum Glück für die beiden Hotelangestellten hatten mehrere Zeugen das Geschehen beobachtet und so konnten die beiden Männer sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden.

Nach einigen Minuten gelang es der tüchtigen Beamtin, Mrs. Winter so weit zu beruhigen, dass diese eine Aussage machen konnte. Nach ihren Worten erfolgte die sexuelle Belästigung durch einen halbnackten Mann im Fahrstuhl.

Doch auch diese Darstellung wurde sofort von einem weiteren, hinzugekommenen Angestellten des Hotels, Mr. Mark Philipps, bestritten. Der junge Mann gab zu Protokoll, dass es sich bei diesem Mann keinesfalls um einen Sittenstrolch gehandelt hatte, wie Mrs. Winter steif und fest behauptete, sondern um einen Gast des Hotels, dem das Missgeschick passiert war, sich nur mit einem Handtuch bekleidet auszusperren und der das Pech hatte, Mrs. Winter kurz darauf im Aufzug zu begegnen.

Diese Aussage scheint dadurch bestätigt, dass eine weitere Zeugin, Miss Pears, den Mann nur wenige Minuten vor Mrs. Winter gesehen haben will. Sie bestätigte auch ein weiteres Detail des Hotelangestellten, den Welpen und angeblichen Grund für das Missgeschick des Gastes.

Miss Pears (Foto rechts), die ihr Alter mit neunundzwanzig Jahren angibt, schildert ihr Treffen mit dem Mann so: „Da betrete ich nichtsahnend den Fahrstuhl und einer der attraktivsten Männer, die mir je begegnet sind, steht nur mit einem Handtuch bekleidet vor mir. Ein Bild für die Götter, mir wurden richtig die Knie schwach bei diesem Anblick! Und auf dem Arm trug er einen niedlichen Welpen. Mir kam der Gedanke, der Frau, die diese entzückenden Wesen ausgesperrt hatte, einmal tüchtig in den Hintern zu treten. Ich jedenfalls hätte so etwas nie getan! Ich schlug ihm natürlich vor, seiner Freundin eine Lektion zu erteilen. Jede vernünftige Frau hätte sich diese Chance doch nicht entgehen lassen! Doch leider ist dieses Prachtbild von einem Mann nicht auf mein gut gemeintes Angebot eingegangen, was ich wirklich bedaure.“

Mr. Philipps fügte hinzu, dass der fragliche Gast keineswegs von seiner Freundin ausgesperrt worden sei, sondern alleine im Hotel wohne. Auch schilderte er die schweren Verletzungen, die der Gast durch die gewalttätige Mrs. Winters erlitten habe. Noch nicht einmal auf den Welpen habe sie Rücksicht genommen, empörte sich Mr. Philipps, sie habe wahllos auf ihr hilfloses Opfer eingedroschen, dem es aber glücklicherweise gelungen war, den Welpen vor jedem Schaden zu bewahren.

Selbst nach mehreren Anfragen der Polizei weigerte sich Mr. Philipps (Foto rechts) standhaft, die Identität des Opfers preiszugeben. Auch von den anderen Hotelangestellten ließ sich der Name des Opfers nicht erfahren. Sie weigerten sich des Weiteren, die Polizei zu dem Mann vorzulassen. Die Polizei erklärte den Fall daraufhin für eindeutig, nahm Mrs. Winter in Gewahrsam und führte sie ab. Mrs. Winter droht jetzt ein Verfahren wegen tätlichen Angriffs, schwerer Körperverletzung, Ruhestörung und Verleumdung.

Auf Nachfrage durch einen Reporter erklärte der Sprecher der Polizei auch, warum sie den Mann für harmlos hielten. „Mal abgesehen davon, dass der junge Mann wohl kaum die alte Dame belästigt hätte und dazu noch mit einem Welpen auf dem Arm, wenn er mit einer jungen, hübschen Frau wie Miss Pears hätte ins Bett gehen können, meinen Sie?“, erwiderte er und verwies auf die Tatsache, dass mehrere Hotelangestellte unabhängig voneinander den Mann als schwul bezeichnet hatten.

Peter starrte auf die Fotos.

Oh, Scheiße!

Königreich zu verschenken

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