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Abgrenzung vom Relativismus

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Der entscheidende Gegner eines jeden universalistischen Ansatzes ist das Gespenst des Relativismus. Relativistische Positionen bergen immer die Gefahr, im wahrsten Sinne des Wortes haltlos zu werden, weil sie keinerlei verbindliche Vorgaben, Normen oder auch nur Verständigungsmöglichkeiten mehr akzeptieren. Dadurch aber droht alles beliebig und interkulturelle Verständigung schlicht unmöglich zu werden. HabermasHabermas, Jürgen wendet sich an verschiedenen Stellen gegen RortyRorty, Richard, dem er trotz einer gewissen Nähe zu seinem eigenen Modell der kommunikativen Vernunft einen letztlich unhaltbaren Relativismus vorwirft. Rorty unterstellt vernünftiger Argumentation anders als Habermas keinen universalen Geltungsanspruch, sondern schränkt diesen auf spezifische (kulturelle) Kontexte ein. Innerhalb gegebener Kontexte geht auch Rorty von der Ausbildung eines Konsens aus; die Möglichkeit einer Ausweitung dieses Konsens auf andere Kontexte und die damit verbundene mögliche kulturübergreifende Geltung aber bestreitet Rorty.

Vor allem für die universalistische Argumentation, die sich auf anthropologische Konstanten beruft, ist es typisch, dass sie sich mit dem Verweis auf die Notwendigkeit, die universale Geltung der Menschenrechte zu akzeptieren, gegen einen strikten Kulturrelativismus verwahrt. Würden die Weltansichten und das Handeln der Menschen in der Welt ihren Sinn tatsächlich ausschließlich relativ zu den einzelnen Kulturen gewinnen, dann wäre keine Verständigung über die Menschenrechte möglich. Was in der einen Kultur gilt, müsste in der anderen keinesfalls ebenso gelten. Die Verbindlichkeit eines vernünftigen Menschenrechtsdiskurses würde einer Form von Beliebigkeit weichen, was mit Blick auf die Menschenrechte einer contradictio in adjecto, einem Selbstwiderspruch, gleichkäme – so die Argumentation.1 Natürlich erheben die Menschenrechte zu Recht einen universalen Geltungsanspruch. Auch hier aber muss man sehr genau die Dimensionen unterscheiden. Auf einer Ebene, auf der der Mensch als biologische Spezies betrachtet wird und damit alle kulturellen Differenzen von selbst entfallen, lassen sich eben auch nur bestimmte Rechte einfordern. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung etwa oder das Recht auf Eigentum gehören eher nicht dazu. In der Gewährleistung dieser Rechte aber liegt ein großer kultureller Gewinn. Ich werde darauf in Kapitel 4 etwas ausführlicher eingehen.

Tatsächlich ist der Kulturrelativismus nur eine Kehrseite universalistischer Ansätze. Der Relativismus heißt so, weil er all das, was im Universalismus als allen Menschen gemein angenommen wird, in eine Relation zu den einzelnen Kulturen setzt. Das führt dazu, dass die Universalien in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich aufgenommen und interpretiert werden. Die oben genannten anthropologischen Konstanten ebenso wie der gemeinsame Kern menschlicher Vernunft bedeuten dem Kulturrelativismus zufolge in den unterschiedlichen Kulturen verschiedenes. Aus den verschiedenen Bedeutungen der Universalien folgt, dass die Werte und Überzeugungen der Kulturen ebenso nur relativ zur jeweiligen Kultur gelten. Um seine relativistischen Annahmen zu rechtfertigen, muss dieser Ansatz freilich die Universalien immer schon voraussetzen. Gäbe es keine Universalien, dann könnten sie auch nicht kulturell unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Umgekehrt setzt auch der Universalismus streng genommen relativistische Annahmen immer schon voraus. Gäbe es keine kulturell unterschiedenen Weltansichten, Werte, Überzeugungen und Vernunftgestalten, dann könnte der Universalismus auch nicht die universelle Geltung von Universalien begründen. Ohne Differenzen keine Universalien, ohne Universalien keine Differenzen.

Interkulturelle Philosophie

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