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1.1 Multikulturalität

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Als multikulturell werden Gesellschaften bezeichnet, in denen Menschen verschiedener kultureller Herkunft und Praxis zusammenleben, ohne dass es zu einer deutlichen Vermischung der kulturellen Traditionen kommt. Multikulturelle Gesellschaften zeichnen sich also durch das Nebeneinander verschiedener kultureller Traditionen auf engstem Raum aus.

Unsere Gesellschaften sind heute alle zu einem gewissen Grad multikulturell. Wo sie das nicht sind, sind sie entweder gewaltsam von der Außenwelt abgeriegelt (z.B. Nordkorea) oder mehr oder weniger unberührt (sog. ›Naturvölker‹). Ansonsten führt der Kontakt zwischen den Menschen überall auf der Welt zu einer teilweisen Durchmischung und zu einem Nebeneinander verschiedener kultureller Traditionen innerhalb einer durch ihre politische Organisation gegenüber anderen abgegrenzten Gesellschaft, üblicherweise also innerhalb eines Staates. Die Gewahrung dieser Realität hat zu vielfältigen Auseinandersetzungen über die politischen Konsequenzen geführt. Wie soll das Zusammenleben von Menschen verschiedener kultureller Herkunft in einer Gesellschaft politisch geregelt werden? In der politischen Praxis finden sich darauf sehr unterschiedliche Antworten, sie reichen von der Unterdrückung kultureller Minderheiten in totalitären Regimes bis zur Gleichstellung und Anerkennung in liberalen Demokratien. Letztere folgen wiederum unterschiedlichen Strategien: Während einige großen Wert auf eine möglichst weitgehende Integration ihrer fremdkulturellen Bürger in die Mehrheitsgesellschaft legen, folgen andere der Maxime, allen kulturellen Gemeinschaften innerhalb der Gesellschaft das Recht auf Bewahrung ihrer jeweiligen Identität zu gewähren. Die Gesellschaft soll das Nebeneinander verschiedener Kulturen respektieren und im Idealfall als einen besonderen Wert schätzen lernen: Immerhin erweitert die Vielfalt kultureller Traditionen das Erfahrungs- und Verhaltensreservoir einer Gesellschaft und ermöglicht es ihr dadurch unter Umständen, auf neue Herausforderungen flexibler zu reagieren, als monokulturelle Gesellschaften das tun könnten. Die zuletzt genannte Form, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft zu regeln, wird im engeren Sinn als multikulturell bezeichnet.

Die konkrete Ausgestaltung einer liberalen multikulturellen Gesellschaftsordnung erweist sich freilich als äußerst schwierig. Der erste Schritt besteht zweifellos darin, allen Bürgern eines Staates unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft dieselben Rechte zu gewähren. »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich«, so steht es nicht nur im deutschen Grundgesetz.1 Darüber hinaus aber müssen positive Rechte eingeräumt werden, etwa das Recht auf freie Lebensgestaltung und das Recht auf freie Religionsausübung. Auch muss geklärt werden, welche rechtliche Stellung kulturelle Gemeinschaften im Ganzen innerhalb einer Gesellschaft haben sollen. Die Rechte, die einer kulturellen Gemeinschaft eingeräumt werden, dürfen dabei nicht zu einer Einschränkung der Rechte anderer Gemeinschaften führen. Vor allem aber muss die gesamtstaatliche Ordnung gewährleistet sein. Das macht es immer wieder nötig, verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen. Noch komplexer wird die Situation, wenn man bedenkt, dass die rechtliche Gleichstellung verschiedener kultureller Gemeinschaften innerhalb einer Gesellschaft nicht notwendigerweise auch zur faktischen Gleichstellung in der gelebten Praxis führt. Tatsächlich wird sich eine völlige Gleichstellung in den allerseltensten Fällen erreichen lassen; in der Regel wird diejenige kulturelle Gemeinschaft, der die Mehrheit der Bürger angehört, sehr viel größeren Einfluss auf die Gestaltung des Lebensalltags einer Gesellschaft haben als kleinere kulturelle Gruppen. Beispielsweise können nicht für beliebig kleine Gemeinschaften flächendeckend Schulen gebaut werden, obwohl möglicherweise gerade der schulischen Erziehung für die Weitergabe von kulturellen Traditionen und damit für den Erhalt einzelner kultureller Gemeinschaften besondere Bedeutung zukommt. Auch auf individueller Ebene gewährleistet das bloße Recht auf kulturelle Selbstgestaltung noch nicht die reale Möglichkeit, dieses Recht auch wahrzunehmen. Dafür sind unter Umständen bestimmte finanzielle Mittel nötig; auch Bildung und generell der Zugang zu Informationen spielen eine Rolle. Viele Faktoren, die oft nicht in der Hand des Einzelnen liegen, entscheiden darüber, ob das Recht auf kulturelle Selbstgestaltung wahrgenommen werden kann. Martha NussbaumNussbaum, Martha sieht es deshalb als eine der wichtigsten Aufgaben des Allgemeinwesens an, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es dem einzelnen Bürger möglich machen, sein Recht auf kulturelle Selbstbestimmung aktiv wahrzunehmen.2

Philosophisch betrachtet stellt uns die Idee des Multikulturalismus freilich noch in anderer Hinsicht vor schwerwiegende Probleme. In ihm wird ein Kompromiss zwischen zwei einander widerstreitenden, gleichermaßen unverzichtbaren Einsichten in das Wesen des Menschen geschlossen, ohne dass dieser Kompromiss ein tieferes, die beiden widerstreitenden Einsichten unterfangendes Verständnis des Menschen darstellt. TaylorTaylor, Charles benennt die beiden einander widerstreitenden Einsichten in das Wesen des Menschen einerseits mit der Würde des Menschen, die darauf gründet, im Einzelnen das Menschsein überhaupt zu sehen, und andererseits der Einmaligkeit (Taylor spricht im Anschluss an Lionel Trilling von Authentizität) des Einzelnen, die gerade die Differenz zu anderen betont.3 Die Würde des Menschen besteht unabhängig von der Persönlichkeit des Einzelnen; sie kommt dem Menschen qua Menschsein zu, ja sie besteht gerade in der Einsicht darein, dass in jedem einzelnen Menschen das Menschsein im Ganzen auf dem Spiel steht – so, wie man einem einzelnen Menschen begegnet, so begegnet man der gesamten Menschheit. Anthropologisch gesehen ist nichts so universal wie die Menschenwürde. Eine Politik, die versucht, dieser wesensmäßigen Gleichheit aller Menschen Rechnung zu tragen, muss darauf abzielen, größtmögliche Gleichheit auch in der gelebten Praxis zu erreichen. Das betrifft in erster Linie die Gleichheit vor dem Gesetz, in der Folge aber auch die Gleichheit der den Einzelnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur freien Lebensgestaltung (Stichworte hierfür sind beispielsweise die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Gleichheit der Bildungs- und Berufschancen). Dieses in der Würde des Menschen begründete Gleichheitsdenken ist eine der wesentlichen Errungenschaften der Neuzeit. Dagegen steht nun eine weitere, nicht weniger fundamentale Einsicht in das Wesen des Menschen: Das Wesen des einzelnen Menschen erschöpft sich dieser Einsicht zufolge gerade nicht in dem, was er vor dem Gesetz ist oder wozu er durch die Wahrnehmung gesellschaftlich bereit gestellter Entfaltungsmöglichkeiten wird. Der Mensch ist dem zuvor als der, der er für sich selbst ist, einzigartig. Seine Entwicklung ist deshalb auch keinesfalls zufällig und allein von den verfügbaren Ressourcen und Möglichkeiten abhängig. Vielmehr folgt sie einer ›inneren Stimme‹ und bringt so das schlummernde Wesen des Einzelnen zur Entfaltung. Taylor macht diese Entdeckung der individuellen Subjektivität an Rousseau und HerderHerder, Johann G. fest. Die Anerkennung der Einzigartigkeit des Individuums führt zur Betonung der Differenz zwischen den Bürgern eines Staates. Letztlich ist jeder Bürger anders und bedarf darum auch einer anderen Behandlung durch den Staat (das entscheidende Stichwort hierfür liefern die besonderen Rechte für Minderheiten). Herder und HumboldtHumboldt, Wilhelm v. sind in diesem Zusammenhang besonders interessant, weil sie die Einzigartigkeit des Individuums auf Kulturen übertragen. So wie der Einzelne unverwechselbar ist, so bildet jede Kultur – in den Worten Wilhelm von Humboldts – ihre eigene »Weltansicht« aus;4 leitend ist dabei die Sprache, die sich gleichsam zwischen die Welt und den Verstand fügt. Kulturen sind für Humboldt und Herder deswegen zunächst einmal Sprachgemeinschaften – und auch diese sind, wie die Individuen, einzigartig.

Es ist leicht zu erahnen, dass diese beiden Grundannahmen über das Wesen des Menschen in einen Konflikt miteinander geraten können (wenn auch nicht notwendiger Weise müssen). Entweder alle Bürger einer Gesellschaft werden gleich behandelt, dann drohen bestehende Differenzen eingeebnet zu werden. Oder aber der Einzelne wird seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend behandelt, dann ist dies ein Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip. Eine nahe liegende Lösung wäre zu sagen, dass die Gleichheit gerade darin besteht, dass jeder individuell behandelt wird. Dass eine solche Lösung in der Praxis aber kaum möglich ist, wird am konkreten Beispiel schnell klar: Die Gleichberechtigung der Frau kann nicht darin bestehen, dass Frauen unterschiedlicher Herkunftsländer und Kulturen in ein und demselben Staat verschiedene Rechte besitzen. Bestimmte Grundrechte sind nicht verhandelbar; sie müssen auch dann gewährt sein, wenn dadurch bestehende kulturelle Differenzen eingeebnet werden. Multikulturalismus ist deshalb nur innerhalb eines klar gefügten Rahmens möglich, üblicherweise innerhalb eines Rechtsstaates, in dem jeder Bürger vor dem Gesetz gleich ist. Das macht deutlich, dass das Konzept der Multikulturalität selbst einer bestimmten Denktradition verbunden ist, nämlich dem modernen rechtsstaatlichen Denken, wie es sich in den liberalen westlichen Demokratien seit der amerikanischen Unabhängigkeit und der französischen Revolution nach und nach entwickelt hat.

Innerhalb eines rechtlich einheitlichen Rahmens lassen sich verschiedene Modelle des Multikulturalismus verwirklichen: Solche, die den Erhalt kultureller Eigenheiten aktiv fördern; und andere, die auf zunehmende Integration setzen. So oder so aber muss das Zusammenleben verschiedener Kulturen in einer Gesellschaft geregelt sein, ohne dass diese Regeln selbst von den einzelnen Kulturen verschieden ausgelegt werden dürfen. Ein solches Regelwerk, das die mit der Würde des Menschen zusammenhängenden Grundrechte sichert, ist aber keineswegs kulturell neutral. Es setzt beispielsweise das Recht über die Religion, was nicht nur in manchen anderen Kulturen undenkbar wäre, sondern auch in der europäisch-westlichen Tradition so erst in der Neuzeit möglich geworden ist. Vor allem aber liegt dem Modell der in ein Regelwerk gefassten multikulturellen Gesellschaft ein Verständnis von Kultur zugrunde, das diese gleichsam zur Privatsache erklärt, wohingegen allein das Regelwerk selbst öffentlichen Charakter hat.5 Was aber soll eine private Kultur sein? Der Begriff der Kultur macht überhaupt nur auf einer sozialen Ebene Sinn. Private Kulturen wären sinn-los – gerade so, wie Wittgenstein das für die Vorstellung einer Privatsprache zeigt. Wie die Sprache, so konstituiert sich auch die Kultur im wechselseitigen Austausch der Menschen untereinander als deren gemeinsame, und das heißt eben öffentliche, Lebenswelt. Eine solche Lebenswelt kann nicht nochmals in einen weiteren öffentlichen Raum eingebunden sein, es sei denn im Zuge der Konstitution einer weiteren, umfassenderen Kultur. Der Ansatz der Multikulturalität geht also einher mit einer Abwertung, ja Verkennung der konstitutiven Bedeutung, die Kultur für den Menschen hat. Gerade im multikulturellen Gesellschaftsmodell werden Kulturen nicht wirklich ernst genommen. Das mag ein Grund für die vielfältigen Schwierigkeiten sein, die im Zusammenleben verschiedener Kulturen in einer Gesellschaft immer wieder zu beobachten sind.6

BedorfBedorf, Thomas macht auf eine weitere Schwierigkeit aufmerksam.7 Die Konzeption der Multikulturalität hängt an der Anerkennung verschiedener kultureller Gruppen als gleichberechtigt innerhalb einer Gesellschaft. Anerkannt werden können aber immer nur konkrete Ausdrucksformen dieser kulturellen Gruppen, etwa ihre Sprachen, ihre Religionen, ihre Lebensstile. Darin gehen die Gruppen selber aber nicht auf. Im Prozess der Anerkennung werden die verschiedenen kulturellen Gruppen sozusagen notwendigerweise auf bestimmte Erscheinungsweisen festgelegt, die zwar möglicherweise wichtig sind für diese Gruppen, die aber bloße Erscheinungsweisen darstellen und das ›Wesen‹ der Gruppen darum niemals treffen können. Jede Form der Anerkennung führt zwangsläufig zu einer verkürzenden Sichtweise auf die anerkannten Gruppen. Bedorf spricht deshalb von »verkennender Anerkennung«. Ein ungewöhnliches, aber sehr anschauliches Beispiel dafür bietet der Konflikt über den Schutz der frankophonen Kultur Quebecs, von dem TaylorTaylor, Charles berichtet.8 In Quebec wurden in den späten 1970er Jahren eigene Sprachgesetze erlassen, die darauf abzielen, das Französische dem Englischen nicht nur gleichzustellen, sondern aktiv zur Bewahrung der französischsprachigen Tradition beizutragen.9 So ist es Eltern der französischsprachigen Bevölkerung Quebecs beispielsweise untersagt, ihre Kinder auf englischsprachige Schulen zu schicken. Damit wird, so die Kritik Bedorfs, die frankophone Kultur Quebecs auf die französische Sprache reduziert und das mit einer unglaublichen Konsequenz, so dass sich die Mitglieder dieser Kultur nun völlig unabhängig davon, wie wichtig ihnen selbst das Französische für ihr kulturelles Selbstverständnis tatsächlich ist, dem Diktat des Französischen ausgesetzt sehen. Ungewöhnlich ist das Beispiel vor allem deswegen, weil es im Falle Quebecs die Bevölkerungsmehrheit (bezogen auf ganz Kanada handelt es sich freilich um eine Minderheit) selbst ist, die diese Bestimmungen und damit eine auf die Sprache reduzierte Form ihrer eigenen Anerkennung festschreibt.

Um das Paradox einer verkennenden Anerkennung zu reflektieren, diskutiert BedorfBedorf, Thomas nun (unter Bezugnahme auf LévinasLévinas, Emmanuel, DerridaDerrida, Jacques und WaldenfelsWaldenfels, Bernhard) die Frage, worin eigentlich die Erfahrung der Andersheit gründet, die jeder Anerkennung vorausgehen muss. Etwas verkürzt könnte man sagen, dass das Entscheidende dieser Erfahrung darin liegt, dass der andere Mensch grundsätzlich als eigenständiges Subjekt erfahren wird. Der Andere taucht zwar in meiner Erfahrungswelt auf und ich kann ihn in der Rolle, die er in meiner Erfahrungswelt spielt, auch verstehen; er geht darüber aber weit hinaus, er ist immer unendlich viel mehr als in dieser Rolle zum Ausdruck kommt. Der Andere geht grundsätzlich in keiner meiner Erfahrungen und in keiner Rolle, die er einnimmt oder die ich ihm zuschreibe, auf, weil er selber Erfahrungen macht und deshalb jede konkrete gesellschaftliche Rolle, die er einnimmt und die ich erfahren kann, nur eine Momentaufnahme darstellt. Der Andere ist derjenige, der in den verschiedenen Rollen erscheint, selbst aber jenseits dieser Rollen für uns unerreichbar bleibt. »Radikal anders – unendlich – ist der Andere genau in dem Sinne, daß sein Erscheinen als solches, das Daß seines Auftretens, mit dem Wie der Rollen und Milieus nicht in eins zu setzen ist.«10 Auch wenn wir uns in den gleichen Kontexten bewegen, bleibt es deshalb eine dauernde Aufgabe, uns untereinander über unsere Erfahrungen zu verständigen. Nur so können wir eine geteilte Erfahrungswelt aufbauen. Diese wird aber immer vorläufig und begrenzt bleiben, und vor allem wird sie ständig auf dem Spiel stehen und der weiteren Verständigung bedürfen.

Der Andere widersetzt sich meiner Erfahrung also dadurch, dass ich ihn als selber Erfahrenden erfahre. Ich erfahre den Anderen als jemanden, der sich meiner Erfahrung entzieht. Darin liegt das Paradox der verkennenden Anerkennung begründet.11 In Anlehnung an LévinasLévinas, Emmanuel spricht BedorfBedorf, Thomas mit Blick auf dieses Paradox von der »primären« Andersheit, die er als »absolut« und »unendlich« kennzeichnet. Der Andere ist nicht lediglich vorübergehend oder in Bezug auf einzelne Aspekte anders, sondern entzieht sich meiner Erfahrung dadurch grundsätzlich, dass er selbst Erfahrender ist. Von der primären unterscheidet Bedorf nun eine »sekundäre, soziale Andersheit«, mit der jene Rollen gemeint sind, die der Andere in meiner mit ihm geteilten Erfahrungswelt einnimmt. Es ist diese sekundäre Andersheit, die anerkannt werden kann. Im Akt der Anerkennung liegt deshalb grundsätzlich eine Reduktion der primären Andersheit auf eine bestimmte Form sekundärer Andersheit. ›Die‹ frankophone Kultur Quebecs lässt sich nicht anerkennen, weil es sie als abgeschlossene oder wesensmäßige Entität gar nicht gibt. Sie ist grundsätzlich erfahrungsoffen und entzieht sich dadurch jeder Form von Festlegung. Diese primäre Andersheit lässt sich nun aber beispielsweise auf die Sprache als einer prominenten Form der sekundären Andersheit reduzieren. Und die Sprache, ihre Gleichberechtigung, ihr Erhalt und die ihr eigene Würde lassen sich nun sehr wohl anerkennen.

Auch wenn in jeder Form der Anerkennung also eine Verkennung liegt, so weist BedorfBedorf, Thomas doch darauf hin, dass uns dies nicht der Aufgabe, andere kulturelle Gruppen anzuerkennen, enthebt. Vielmehr sieht er gerade darin, dass wir in der Anerkennung primäre auf sekundäre Andersheit reduzieren, den Keim für unsere Verantwortung dem Anderen gegenüber liegen. Wir sind es, die den Anderen auf eine bestimmte Erscheinungsform festlegen, um seiner Forderung nach Anerkennung nachkommen zu können. Diese Festlegung haben wir zu verantworten und das in einem durchaus wörtlichen Sinn – nämlich so, dass wir die anerkennende Festlegung als eine Antwort auf die Forderung nach Anerkennung verstehen, nicht aber glauben, damit den Anderen erkannt zu haben. Eine solche Antwort bleibt sich ihrer Vorläufigkeit bewusst, die Anerkennung muss also immer wieder von neuem und auf neue Weise gestiftet und geleistet werden.

Es ist leicht ersichtlich, dass sich eine derart prozedural verstandene Form der Anerkennung umso leichter verwirklichen lässt, desto enger Menschen zusammenleben und desto mehr Erfahrungen sie teilen. Darin dürfte der Grund dafür liegen, dass Anerkennung innerhalb einer kulturellen Gruppe – in der sie zwischen den einzelnen Individuen selbstverständlich ebenso gefordert ist – leichter funktioniert als zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen.

Interkulturelle Philosophie

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