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1.4.1 Research Utilization

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Research Utilization als Prozess

Seit den späten 1970er-Jahren wird in der pflegewissenschaftlichen Literatur das Konzept Research Utilization rezipiert (DiCenso et al. 2006, S. 5).

Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2000 dauert es durchschnittlich 17 Jahre, bis evidence-basierte Erkenntnisse in die klinische Praxis einmünden (Balas & Borgen 2000). Dieser Zeitraum kann als nicht zufriedenstellend bewertet werden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung von Dienstleistungserbringer*innen im Gesundheitssystem, ihre Leistungen auf dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erbringen, offenbart sich hier eine Qualitätslücke. Demnach besteht ein Unterschied zwischen der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse theoretisch möglichen und der tatsächlich erbrachten Gesundheitsleistung.

Überlegungen zu der Frage, wie valide Forschungsergebnisse in der Praxis von Praktiker*innen angewandt werden können, erfreuen sich in der Pflege seit über 35 Jahren zunehmenden Interesses. Das dabei zugrunde liegende Problem ist die bestehende Kluft zwischen Theorie und Praxis oder anders gesagt: zwischen dem Wissen und dem Handeln (Estabrooks 1999).

Forschungsanwendung wird einerseits im Sinne eines nötigen Handlungswissens (knowledge to action) und andererseits als Umsetzungshandeln (doing of it) verstanden (Graham 2006 in Haslinger-Baumann 2015). Die Forschungsanwendung kann direkt stattfinden, d. h. als Anwendung von Forschungsergebnissen z. B. aus Standards oder Guidelines in der klinischen Praxis. Sie kann auch indirekt erfolgen, indem die Kenntnis von Forschungsergebnissen das Denken oder Bewusstsein auch im Sinne einer »Erleuchtung« eher allgemein beeinflusst (Estabrooks 1999).

Der Begriff Research Utilization (Forschungsanwendung/Nutzung von Forschung) bezeichnet allgemein einen Prozess, bei dem theoretische, konzeptionelle oder auf Forschung basierende Erkenntnisse in jede Form von Praxis implementiert werden (Estabrooks 1999). Dieser Prozess des Synthetisierens, Verbreitens und Verwendens von forschungsgeneriertem Wissen schließt die Kommunikation über wissenschaftliche Ergebnisse und deren Anwendung ein. Forschungsanwendung zielt neben einer verbesserten Gesundheitsversorgung auf eine Veränderung bestehender Praxis.

Research Utilization wurde entwickelt, um die Probleme der mangelnden Nutzung von Forschungsergebnissen in der Praxis zu lösen. Sie ist ein mehrstufiger Prozess, der die Kritik und Synthese von Befunden aus mehreren Studien, die Anwendung dieser Befunde auf Veränderungen in der Pflegepraxis und die Messung der Ergebnisse aus der Veränderung der Pflegepraxis beinhaltet. Forschungsanwendung wird als ein Kontinuum beschrieben, das in drei Bereiche unterteilt werden kann:

• im ersten Bereich kommt es bei der betreffenden Pflegeperson zunächst durch einen Kontakt mit einer oder mehreren Forschungsarbeiten zu einer veränderten Haltung und einem veränderten Denken. Es führt noch nicht zwangsläufig zur Änderung der Pflegepraxis.

• im mittleren Bereich des Kontinuums kommt es zu einem Durchsickern bestimmter Ideen und Ergebnisse, die zu einer Änderung der individuellen Handlungsweisen und der Pflegepraxis führen können. Es ist ein schleichender Prozess der Veränderung, dem noch keine bewusste Entscheidung für eine Veränderung auf der Basis von Forschungsergebnissen zugrunde liegt.

• im dritten Kontinuum-Abschnitt kommt es nach Durchsicht und Würdigung von Forschungsarbeiten konkret zur Forschungsanwendung im engeren Sinne, d. h. zur gezielten Veränderung von pflegerischen Interventionen. Dies bezeichnet einen bewussten zielgerichteten Prozess mit einem klaren und beschreibbaren Ergebnis (Guegel 2004).

Als primäre Zielgruppe sieht das Konzept der Forschungsanwendung die pflegerisch Tätigen in den Handlungsfeldern vor. Aufgrund des Vorsprungs an Akademisierung in den angloamerikanischen Ländern werden selbstverständlich Pflegende auf der Bachelor- oder Masterebene als Anwender*innen des Konzepts fokussiert. Demgegenüber sind Produktion und Verbreitung von Forschungsergebnissen den Forschenden oder Pflegewissenschaftler*innen vorbehalten.

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