Читать книгу Quick - Norbert Böseler - Страница 10

Enttäuschung

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Falcao wartete bereits seit zwei Stunden vor dem Krankenhaus. Ihm war klar, dass Janine hier auftauchen würde. Er hatte aber schon früher mit ihr gerechnet. Als er sie dann aber hochschwanger sah, fiel eine Last von seinen Schultern ab. Sie trug sein Kind in ihrem Körper und sollte es unbeschadet zur Welt bringen. Er war sicher, dass Janine ihm eine Tochter gebären würde, mit der er seine einzigartige Rasse fortpflanzen konnte. So lautete die Prophezeiung, die von Geburt an in seinem Hirn schlummerte. Er war als Urvater auserkoren worden, um die Erde mit Vogelmenschen zu bevölkern. Deshalb hatte man das Ei in der Felsspalte abgelegt. Er durfte das grenzenlose Vertrauen seiner Ahnen nicht enttäuschen. Sie würden ihn in dieser primitiven Welt verkümmern lassen, wie einen Wurm in der Sonne, wenn er seine Bestimmung nicht erfüllen konnte.

Es stimmte ihn traurig, dass er bei der Geburt nicht dabei sein konnte, aber niemand durfte ihn mit dem Kind in Verbindung bringen. Erst wenn sein Geschöpf geschlechtsreif war, wollte er es sich einvernehmen. Zunächst blieb ihm nur die Rolle des Beobachters.

Die lange Wartezeit behagte Falcao gar nicht. Im Gleichklang mit der Zeit nahm auch die Nervosität zu. Ein ungekanntes Gefühl der Unruhe schlich sich bei Falcao ein, dessen Leben bislang so reibungslos verlaufen war. Nun stand er unmittelbar vor einem bedeutenden Ereignis, welches sein Dasein bestimmen sollte.

Die Zeit des Wartens hatte ein Ende, als Janines Freundin das Krankenhaus verließ. Sie ging unmittelbar vor ihm an der Gartenbank vorbei, und sah verstört und traurig aus. Falcaos Neugier wuchs ins Unermessliche, er musste unbedingt erfahren, wie es seinem Nachkommen ging. Die junge Frau ging zu Ihrem Auto und stieg ein. Falcao eilte zu seinem Motorrad, stellte die Maschine an, und folgte dem Kleinwagen. Der Frau durch den Stadtverkehr zu folgen, stellte sich nicht als schwierig heraus, da am Sonntagabend nicht sonderlich viel Betrieb auf den Straßen herrschte. Die Frau steuerte einen Randbezirk an, den er nicht kannte. Sie fuhr ihren Wagen auf den Parkplatz eines großen Wohnblocks. Falcao stellte sein Motorrad, nahe dem Hauseingang ab. Er sah die Frau auf sich zukommen, woraufhin er sich abwandte. Sie ging weiter zum Eingang, öffnete einen Briefkasten, nahm etwas heraus, und betrat anschließend das Gebäude. Der hünenhafte dunkelhäutige Mann ging schnellen Schrittes zu den Briefkästen und las das Namensschild auf der Klappe, die er sich gemerkt hatte. Er verglich die Namen der Klingelleiste und fand ihn in der Reihe des vierten Obergeschosses. Falcao wartete noch ein paar Minuten, ehe er die Klingel drückte.

„Ja“, tönte es aus der Gegensprechanlage.

„Ich bin ein enger Freund von Janine und möchte gerne mit ihnen sprechen“, sagte Falcao in das rechteckige Gitter der Sprechanlage“.

„Worüber?“

„Über Janines Kind.“

Falcao vernahm ein Summen an der Eingangstür und drückte sie auf. Er nahm den Fahrstuhl und fuhr hoch in den vierten Stock. Die Frau erwartete ihn bereits am Ende des linken Flurs.

„Ich bin Falcao Mashego“, stellte er sich vor, und reichte der Frau seine Hand.

„Laura Bruns. Woher kennen sie Janine, und wieso wissen sie von dem Kind?“

„Ich bin der Vater!“, antwortete Falcao wahrheitsgetreu.

„Aber wie…..?“

„Darf ich reinkommen?“

Laura ließ den kahlköpfigen Riesen in ihre Wohnung und ging mit ihm ins kleine Wohnzimmer. Sie bekam ein unbehagliches Gefühl, welches an Angst grenzte.

„Tut mir leid, dass ich hier so unvermittelt auftauche, ich möchte sie auch nicht lange belästigen, aber ich mache mir Sorgen. Ich kann Janine nicht erreichen, geht es ihr gut, und was ist mit dem Kind, ist es gesund?“

„Dem Jungen geht es gut, aber Janine ist gestorben, sie war den Strapazen der Geburt nicht gewachsen. Überhaupt ist alles so unwirklich. Sie hat nichts von einer Schwangerschaft gewusst, und dann, bekommt sie innerhalb eines Tages ein Baby. Wie ist das möglich? Warum wissen sie davon, wo doch nicht einmal Janine eine Ahnung hatte, und wieso sollten sie der Vater sein?“

JUNGE, der dunkle Mutant konnte nicht glauben, was die Frau da gesagt hatte, und fragte noch einmal nach.

„Sie hat einen Jungen auf die Welt gebracht, sind sie sich da vollkommen sicher?“

„Nick ist ein dunkelhaariger Junge, und seine Mutter Janine ist tot“, beteuerte Laura schluchzend, und sah den Mann mit rot unterlaufenden Augen an. Er zeigte kein Gefühl des Bedauerns, im Gegenteil, sein Gesicht schien sich mit Hass zu füllen.

Falcaos Gedanken überschlugen sich. Er war verwirrt. Zum ersten Mal verliefen die Dinge nicht nach seinen Vorstellungen, und das ausgerechnet am entscheidenden Wendepunkt seines Daseins, zu dem Ereignis seiner Bestimmung. Er hatte versagt. Nicht nur, dass er einen Jungen gezeugt hatte, nein, seine Auserwählte hatte eine behaarte Missgeburt ausgetragen. Er bezweifelte urplötzlich, dass er bei dieser absurden Tatsache weiterhin zeugungsfähig sein konnte. Die Enttäuschung saß zu tief. Es fiel ihm ohnehin schwer, Gefühle für menschliche Wesen zu empfinden. Zum jetzigen Zeitpunkt hatte er nicht einmal sich selbst unter Kontrolle. Seine innere Wut verlangte nach Gewissheit. Falcao griff in seine Lederjacke und holte eine Pistole hervor.

Laura blickte entsetzt in die auf sie gerichtete Mündung. Es verdichtete sich unmittelbar ein dicker Kloß in ihrem Hals. Sie war unfähig etwas zu sagen, oder gar einen Schrei entweichen zu lassen.

„Zieh dich aus!“, befahl ihr Gegenüber mit der Waffe in der Hand. „Wenn du schreist, oder sonst irgendwelche unüberlegten Zicken machst, jage ich dir eine Kugel in den Kopf. Hast du das verstanden?“

Laura nickte verstört und verdrängte den Kloß so gut sie konnte. Ihr Mund war trocken, so als bestände ihre Zunge aus Schleifpapier.

„Warum, was, was habe ich ihnen denn getan?“, quetschte sie stotternd aus ihrem Mund.

„Nichts, und ich werde dir auch nichts tun, wenn du befolgst, was ich sage. Jetzt ziehe dich bitte langsam aus, so als wolltest du mich verführen.“

Laura blickte in die Augen des Mannes und erkannt, dass er es ernst meinte. Zögerlich knöpfte sie ihre Bluse auf und zog sie etwas unbeholfen aus. Dann öffnete sie ihre Hose und geriet beim Abstreifen ins Stolpern. Sie sah den Mann fast entschuldigend an und bemerkte, dass sich seine Augen verändert hatten. Sie lagen tiefer in den Höhlen als zuvor und hatten sich verfärbt. Aus dem dunklen Braun wurde ein gelblich goldenes Leuchten.

„Mach weiter, aber schön langsam!“

Seine Stimme klang nun krächzend und schreckte Laura auf. Sie verschränkte ihre Arme hinter den Rücken und versuchte ihren BH zu öffnen, was nicht auf Anhieb gelang. Zu sehr lenkte sie das Gesicht des kahlköpfigen Riesen ab, welches sich weiter veränderte.

Die Wangen fielen ein und das Kinn trat spitz hervor. Auch seine Nase verformte sich, wurde länger, und schien sich mit dem Kinn zu vereinen, dabei verschwand langsam der Mund aus dem Gesicht des Mannes. Auf seiner Haut bildeten sich schuppenähnliche Flecken, die immer mehr übereinanderlappten und sich verhärteten. Als Laura ihren BH endlich geöffnet hatte, und ihre Brüste freilegte, hatte das Gesicht nichts Menschliches mehr an sich. Sie sah in eine Fratze des Grauens, in dessen Mittelpunkt ein riesiger, nach unten gebogener spitzer Schnabel entstanden war. Auf dem Schnabel öffneten sich zwei dunkle Löcher. Der knochige Schädel hatte keine Ohren mehr, nur eine markante Wölbung. An der Hand, die weiterhin die Pistole auf sie richtete, konnte sie kümmerliche Federn erkennen. Goldene Augen starrten Laura hasserfüllt an. Der Schnabel öffnete sich einen Spalt weit.

„AUFHÖREN!“

Laura zuckte erschrocken zusammen, als das krächzende Wort ihr entgegenhallte. Der Hüne mit dem Vogelkopf senkte den Arm mit der Waffe und näherte sich Laura bedrohlich. Er packte sie an den Schultern und öffnete seinen gewaltigen Schnabel. Das Letzte, was sie sah, war eine kümmerliche Zunge in einem dunklen faulig riechenden Schlund. Der messerscharfe Schnabel hackte in ihren Hals, zerfetzte die Schlagader, und riss ein Stück Fleisch heraus. Laura verspürte einen explosionsartigen Schmerz, und wie warmes Blut über ihre nackten Brüste rann, dann fiel sie in ein endloses Nichts.

Falcao war außer sich, er hatte erstmals die Beherrschung verloren, und konnte die Mutation nicht verhindern. Er musste die Frau töten, sie hatte seine wahre Identität gesehen, und damit ihr Schicksal besiegelt. Der eigentliche Grund seiner Unbeherrschtheit war, dass sie ihn nicht erregen konnte. Er hatte sie erwartungsvoll beobachtet, aber seine Männlichkeit ließ ihm im Stich. Selbst wenn sie ihn berührt und stimuliert hätte, würde er keine Lust empfinden können, dessen war er sich nun vollkommen sicher. Der Mutant fühlte sich elendig und erniedrigt, sah sich seiner Manneskraft beraubt. Er hatte wie befürchtet seinen Fortpflanzungstrieb verloren. Ihm war klar, solange die von ihm gezeugte Missgeburt auf Erden weilte, würde sich sein unwürdiger Zustand nicht ändern.

Nach zehn Minuten hatte er sich zurückverwandelt. Falcao ging ins Bad und wusch sein blutverschmiertes Gesicht. Er kehrte noch einmal um. Im Wohnzimmer blickten ihn Lauras leeren toten Augen entgegen. Aus ihrem offenen Hals sickerte letztes Blut und wurde begierig vom beigefarbigen Teppich aufgesogen. Falcao würdigte sie keines weiteren Blickes, seine Gedanken waren bei seinem nichtsnutzigen Sohn, dessen Leben er beenden musste, um seine Mission erfüllen zu können.


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