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Vorspiel

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Jeden Abend ermittelte Wilhelm Schroeder die genaue Länge des übrig gebliebenen Brotes. Die Zahl notierte er in einer Liste. Jeden Morgen maß er erneut. Fehlte etwas, verhörte er die Verdächtigen.

Mit seiner Frau, drei Töchtern und zwei Enkeln lebte er seit Juli 1943 auf einem verlassenen Gehöft im Klein-walsertal. Dort hatte die Familie nach der Bombardierung ihrer Heimatstadt Wuppertal Zuflucht gefunden.

Wilhelm Schroeder war vor seiner Pensionierung Korvettenkapitän gewesen. Viele Jahre hatte er als Kolonialoffizier der Kaiserlichen Marine in Neuguinea, Kiautschou und Samoa geherrscht. Er war gewohnt, dass man ihm gehorchte. Seine Frau Margarete fügte sich klaglos. Für die Bankierstochter war sozialer Abstieg keine neue Erfahrung.

Manchmal sagte sie: „Gott sei Dank, dass wenigstens Ilse es besser hat.“

Die älteste Tochter war als Angestellte der Deutschen Reichsbahn mit der Besetzung der Ukraine nach Kiew ab-kommandiert worden. Sie hatte über ihre Liaison mit einem Reichsbahnrat geschrieben und Karten von Urlaubsreisen aus Paris geschickt.

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Die deutsche Reichsbahnangestellte Ilse Schroeder hatte den Reichsbahnrat verlassen und sich in Bela, einen ungarischen Arzt, verliebt. Von ihm erwartete sie ein Kind.

Im Frühjahr 1944 rückten die Sowjettruppen in die Ukraine vor. Die Besatzer flohen. Bela musste nach Győr in Ungarn, Ilse fuhr hochschwanger nach Wuppertal. Dort wähnte sie ihre Familie. Die war ausgebombt und lebte im Kleinwalsertal.

Unter Strapazen schlug sie sich dorthin durch.

Niemand freute sich über ihre Ankunft.

Der Patriarch entschied: „Willst du bleiben, dann nur unter der Bedingung, dass das Kind nach der Geburt zur Adoption freigegeben wird. Anders geht es nicht.“

Ilse wollte nicht bleiben. Sie hoffte auf eine Nachricht aus Győr.

Vergeblich.

Am 17. April 1944 brachte sie das Kind in einem Säuglingsheim zur Welt und ließ es dort.

Mich.

Hinausgeboren

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