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Tarafall

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Wenn Godefell eine Ausdehnung hatte, die die meisten Grafschaften Brandais in den Schatten stellte, so war Tarafall sogar kleiner als das Samland, mehr ein größeres Gut als ein Adelssitz. Eine gekalkte Steinmauer umgab eine Ansammlung von Gebäuden, die um einen Hof gruppiert waren. Das Haupthaus war ebenerdig und stand allein zwischen zwei mächtigen Bäumen, deren Kronen das Dach überwölbten. Links und rechts lagen Scheunen und Ställe und dahinter erahnte man einige flache Gesindekaten.

Die Bewohner von Tarafall hatten sich versammelt und bildeten ein lockeres Spalier für die Ankömmlinge. Nicht einer der Landleute senkte bei ihrem Vorbeireiten den Kopf, stellte Esterhazy fest, im Gegenteil, auch hier wurden sie ungeniert angestarrt.

Vor dem Haupthaus stand ein älterer Mann mit einem Kelch in der Hand. Er hielt sich offenbar nur mühsam aufrecht und stützte sich mit der anderen Hand auf einen Stock. Einen Schritt hinter ihm stand eine junge Frau mit einem Tablett, auf dem die üblichen Zinnbecher für den Begrüßungstrunk standen.

Roman von Gorderley sprang aus dem Sattel, noch bevor die Pferde richtig standen. „Ritter Bertram, es ist mir eine Ehre, Tarafall besuchen zu dürfen.“ Er neigte leicht den Kopf vor dem Ritter. Auch Esterhazy stieg eilig ab und Udo, Aik und Dennis standen schon neben ihren Pferden und blickten erwartungsvoll zu ihrem Gastgeber.

„Ich begrüße Euch, Fürst Roman“, antwortete Bertram sehr förmlich, winkte die Frau heran, füllte einen Becher aus dem Krug und wollte danach greifen, aber der Fürst kam ihm zuvor. „Ihr erlaubt?“

Er nahm den Becher aus der Hand der Frau, führte ihn langsam an die Lippen und nahm den ersten Schluck. Dann reichte er ihn an Bertram, der den Becher ohne Regung entgegen nahm und ebenfalls trank. „Seid willkommen in Eurem Besitz, mein Fürst. Wenn Ihr mir ins Haus folgen wollt? Meine Gattin ist verstorben, so wird meine Tochter Editha sich um Eure Begleitung kümmern.“ Nur ein kurzer Blick streifte Esterhazy, doch die Abneigung darin war unverkennbar. Auch Udos Anblick schien den Herrn von Tarafall nicht zu erfreuen, denn er fixierte den jungen Ritter aus Godefell wortlos, und wandte sich dann brüsk ab.

Roman von Gorderley grüßte förmlich Tochter Editha und folgte dem Hausherrn. Seine Begleiter blieben im Hof zurück. Esterhazy gesellte sich zu Udo, der breitbeinig mitten im Hof stand. „Das war jetzt aber kein herzlicher Empfang“, bemerkte er, denn bisher war er immer in die förmliche Begrüßung einbezogen worden. Der Godefeller winkte einen Stallburschen heran und rief provozierend: „Ist das Tarafaller Fürstentreue? Sein Pferd dursten zu lassen?“ Eilig griff der Bursche nach den Zügeln der Stute. Udo verfolgte mit schadenfreudigem Grinsen, wie er zu kämpfen hatte, um das temperamentvolle Pferd abzuführen, und sagte leise zu Esterhazy: „Irgendjemand hier sollte wissen, dass sie Möhren liebt! Der Fürst reitet die Stute schließlich schon seit vielen Jahren.“ Dann wurde er ernst. „Hochritter Bertram und mein Vater sind nicht gerade befreundet. Und Ihr seid ein Brandai, von seinen sechs Söhnen sind vier im Kampf gegen Euren König gefallen. Er hasst Brandai.“ Sein grimmiges Gesicht hellte sich auf, als die Tochter des Hausherrn zu ihnen trat und ernst fragte: „Darf ich den Rittern ihr Quartier zeigen?“

Esterhazy lächelte sein charmantestes Lächeln, aber zu seiner Überraschung schaute das Mädchen nur Udo an, der sich verbeugte und ihre Hand ergriff, um eine Kuss darauf zu drücken. Als sie zurückwich, rief er mit gespielter Empörung: „Frau Editha, ich versuche mich als Mann von Kultur zu geben, wie es mir dieser ehrenwerte Ritter aus dem Königreich geschildert hat. Gönnt einem mäßigen Schüler die Gunst Eures Wohlwollens.“

Editha lief rot an und schüttelte unglücklich den Kopf: „Bitte Udo!“

Dann wurde sie wieder förmlich: „Würden die Herren mir bitte folgen.“ Aik und Dennis schlossen sich ihnen an und Editha führte sie in das Gutshaus. Hinter der Türe lag eine große Eingangshalle, die gleichzeitig wohl Ritter- und Speisesaal war. Editha zeigte auf einige niedrige Holzpritschen in einer Nische, die mit dicken Teppichen aus ungefärbter Schafwolle bedeckt waren. „Ich lasse Kissen und Leinen bringen. Mein Vater wird Euch später zur Mahlzeit laden.“

„Da können wir lange warten“, brummte Udo, aber das Mädchen hatte sich bereits abgewandt. Die drei Gorderley sahen Esterhazy an, der nicht begriff, was von ihm erwartet wurde, bis Udo ihn aufforderte: „Bitte, sucht Euch ein Bett aus. Mehr bekommen wir heute nicht.“

Kurz darauf brachte eine Magd dicke strohgefüllte Kissen, leinerne Laken und für jeden eine bunt gewebte Wolldecke. Udo warf alles auf seine Pritsche und sich dazu. „Hochritterliche Gastfreundschaft“, frotzelte er, „ich danke Euch, Baron. Mir allein hätte er einen Platz im Stall gegeben.“

„Seid zufrieden, Ritter Udo“, rief Aik von der äußersten Pritsche, „uns hätte er gar nicht absteigen lassen.“

„Der Fürst scheint Ritter Bertram zu schätzen“, wandte Esterhazy ein und machte es sich ebenfalls bequem, „Ihr seid seine Eskorte, oder nicht?“ „Deshalb jagt Bertram uns ja auch nicht vom Hof.“

Das Lager war durch die dicken Teppiche nicht unbequemer als sein Bett daheim. Er streckte sich gemütlich aus und stützte sich mit den Ellbogen auf. „Ich bin gespannt auf die ganze Geschichte“, forderte er Udo auf, der nur darauf gewartet hatte und loslegte: „Bertram von Tarafall war verdienstender...verdammter..verdienter Berater von Fürst Elder.“ Er lachte verlegen: „Lasst es mich auf Gordisch erzählen, ja?“ Auf Esterhazys Nicken fuhr er fort: „Zu seiner Zeit war er der Waffenbruder des Fürsten, hat ihm ein paar mal das Leben gerettet, sagt man. Er ist seit Ewigkeiten Mitglied im Rat, und deshalb kann ihm auch keiner was, egal, was er macht.“

Aik murmelte etwas vor sich hin und Udo warf ihm einen giftigen Blick zu. „Er hat unsere Weiden besetzt, nicht umgekehrt. Es war ein Hungerjahr. Alle mussten ihre Herden verkleinern. Aber der hohe Ritter hat einfach sein Vieh auf unsere Winterweide getrieben und es dort fett fressen lassen.“

Dennis kam mit einem Tablett auf dem vier Krüge standen. „Bier geben sie uns zumindest.“ Er hatte die letzten Worte gehört und spottete: „Euer Vater hätte vielleicht nicht gleich alle Rinder stehlen sollen.“ „Sie standen auf unserer Weide!“

„Ja, aber Belek hat sie bewacht und am Ende war er tot“, warf Aik ein und erklärte zu Esterhazy gewandt, „das war Bertrams Ältester“, aber Udo fiel ihm ins Wort: „Dafür hat Bertram dann meinen Bruder gefordert und getötet. Martin hatte gar keine Chance gegen ihn.“ „Damit musstet Ihr doch rechnen, so macht er es doch immer. Glaubt Ihr, unser Vater ist freiwillig gegen den Hohen Ritter angetreten?“ Immer hitziger sprachen die drei Ritter durcheinander, bis Esterhazy sich räusperte und sie abrupt verstummten. Schließlich zuckte Udo mit den Schultern: „Ich fürchte, Ihr bekommt einen schlechten Eindruck, Baron. Bitte glaubt nicht, dass wir Hochritter Bertram den Respekt verweigern. Er ist uns nur nicht sehr gewogen. Ritter aus Kamen und Godefell sind in Tarafall nicht gern gesehen.“

„Mit Ausnahmen“, schmunzelte Esterhazy und alle drei schauten etwas verlegen. Mit den Augen gab Udo den beiden anderen einen Wink und Dennis sprang auf: „Ich schaue mal nach unseren Pferden.“ Aik folgte ihm wie ein Schatten und Udo wartete, bis beide die Halle verlassen hatten. Sie waren allein, nur ein Diener räumte am anderen Ende der Halle Löffel in einen Kasten ohne die Gäste zu beachten.

Udo sah Esterhazy bittend an: „Ihr werdet mich nicht verraten? Editha und ich sehen uns seit einem Jahr heimlich, meist auf den Grenzweiden oder wenn es eine Einladung gibt, wo unsere beiden Familien sich offiziell treffen. Sie ist so klug und schön und…..“

Esterhazy hob die Hand. „Ich habe nichts gesehen“, unterbrach er den jungen Ritter, der plötzlich ganz verträumt eine Ecke der bunten Decke knetete. „Aber wenn es ein Geheimnis ist, solltet Ihr vorsichtiger sein. Glaubt mir, ich weiß wovon ich rede.“

„Tatsächlich...“, Udo seufzte und zog noch mehr Decke über die Knie und verarbeitete sie zu einer Wurst. Eine Weile sah Esterhazy ihm zu, dann fragte er mitleidig: „Hat Euer Vater andere Heiratspläne mit Euch, oder ...hat das Mädchen andere Verpflichtungen.“ „Beides. Es ist aussichtslos. Aber ich muss immer an sie denken. Sie ist so schön und...“ „..und klug, ich weiß. Wird Euer Vater Euch ein Mitspracherecht geben?“

„Selbst wenn, Bertram wird es nie erlauben. Sie führt ihm den Haushalt, seit seine Gattin gestorben ist. Und mir würde er sie nie geben, niemals!“

„Weil Ihr von Godefell kommt?“

„Weil er meinetwegen am Stock geht. Es war ein Unfall. Vor drei Jahren bei einem Distanzrennen. Er war trotz seiner Jahre ein berühmter Reiter und ich ein Niemand, aber wir kamen gleichzeitig an die Furt und mitten im Fluss rutschte mein Pferd weg und prallte gegen seinen Gaul. Sie stürzten, er wurde mitgerissen und die Strömung trieb sie gegen die Felsen. Das Pferd musste getötet werden, aber Bertrams Knie war zerschmettert. Er gibt mir die Schuld, weil ich ihm den Vortritt hätte lassen müssen.“ Udo warf die Deckenwurst wütend zur Seite. „Er ist Hochritter. Also hat er Recht. Und deshalb wird er mir E...sie nie geben.“

In diesem Moment öffneten sich die Türen zum Inneren des Hauses und Diener begannen, die Tafel in der Mitte der Halle einzudecken. Bald darauf fanden sich auch Bertrams Ritter ein. Feindselige Blicke trafen Udo und kaum weniger ablehnend auch den Brandai. Esterhazy machte sich keine Sorgen um seine Sicherheit, denn im Grunde begegnete er ja nur der Anfeindung, die er schon viel früher und stärker erwartet hatte, als er mit dem Fürsten aufbrach, aber er war dennoch froh um die Gesellschaft der drei anderen Ritter. Axel drückte sich schüchtern in die Halle und als die Speisen aufgetragen wurden, schickte Udo ihn an die Tafel, um ein paar Teller für sie zu füllen. Aik und Dennis hatten ihre Knappen angewiesen, bei den Pferden zu bleiben. „Dann können Bertrams Ritter sie wenigstens nicht schikanieren“, erklärte Dennis, „Axel werden sie hoffentlich in Ruhe lassen. Es wäre zu peinlich, wenn der Fürst ihn strafen müsste.“

Bevor Esterhazy diese mysteriöse Aussage hinterfragen konnte, näherte sich Editha und bat den Baron und Udo im Namen ihres Vaters an die Rittertafel. „ Ich glaubs nicht“, murmelte Udo leise und folgte dem Baron an den Tisch, wo am unteren Ende ein paar freie Hocker standen. Esterhazy verbeugte sich vor Editha mit einem galanten Lächeln: „Habt Dank für Eure Gastfreundschaft“, sagte er höflich und das Mädchen errötete, aber dann sah sie ihm in die Augen und erklärte stolz: „Es ist eine Ehre für Tarafall, den Fürsten und sein Geleit zu beherbergen. Küche und Keller stehen zu Euren Diensten.“ Beim Weggehen schenkte sie Udo einen so tiefen Blick, dass Esterhazy bezweifelte, ob die Beziehung der beiden überhaupt irgend einem Menschen verborgen blieb. Es sei denn, die Gorderley zogen es vor, zu übersehen, was einfach nicht sein durfte, aber wie lange mochte das noch gut gehen?

Sie setzten sich und Udo sah ihr mit leuchtenden Augen nach. „Ist sie nicht wunderbar? Aber Bertram macht sie noch nicht einmal zur Hausherrin! Als seine Tochter kann er sie besser herum kommandieren. Er verdient sie überhaupt nicht“, flüsterte er und nahm Axel die bereits gefüllten Teller ab. Es gab eine Hafersuppe, dann Rinderbraten und sie griffen zu, ohne sich um gelegentliche spitze Bemerkungen von Bertrams Rittern zu kümmern. Die Mahlzeit war reichhaltig und sättigend, aber Esterhazy erkannte die Zeichen sparsamen Wirtschaftens: Viel dicke Suppe, genug Kartoffeln und Rüben, und nur ein einziger Hauptgang mit soviel Fleisch, dass es gerade ausreichte. Dazu gab es Dünnbier aus einem Fass, das neben der Türe zur Küche stand, wo die Knappen es zapften und ihren Herren an die Tafel brachten.

Wie konnte ein hoch angesehener Mann wie Bertram über so wenig persönliche Mittel verfügen, oder umgekehrt: Wie war er bei solchen materiellen Verhältnissen in diesen Rang aufgestiegen? Nachdem sie sich satt gegessen hatten, stellte Esterhazy diese Frage Udo, der ihn erstaunt ansah. „Ritter Bertram ist ein großer Kämpfer und war lange Zeit Unterführer. In Mancafell war er es, der mit seinen Einheiten Euren König in die Enge getrieben hat. Er wurde unter Fürst Elder in den Rat berufen.“ Esterhazy verstand immer noch nicht. „Aber hätte der Fürst ihm dann nicht zumindest ein größeres Lehen geben können?“

Jetzt war es Udo, der ihn verständnislos anstarrte. „Ihr habt aber komische Sitten in Brandai“, druckste er schließlich und schüttelte sofort den Kopf, „bitte verzeiht, Baron. Eure Bräuche kommen mir manchmal so seltsam vor. Die Lehen sind doch alle schon uralt. Tarafall war schon so klein, als es eingebracht wurde.“ Als Esterhazy keine Anzeichen von Begreifen zeigte, ergänzte er: „Als Gorderley geeint wurde, übergaben die Ritter mit ihrem Treueeid ihr Land in das Eigentum des Fürsten und erhielten es als Lehen zurück. Damals besaß Bertrams Urahn eben nur wenig Land und sie haben seitdem nicht viel dazu gewonnen.“

Udo trank den letzten Schluck aus seinem Krug und sah sich nach Axel um, aber der stand mit den Krügen von Aik und Dennis in einer Reihe von Knappen vor dem Fass und bemerkte ihn nicht.

„Das ist ja alles schon tausend Jahre her. Der Fürst mischt sich nicht in die Angelegenheiten seiner Gefolgsleute ein, solange man nichts Unrechtes tut.“ Er winkte ungeduldig, als Axel endlich zu ihnen herüber sah und der Knappe brachte die gefüllten Krüge herbei, die eigentlich für die beiden Brüder bestimmt waren. „Vergebt mir, Herr“, bat er und setzte das Bier vor Udo ab, der gnädig nickte. Axel vergewisserte sich mit einem fragenden Blick, das auch Esterhazy keine weiteren Wünsche hatte und eilte fort, um sich erneut anzustellen.

Esterhazy nahm seinen Krug und prostete Udo zu. Heute hatte er so viele neue Dinge erfahren, dass ihm der Kopf schwirrte. Ritter, die einem Herrn ihr Land schenkten, um es dann zurück zu bekommen als Besitz? Verrückter Gedanke. Gehörte das Land nicht immer dem Souverän, der nach seinem Gutdünken darüber verfügte? Ihm lagen noch viele Fragen auf der Zunge, aber in diesem Moment erhielt er ein Stoß in den Rücken und der Inhalt des Bierkruges ergoss sich über seinen Schoß.

Neben ihm schoss Udo von seinem Platz auf und packte den Ritter, der Esterhazy angerempelt hatte, an der Gurgel. „Wie kannst Du es wagen? Der Baron ist persönlicher Begleiter von Fürst Roman!“

Der Ritter ergriff Udos Hand und drehte sie geschickt, so dass der Godefeller losließ. „Was willst du, Udo? Ärger?“, höhnte er herausfordernd und stieß ihn von sich.

Esterhazy stand auf und strich sich den Rest der Flüssigkeit von der Hose. Er hatte keine Wechselkleidung und betrachtete betrübt die Flecken, mit denen er nun eine Weile würde herum laufen müssen. „Willst du dich beschweren, Brandai?“, rief der Ritter viel zu laut und erreichte wie gewünscht, dass sich alle Augen auf ihn richteten.

Der Baron schüttelte den Kopf. „Sicher nicht“, entgegnete er friedfertig. In Udos Gesicht las er Entsetzen und der Bertramsche Ritter musterte ihn voller Verachtung: „Es stimmt also, was über die Brandai gesagt wird. Sie sind ehrlos und feige.“ Trotzdem trat er einen Schritt zurück, denn die gelassene Körperhaltung dieses Brandai entsprach so gar nicht der eines Feiglings.

„Ich halte es nicht für sinnvoll, dem Ungeschick eines ehrenwerten Ritter durch übermäßige Aufmerksamkeit zu viel Bedeutung zu verleihen.“ Der tägliche Umgang mit Udo hat Esterhazys Gordisch geschliffen. Er deutete mit dem Kopf eine winzige Verbeugung an. „Baron Stefan Esterhazy von Samland und Rechen“, stellte er sich höflich vor, „und mit wem habe ich die Ehre?“ Dem Gorderley fielen fast die Augen aus den Höhlen und er blickte sich hilfesuchend um, bevor er blaffte: „Ergan, Ritter von Bertram.“ Und weil das sogar in seinen Ohren irgendwie zu wenig klang, fügte er trotzig hinzu: „Von Hochritter Bertram von Tarafall.“ „Zweifellos eine Stellung, auf die Ihr stolz sein könnt“, bestätigte Esterhazy, „Ritter Udo erzählte mir, Euer Herr gehöre zu den angesehensten Rittern des Landes. Ich bin außerordentlich froh, dass Fürst Romans Güte mir erlaubt, die Männer seines Gefolges kennen zu lernen.“

Es fiel Ergan schwer, einen Mann zu beleidigen, der sich so höflich gab und so wich sein Blick zur Seite und blieb an Udo hängen: „Gernots Bengel soll hier seinen Mund gar nicht aufmachen“, schnappte er wütend. Udo setzte schon für eine hitzige Antwort an, aber Esterhazy machte einen kleinen Schritt nach vorn, so dass er direkt vor Ergan stand und den jungen Godefeller abdeckte. „Ja, wie die Zeit vergeht“, lachte er leutselig und da ihm die gordischen Sätze ausgingen, sprach er einfach auf Brando weiter, „kaum zu glauben, dass aus einem Bengel plötzlich ein Ritter geworden ist. Udo hat mir viel erzählt über Tarafall und ich versichere, das es ihm das größte Anliegen ist, seinen Respekt zu bekunden.“ Udo verschluckte sich, während Ergan sprachlos den Brandai betrachtete, der in seinem verdammten Kauderwelsch auf ihn ein redete und einfach nicht zu Wort kommen ließ. Esterhazy wechselte zurück ins Gordische und winkte Axel: „Bring doch noch Bier, damit ich mit Ritter Ergan auf unsere Bekanntschaft anstoßen kann.“

Ein wenig atemlos kam der Knappe dem Befehl nach und ehe Ergan sich versah, stand er mit einem Krug in der Hand dem Brandai gegenüber. „Auf die gordische Gastfreundschaft.“ Ergan wusste nicht wie ihm geschah. Der verfluchte Brandai hatte seine Provokation einfach umgedreht, ihn durch Höflichkeit entwaffnet, seine eigene Stellung deutlich gemacht und natürlich war es unmöglich, nicht auf die gordische Gastfreundschaft anzustoßen. Wütend nahm er einen Zug und kippte dann den ganzen Rest in sich hinein. Esterhazy beobachtete ihn genau, und als der Ritter den letzten Schluck tat, sagte er in leichtem Ton: „Aber ich habe Euch sicher von etwas Wichtigem abgehalten. Wenn Ihr nichts dagegen habt, setzen wir uns wieder. Es war nett mit Euch zu plaudern.“ Den letzten Satz hängte er vorsichtshalber auf Brando an, und obwohl er scheinbar lässig wieder auf seinem Hocker Platz nahm, blieb er angespannt, als Ergan wortlos zu seinem Platz am oberen Tafelende schlurfte. Niemand sprach ein Wort, bis er sich setzte und stumm die Hand nach einem neuen Bierkrug ausstreckte. Plötzlich drehten sich alle wie auf Kommando von den Gästen weg und die Unterhaltung setzte ein, als ob sie nie unterbrochen gewesen wäre.

Auch Udo fiel auf seinen Hocker, noch immer fassungslos. „Wie Ihr das gemacht? Er auf Prügelei aus war und jetzt hockt wie nasser Pudel“, gluckste er auf Brando und wechselte dann ins Gordische, „und ich dachte, Ihr hättet Angst vor ihm. Fechten alle Brandai so gut mit Worten? Das würde vieles erklären...“, er stockte, wurde tatsächlich knallrot und erhob sich ruckartig. „Ich bitte um Vergebung, Baron. Soll ich mich zurück ziehen?“, fragte er sehr ernst.

Esterhazy versuchte, nicht allzu offensichtlich zu grinsen. Er mochte den Ritter, der nur ein paar Jahre jünger war als er selbst, und ganz sicher machte er niemandem seine Offenheit zum Vorwurf. Aber die Stellung, die der Fürst ihm verschaffte hatte, verlangte, dass er Udos Respekt akzeptierte. „Die Waffenkünste der gordischen Ritter sind in Brandai berühmt und gefürchtet. Ihr braucht Euch nicht zu schämen, eine Wahrheit auszusprechen. Bitte leistet mir Gesellschaft an dieser Tafel.“

Sichtbar erleichtert quetschte sich Godefeller wieder auf seinen Platz, aber es dauerte eine ganze Weile, bis er Esterhazy wieder ansah, „Ich bin Euch zu Dank verpflichtet. Eigentlich sollte ich Euch davor bewahren, Ärger zu bekommen, und nun habt Ihr mich gedeckt.“

„Wie meint Ihr das?“, fragte Esterhazy überrascht.

Udo presste erst die Lippen zusammen, aber dann ließ er den Kopf hängen und flüsterte: „Mein Vater hat mir befohlen, Euch zu schützen, falls Ihr zu einem Duell gefordert werdet. Weil...weil..“

Esterhazy ergänzte: „Weil ich ein Brandai bin und meine Fechtkunst für einen gordischen Ritter nicht ausreicht.“ Er runzelte die Stirn. „Ich verzichte auf Gernots Fürsorge.“

„Bitte, ich sollte es Euch nicht sagen.“ Udo sah so unglücklich aus, dass Esterhazy ihm nicht böse sein konnte, aber dies durfte er nicht erlauben. „Ihr begleitet den Fürsten, Udo. Nicht mich.“

Udo stützte den Kopf in die Hände. „Es ist ein Befehl meines Vaters“, wiederholte er kläglich. Es klang mehr nach einem Gesetz und trotz seiner Verlegenheit gab es keinen Zweifel, dass Udo sich dem Befehl verpflichtet fühlte, egal was der Baron dazu befand.

Esterhazy schüttelte den Kopf. „Dann werde ich mir etwas einfallen lassen müssen.“

Die Nacht verging ohne Zwischenfälle. Am Morgen kam der Fürst in die Halle, erkundigte sich nach ihrem Wohlergehen und erklärte, dass sie um die Mittagszeit aufbrechen würden, dann zog er sich mit dem Hausherrn zu weiteren Gesprächen zurück. Udo verschwand mit einem verlegenen Grinsen, nachdem der Baron ihm versicherte, dass er durchaus einen Vormittag ohne ihn auskäme, aber als Esterhazy die Halle für einen Spaziergang verließ, folgten ihm Aik und Dennis so auffällig unauffällig, dass ihr Bewachungsauftrag offensichtlich war. Esterhazy besuchte sein Pferd, das in einem großen sauberen Verschlag stand und zufrieden Heu aus einer Raufe zupfte. Die drei Knappen lagen gemütlich im Stroh und sprangen hastig auf, als er über die geöffnete Halbtüre blickte. Kai hatte ein blaues Auge und Pale eine dicke Schramme quer über der Wange, während Axel zwar keine sichtbaren Blessuren aufwies, sich aber an der Wand abstützte und das linke Bein nicht belastete. Keiner der Jungen sagte ein Wort und Esterhazy spottete schließlich: „Ich nehme an, die anderen sehen schlechter aus.“ Die Knappen grinsten und senkten schweigend die Köpfe. „Kannst du reiten“, fragte Esterhazy Axel. Der nickte. „Ja, Herr, es ist nichts passiert.“ Er stellte den Fuß auf den Boden und ließ die Wand los. „Dann ist ja alles in Ordnung.“ Esterhazy wandte sich schnell ab, damit er den Schmerz in Axels Gesicht übersehen konnte. „Essigumschläge“, riet er beim Weggehen und dachte er amüsiert, dass Axel, wenn er so weiter machte, am Ende ihrer Reise kaum noch von einem gordischen Knappen zu unterscheiden sein würde.

Aik schlenderte neben ihm her, während Dennis bei den Knappen blieb und Anweisungen für ihre Abreise gab. Als sie die Hofmitte erreichten, blieb Esterhazy stehen und fragte ohne Einleitung:

„Hättet Ihr Lust, eine kleine Runde mit mir zu fechten.“ „Mit Euch? Jetzt?“ Esterhazy war an den Reisetagen zu erschöpft gewesen, um sich an den Zweikämpfen der Brüder zu beteiligen. Die Ritter hatten seine Abstinenz fraglos akzeptiert und ihn niemals aufgefordert, aber zumindest Aik schien keinerlei Vorbehalte zu haben, seine Augen leuchteten vor Begeisterung. „Wann immer Ihr wünscht, Herr. Sollen wir uns eine ruhige Ecke suchen?“ Der Baron zog sein Schwert. „Im Gegenteil, ich finde diesen Platz gerade richtig. Wollen wir anfangen?“ Verlegen rang Aik die Hände. „Herr, Ritter Udo reißt mir den Kopf ab, wenn Euch etwas passiert“, aber Esterhazy nahm ungerührt die Ausgangsstellung ein und hob seine Klinge. „Ich glaube nicht. Fangt bitte an, Ritter Aik!“ Trotz seiner freundlichen Worte hatte seine Stimme eine Schärfe, der Aik sich nicht länger widersetzen mochte und so zog er unglücklich seine Waffe. Kaum trafen die Schwerter das erste Mal aufeinander, verlor er jedoch alle Schüchternheit und setzte Esterhazy mit einem Feuerwerk an Kreuz- und Querhieben aus dem Handgelenk unter Druck. Der Baron wich zurück und begnügte sich damit, die Schläge abzuleiten und nur gelegentlich zu attackieren, wenn Aik ihm eine Lücke ließ. Schnell fanden sich Zuschauer ein und bald drängten sich auch Bertrams Ritter durch die Menge. Aus den Augenwinkeln sah Esterhazy Udo, der erregt auf Dennis einsprach und diesem die Faust in die Seite boxte, aber dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gegner. Aik hatte sich gelöst und umkreiste ihn mit leichten Schritten. Er strahlte vor Begeisterung über das ganze Gesicht, als er den nächsten Angriff begann.

„Ach, schaut mal an, der Brandai kann tatsächlich ein Schwert halten“, spottete jemand aus der Menge. „Tja, für einen Kamenritter reichts ja vielleicht“, rief ein anderer.

Endlich.

Esterhazy ließ sein Schwert sinken und neigte kurz den Kopf. „Habt Dank, Ritter Aik, es war mir eine Ehre.“ Aik schaute überrascht, aber er steckte sofort seine Waffe in die Scheide. „Was…?“ Esterhazy unterbrach ihn: „Auf ein anderes Mal. Haltet Udo zurück. Und wenn Ihr ihn dazu niederschlagen müsst.“ In Aiks Gesicht malte sich erst Verstehen und dann ein Hauch von Mutwillen. „Wie Ihr befehlt, Herr. Ich hoffe, Ihr könnt mich hinterher vor seinem Zorn retten.“

Während er zu seinem Bruder lief, streckte Esterhazy den Rücken durch und ließ sein Schwert locker in der Hand rotieren. Alle bertramschen Ritter und der größte Teil der Dienerschaft drängten sich inzwischen an den Rändern des Hofes. Er erkannte Ergan, der ihn voller Abneigung fixierte, aber der Zwischenrufer war ein anderer Ritter, der mit beiden Händen an den Hüften in der Mitte stand und in den Knien wippte. Herausfordernd wies er auf Esterhazy: „Schon müde, Jungchen? War ja auch ein harter Kampf.“ Das Gelächter ebbte ab, als Esterhazy näher kam. „Erstens“, begann er gelassen, „ist mein Name Baron Stefan Esterhazy. Ihr dürft mich Baron nennen, oder Herr oder meinetwegen Ritter Esterhazy, aber nicht Jungchen! Zweitens verbitte ich mir, dass Ihr mich unaufgefordert von der Seite anredet und drittens bin ich keineswegs müde, sondern gerade warm. Falls Ihr also Eure Hände zu etwas anderem verwenden könnt, als Euren Gürtel zu halten, ist dies ein guter Zeitpunkt, Euer Schwert zu ziehen.“ Er hob seine Waffe ein wenig an und kehrte dann den Rittern den Rücken, um in die Hofmitte zu gehen.

Ein dumpfes Stöhnen kam von der Stelle, an der Udo gerade unter Aik und Dennis zu Boden ging, aber niemand achtete darauf und nach kurzem Gerangel gab der Godefeller auf.

Unter dem Publikum erhob sich gespanntes Getuschel, als der bertramsche Ritter sein Schwert zog, „Euch muss jemand beibringen, den Mund zu halten, wenn richtige Männer reden“, höhnte er und folgte Esterhazy in die Hofmitte. Der Baron sah ihm ungerührt entgegen. „Und dieser jemand ist wer?“, fragte er mit gespieltem Desinteresse. Der Ritter stellte sich mit stolz geschwellter Brust vor ihm auf: „Joachim von der Hohen Burg, Ritter von Tarafall. Und einen Brandai verzehre ich zum Frühstück, ob Baron oder Ritter, Herr.“

„Fein“, erwiderte Esterhazy unbeeindruckt, „dann solltet Ihr Euch heute auf eine Diät einstellen.“

„Di...was“, stotterte der Ritter perplex, da Esterhazy das brandaianische Wort verwendet hatte, aber dann hob er seine Klinge, „glaubt nicht, dass Ihr mich mit Eurem Geschwafel beeindrucken könnt. Solche Wortspielereien helfen Euch nicht bei mir.“

„Was hält Euch also auf, Ritter Joachim“, entgegnete Esterhazy mit einer einladenden Handbewegung.

Joachim war älter und erfahrener als Aik und begann mit einer verhaltenen Attacke, die seinen Gegner prüfen sollte. Esterhazy wich aus und griff sofort an. Seine Schnelligkeit überraschte den Gorderley und eine Weile musste er sich über den Hof drängen lassen, bevor er wieder zu seinem Rhythmus fand und Esterhazy stellte. Seine Hiebe waren kraftvoll und platziert und er bewegte sich leichtfüßig, aber dennoch gelang es ihm nicht, den Brandai festzunageln und schließlich führte er einen heftigen Befreiungsschlag und sprang zurück, um sich für einen neuen Beginn zu orientieren. Auch Esterhazy hielt inne und versuchte seinen keuchenden Atem zu beruhigen, ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen. Die bertramschen Gefolgsleute feuerten ihren Kameraden lautstark an, als er wieder zum Angriff überging. Esterhazys Parade zwang Joachim zu einem unkontrollierten Rückwärtsschritt und im nächsten Moment zischte eine Klinge kratzend über seinen Harnisch. Er fluchte, rollte sich ab, und war im nächsten Moment wieder auf den Beinen, aber der Baron setzte ihm nach. „Beneidenswert“, kommentierte er, als Joachim das Schwert in die Linke wechselte und zustieß, aber er glitt elegant zur Seite und parierte indem er den Schwung seiner Bewegung nutzte, um den Hieb abzulenken. Das war eine so ungewohnte Art zu kämpfen, dass der Gorderley einen Augenblick verwirrt war, aber Esterhazy nutzte die Gelegenheit nicht für einen eigenen Angriff, sondern wartete, bis Joachim erneut die Initiative ergriff. Und so ging es weiter: Zwar gelang es Esterhazy nicht mehr, einen weiteren Treffer zu setzen, aber auch der Gorderley blieb erfolglos und die Anfeuerungen der Zuschauer wandelten sich in verärgerten Spott: „Willst du nicht, oder kannst du nicht, Joachim?“, brüllte Ergan und andere fielen johlend ein.

„Ich denke, wir haben genug gesehen.“

Von einem Augenblick zum nächsten verstummten die Zuschauer. Der Fürst stand in der offenen Türe der Halle und stieg nun die Stufen hinab. Die Menge teilte sich sofort und mit wenigen Schritten war er bei den Kämpfern.

„Baron“, er nickte knapp und sah dann wortlos den bertramschen Ritter an. „Fürst Roman“, stammelte Joachim verlegen und stopfte hastig sein Schwert in die Scheide.

„Ritter Joachim, ich erwarte Euch in der Halle!“, klang es vom Haus wo Bertram auf seinen Stock gestützt auf der obersten Stufe stand.

Esterhazy steckte sein Schwert ebenfalls ein und hatte Mühe, das Zittern seiner Arme zu verbergen. Er war so außer Atem, dass er kaum Luft holen konnte, aber er verbeugte sich vor Joachim: „Es war mir ein Vergnügen“, fast stockten ihm die Worte im Hals, aber als er sich aufrichtete, zwang er ein Lächeln in seine Mundwinkel. Joachim schielte auf den Fürsten, der ihn mit einem Wink entließ und eilte zu seinem Herrn, während Esterhazy einfach stehen blieb. Der Weg bis zur Halle schien ihm unendlich weit. „Ich warte noch ein wenig“, stieß er hervor. Der Fürst sah ihn durchdringend an: „Ihr leidet noch immer an den Folgen Eurer Verletzung, warum habt Ihr Euch auf einen Kampf eingelassen?“ Esterhazy zuckte entschuldigend die Achseln: „Es musste früher oder später passieren. Und hier war das Risiko nicht so groß.“

„Selbstüberschätzung war bisher nicht unbedingt eine Eurer Schwächen. Ritter Joachim ist ein guter Schwertkämpfer.“ Esterhazy schüttelte den Kopf. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag und der beklemmende Druck wich von der Lunge. „ Ich musste nur lange genug durchhalten. Irgendwann würdet Ihr dazwischen gehen.“

„Ihr habt darauf spekuliert?“ Fürst Roman sah ein wenig konsterniert aus. Der Baron blickte auf. „Ich weiß, was Ihr so freundlich unterlasst auszusprechen. Ja, Joachim hätte mich geschlagen. Aber Tarafall ist nicht besonders weitläufig. Es war abzusehen, dass Ihr und Ritter Bertram irgendwann merken würdet, dass etwas im Busch ist, wenn sich alle hier versammeln, um zuzusehen, wie ein Brandai vermöbelt wird.“ Esterhazy setzte vorsichtig einen Fuß vor und stellte fest, dass ihn nicht mehr schwindelte. „Sagt mir bitte eines, Fürst Roman, habt Ihr gewusst, dass Gernot seinen Sohn als Aufpasser für mich mitgeschickt hat?“

Der Fürst lächelte verstehend: „Es ging um Udo, nicht um Joachim?“

„Um Udo und Aik und alle Eure Gefolgsleute, die glauben, mich behüten zu müssen. Und es ist mir dabei gleich, ob sie Euch oder mir einen Gefallen tun wollen, das läuft nämlich auf das selbe hinaus!“ Esterhazy bemühte sich nicht, seinen Ärger zu verbergen. „Wusstet Ihr es also?“

„Nein.“

Dann werft mir nicht vor, wenn ich mich selbst darum kümmere, wollte Esterhazy antworten, aber er beherrschte sich. „Ich hoffe, Ihr vergebt mir, wenn ich Euch Ungelegenheiten bereitet habe“, sagte er stattdessen. Sie begannen langsam in Richtung des Haupthauses zu gehen. Die Zuschauer hatten sich zerstreut und nur noch Udo, der sich inzwischen aufgerappelt hatte, stand flankiert von den Kamenbrüdern im Hof und schaute ihnen unglücklich entgegen. Der Fürst legte mit einem Seitenblick auf Esterhazy dem Godefeller die Hand auf die Schulter: „Ritter Udo, Eure Gefolgschaft ist mir zu teuer, als dass ich von Euch verlange, wider den Befehlen Eures Vaters zu handeln. Vielleicht vermögt Ihr Euren Gehorsam jedoch zukünftig an den Vorstellungen von Baron Esterhazy zu orientieren. Das entspräche im Übrigen auch meinen Wünschen.“ Udo hatte Schwierigkeiten, unter den wohlwollenden Augen seines Herrn überhaupt Luft zu holen, aber der Fürst fuhr bereits fort: „Ihr habt recht gehandelt, Ritter Udo. Eine Entschuldigung ist nicht nötig.“

Esterhazy reichte dem jungen Ritter die Hand. „Bitte nehmt mir nicht übel, dass ich Euch ausgetrickst habe.“

Udo ergriff die Hand zögernd. „Baron, ich wollte Euch nicht...also wir dachten ja alle...“, er seufzte und dann stahl sich ein beschämtes Lachen in sein Gesicht, „Ihr habt es uns allen ganz schön gezeigt. Dass Ihr Joachim so fertig machen konntet! Wenn ich das meinem Vater erzähle.“ Esterhazy wechselte einen erstaunten Blick mit dem Fürsten und nahm dessen minimales Kopfschütteln wahr.

Statt also Udo zu berichtigen, klopfte er ihm auf die Schulter: „Dann kannst du Aik bestimmt vergeben, dass er mir gehorcht hat, und nicht dir?“

Aik und Dennis schauten ein wenig betreten von einem zum anderen, aber Udo ließ die Augen nicht von dem Baron. „Wie Ihr wünscht, Herr.“ Esterhazy war nicht glücklich über seine plötzlichen Förmlichkeit aber der Fürst nickte zufrieden, „Ihr könnt Euch bereit machen, wir brechen demnächst auf.“ Esterhazy folgte dem Fürsten zurück ins Haus, um seine wenigen Habseligkeiten zu packen. Die Halle war leer, bis auf zwei Mägde, die den Boden schrubbten und Esterhazy spürte die verstohlenen Blicke der beiden Frauen, als er zu seiner Pritsche schlenderte. Im schummrigen Licht in der Nische suchte er prüfend den Boden ab, um nichts zu vergessen, aber alle Betten waren schon abgeräumt, offenbar hatten die Knappen bereits das Gepäck für den Aufbruch vorbereitet. Plötzlich fiel die Spannung von ihm ab und er ließ sich auf eine Pritsche fallen. Bei Ebelond, das war noch einmal gut gegangen. Andererseits….so schlecht hatte er sich nicht geschlagen, und wenn seine Ausdauer wieder ihren alten Stand erreichte...Aik hatte da so eine interessante Schlagkombination gezeigt….Er massierte gedankenverloren den Unterarm, bis die verhärteten Muskeln sich lockerten. Noch immer konnte er mit einer Hand seinen Arm umfassen, obwohl er aß wie ein Scheunendrescher. Es half nichts, er würde wieder trainieren müssen, egal wie müde er an den Abenden war. Der Tag war abzusehen, an dem er einem echten Duell nicht mehr ausweichen konnte, dann musste er bereit sein. Und wenn die Gorderley ihn schlugen, wollte er zumindest dabei gut aussehen, das war er Brandai schuldig. Und sich selbst und ….dem Fürsten auch.

Eldorad

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