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Der kränkende und krank machende Kuss

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Angeblich war ich ein süßes Kind. Das ist nicht unwichtig! Denn 1950, als ich etwa zwei Jahre alt war so wurde mir erzählt bekam meine Mutter Besuch von einer ihrer Freundinnen. Diese sah mich, nahm mich in die Arme, hob mich hoch und küsste mich auf den Mund. In meiner Familie war es nicht üblich, dass Kinder auf den Mund geküsst wurden. Es ist bekannt, dass gerade auch kleine Kinder ein gesundes Empfinden von Nähe und Distanz haben. Dieser Kuss war eine deutliche Überschreitung der Grenze zu diesem kleinen Kind, das sich noch nicht dagegen wehren konnte. Meine Mutter war über dieses Verhalten ihrer Freundin auch Jahrzehnte später noch sehr empört.

Aber es sollte noch schlimmer kommen. Im Verlauf ihres Besuchs erzählte die Freundin: „Stellt euch vor: Im Zug war ja so ein krankes Kind...“ Vierzehn Tage später wurde ich krank.

Meine Mutter erzählte mir später, dass es wie eine Grippe begonnen hatte, mit Husten, Schnupfen und Fieber. Aber plötzlich konnte ich nach dem Mittagsschlaf nicht mehr stehen. Ich knickte immer wieder ein. Mein Vater, der zufällig zu Hause war, meinte, dass ich wohl noch nicht ausgeschlafen hätte und dass meine Mutter mich noch einmal hinlegen sollte. Nach einer halben Stunde versuchte meine Mutter mich noch einmal hinzustellen, und ich knickte wieder ein. Daraufhin rief sie beim Arzt im Dorf an und schilderte die Symptome und ihren auf Zeitungsberichte gegründeten Verdacht. Der Arzt bestätigte, dass tatsächlich alles auf Kinderlähmung (Polyomyelitis oder kurz: Polio) hindeute, und ordnete an, dass sie sofort mit mir ins Krankenhaus fahren sollte. Unser Hauswirt besaß neben seiner Landwirtschaft auch ein Telefon und das Taxigewerbe mit einem der wenigen Autos im Ort. Man fuhr mich ins Krankenhaus der nächsten Stadt, eine Kreisstadt. Ich war tatsächlich der einzige Fall mit Kinderlähmung in der ganzen Umgebung.

Eine schwere Erkrankung wie Kinderlähmung ist für ein zweijähriges Kind ein extrem belastendes Ereignis. Die akute Polio ist im Anfangsstadium einer schweren Grippe ähnlich. Dann stellen sich aber zusätzlich Lähmungen ein, die bis zu Atemlähmungen gehen können, weil auch das Zwergfell betroffen werden kann. So schwere Verläufe sind für jeden Menschen existenzbedrohend. Bei den leichteren Verläufen sind Glieder- und Kopfschmerzen, Fieber und Erkältungssymptome zu beobachten. Bei mir war der Krankheitsverlauf leichter. Ich hatte glücklicherweise keine Beeinträchtigung der Atmung. Aber ich kam auf eine Isolierstation für zunächst acht Wochen.

Erkrankt ein Kind und wird zu Hause von der Familie gepflegt, wird es gewöhnlich auch getröstet, wenn es Schmerzen hat und weint oder sich einfach nur unwohl fühlt. In einem Krankenhaus sind dafür weder die Zeit noch das nötige Personal ausreichend verfügbar. Doch selbst wenn ausreichend viele Schwestern bereit stünden, wäre das keine Lösung. Wer kleine Kinder beobachtet weiß, dass sie nicht von irgendwem getröstet werden wollen, sondern von Mama oder Papa, je nachdem, wer in den Vorstellungen des Kindes hilfreicher erscheint. Deshalb ist das Pflegepersonal im Krankenhaus nur bedingt geeignet. Heutzutage wird es Eltern ermöglicht, ihre kleinen Kinder ins Krankenhaus zu begleiten – damals wäre das undenkbar gewesen.

Meine Mutter berichtete, dass ich nicht mehr zu ihr wollte, als ich nach acht Wochen entlassen werden sollte. Ich klammerte mich bei der Krankenschwester fest und weinte.

Man stelle sich vor: Ein kleines Kind kommt ins Krankenhaus. Es ist aus seiner Umgebung herausgerissen, keine der gewohnten Bezugsperson ist mehr da, weder Mutter noch Vater, keine Geschwister, Onkel oder Tanten, Oma und Opa – niemand. Dem Kind geht es schlecht, es hat Fieber, Schmerzen und befindet sich in einer fremden Umgebung mit fremden Leuten. Keine vertraute Stimme, kein vertrautes Essen, keine vertrauten Gerüche, keine vertrauten Spielsachen oder Spielgefährten – kein Kuscheln oder Schmusen. Für so ein Kind, das emotional noch vollständig auf seine Eltern angewiesen ist, bricht eine Welt zusammen. Alles, was zu seiner Welt gehörte, ist nicht mehr da ist weg! Einem so kleinen Kind ist nicht zu erklären, warum das so ist. Intellektuell ist es noch nicht in der Lage, die Situation zu begreifen. Das Kind fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes „von allen guten Geistern verlassen“. Es fühlt sich einer unbekannten, fremden Welt schutzlos ausgeliefert und damit existenziell bedroht. – So entsteht ein Trauma. – Dass etwas Gravierendes passiert sein muss, ist daran zu erkennen, dass das Kind nach acht Wochen Krankenhausaufenthalt nicht mehr zu seiner Mutter will – sich an der Schwester anklammert. Das Kind hatte acht Wochen keinen Kontakt zu seiner Mutter. Damals durften Kinder im Krankenhaus nur durch ein Fenster von den Angehörigen angesehen werden. Ein Besuch am Krankenbett oder gar eine Berührung war undenkbar, ja verboten.

Ein Kind könnte daraus lernen: Du darfst niemandem vertrauen, du bist alleine und musst dich schützen! Es kann auch lernen: Das Leben hat eine Menge unangenehme Überraschungen für dich parat! Sei sehr vorsichtig! Pass auf!

Meine Mutter hatte sich damals geschworen, mich nie wieder in ein Krankenhaus zu geben. Aber das war nicht möglich. Den Kontakt zu ihrer Freundin hat sie einschlafen lassen und ihr auch nie berichtet, was sie mir da mitgebracht hatte. Denn meine Mutter war überzeugt, dass ihre Freundin für meine Erkrankung verantwortlich war.

Die ambulante physikalische Therapie (Krankengymnastik, Massagen, Elektrotherapie, Bäder, Kälte- und Wärmeanwendungen) war 1950 und 1951 noch nicht im Leistungskatalog der Pflichtkrankenkassen enthalten. Deshalb war es Ärzten nicht möglich, ambulante physikalische Therapie zu verordnen, die von den Krankenkassen übernommen wurde. Physikalische Therapie wurde in Krankenhäusern erteilt oder musste privat finanziert werden.

Da wir in einem kleinen Dorf im Landkreis Peine lebten und die Reise in die Großstadt zum Fachkrankenhaus mehrere Stunden dauerte, schien es eine gute Lösung zu sein, mich dort stationär unterzubringen. Während Schuhe und Stützapparat angefertigt wurden, stand ich jederzeit für Anproben zur Verfügung. In der Zwischenzeit konnte ich mit den notwendigen physikalischen Therapien versorgt werden, um die Nerven- und Muskeltätigkeit in meinen gelähmten Beinen anzuregen. Krankengymnastik, Massagen und Elektrotherapie konnte ich nur hier bekommen.

Meine Erinnerungen an diesen Klinikaufenthalt sind äußerst spärlich – kein Wunder, ich war ja damals erst zwei Jahre alt. Aber ein Erlebnis steht mir überdeutlich vor Augen:

Ich liege in einem 4-Betten-Zimmer, ein Bett ist rechts von mir, dazwischen eine Spielzeugkiste und ein Mann. Gegenüber sind, jeweils in den Zimmerecken, noch zwei Betten, links ist eine Tür, durch die man auf den Balkon gelangt, dieser Tür gegenüber ist die Zimmertür, in der eine große Glasscheibe ist. Ich sehe meine Mutter vor dieser Tür und sehe, dass sie weint. Ich weiß, dass sie meine Mutter ist, aber ich zeige ihr nicht, dass ich sie erkenne – sie ist es, die mich hierher gebracht hat. Ich bin ihr böse und enttäuscht, weil sie nicht bei mir ist, weil sie mich allein gelassen hat. Der Mann spielt manchmal mit mir. Es sind besondere „Spiele“, für die ich keinen Namen habe, die mich verwirren und bei denen ich mich ruhig verhalten muss, obwohl er mir manchmal weh tut. Für dieses „Spiel“ steckt er mir etwas durch die Gitterstäbe, was ich noch nicht kenne. Manchmal bringt der Mann mir Bonbons mit, Himbeerbonbons oder Goldnüsse. Seine Stimme und seine Aufforderungen habe ich noch viele Jahre lange innerlich gehört. Ich wusste immer, dass ich zu diesem Mann eine besondere Beziehung hatte.

Ich war diesem Mann ausgeliefert! Ich lag in einem Gitterbett aus Metall in einem Gipsbett. Dieses Gipsbett lag auf einem Holzbrett, das am Kopfende ca. 30 cm höher war als am Fußende. Etwa auf Gesäßhöhe war ein Loch eingelassen, und darunter stand ein Schieber (Becken), in dem alles landete, was von der Verdauung übrig blieb. Das Gipsbett war über dem Körper geformt worden. Das sah so aus, dass der Kopf, der Rücken und die Beine in einer Schale lagen. Die Beine waren gespreizt und der Genitalbereich war ebenfalls ausgespart. Das war praktisch, denn so entfiel das Windelnwechseln. (Wegwerfwindeln wurden erst viel später erfunden.) Wurde ein Kind im Gipsbett angebunden, war es ihm nicht möglich aufzustehen. Das erleichterte die Beaufsichtigung dieser Kinder. Sie konnten nur die Arme bewegen, und sie konnten keinesfalls aus dem Bett klettern.

Wie oft der Mann kam, um mit mir zu „spielen“, weiß ich nicht mehr. Aber einmal hatte er mir sehr weh getan und es war Blut im Bett. Die Schwestern waren entsetzt. Ich hatte danach Schmerzen beim Wasserlassen, es brannte schrecklich. Der Mann kam danach nicht wieder.

Die Erinnerung steht vor meinem inneren Auge wie ein altes Foto, und lange habe ich geglaubt, dass dieser Mann ein Arzt war. Im Krankenhaus gab es für mich damals nur Ärzte und Schwestern – also war dieser Mann in meinen Augen ein Arzt. Und es war ein Fehler, ihm zu vertrauen!

Nachträglich machte ich mir klar, dass schon damals Ärzte nicht die Zeit hatten, mit den Kindern auf ihrer Station zu spielen. Viel wahrscheinlicher ist, dass nach dem Krieg einige ehemalige Soldaten, die im Lazarett gearbeitet hatten, in den Krankenhäusern als Pfleger eingestellt worden waren.

Die Erinnerungen an die Details der Begebenheit mit diesem Mann stellten sich während meiner Analyse 1981 ein. Sie begannen damit, dass ich plötzlich einen regelrechten Hunger auf Himbeerbonbons und Goldnüsse bekam. Zu der Zeit lernte ich gerade, meine Bedürfnisse wahrzunehmen und nicht gleich einer Zensur zu unterziehen, ob meine Wünsche sinnvoll oder unsinnig sind. Ich handelte nach der Weisung: „Was der Mensch braucht, soll er haben!“ – Ich kaufte mir diese Süßigkeiten und hatte immer genug davon bei mir.

Dann bekam ich völlig unerwartet Schmerzen an der Außenseite meiner linken Hand und wusste plötzlich, dass das von der Zeit im Krankenhaus herrührte. Immer wenn der Mann bei mir war, bewegte ich meinen Unterarm an den Gitterstäben meines Bettchens aus der liegenden Position nach oben und unten und schlug auf diese Weise an die einzelnen Gitterstäbe. Meine Hand erinnerte sich nun daran, und die damit verbundenen Erlebnisse standen wieder lebendig vor mir. Ich erinnerte mich auch an seine Stimme und die Aufforderungen. „Nun mach schon!“

Als kleines Mädchen hatte ich nicht gewusst, was ich tun sollte, was er von mir erwartete. Als erwachsene Frau von 33 Jahren begriff ich sofort, was dieser Mann von mir forderte. Jetzt wurde mir auch klar, warum ich im Alter von 20 Jahren beim Schmusen mit einem Freund mit heller Angst und Panik reagiert hatte, als er meine Hand in seinen Schoß gelegt und ich sein Glied gefühlt hatte. Ich hatte damals einen Vorwand gefunden, um die Beziehung sofort zu beenden. Ich hatte an meinem Verstand gezweifelt, weil ich mein Verhalten nicht begreifen konnte – schließlich war ich aufgeklärt und wusste „theoretisch“ Bescheid. Es war mir unerklärlich, warum ich plötzlich eine solche Angst, Panik, Abscheu und Verwirrung erlebt hatte.

Mit den Himbeerbonbons und den Goldnüssen kam die Erinnerung an die besonderen „Spiele“ wieder. Der Mann hatte mir sein erigiertes Glied durch die Gitterstäbe meines Bettes zum Spielen gegeben. Nachdem ich dieses „Spielzeug“ untersucht hatte und ich nicht viel damit anfangen konnte, war es für mich uninteressant. Die Aufforderung „Nun mach schon!“ bedeutete offensichtlich, dass ich das „Spielzeug“ wieder anfassen sollte. Er hatte währenddessen seine Hand zwischen meinen Beinen und versuchte meine Klitoris zu stimulieren. Die Art und Weise seiner Berührungen bereitete mir aber Schmerzen, und je erregter er war, umso gröber fielen seine Manipulationen aus.

Damals, 1950 bis 1962, vielleicht auch noch länger, gab es auch in diesem Krankenhaus feste Besuchszeiten; Sonntag und Mittwoch von 15.00 bis 17.00 Uhr. Auf diese Zeiten wurde peinlich genau geachtet. Die kleinen Kinder durften keinen persönlichen Besuch bekommen. Deshalb durften Verwandte nur durch die Scheibe in der Tür ihre Kinder anschauen. Offizielle Erklärung dafür: Die Gefahr sei zu groß, dass Besucher Infektionskrankheiten mitbringen. Außerdem, so hieß es, könnten die Kinder Heimweh bekommen und wieder anfangen zu weinen.

Wenn kleine Kinder merken, dass auf ihr Weinen, Schreien und Rufen nichts folgt – dass niemand kommt, niemand sie tröstet oder auf den Arm nimmt –, geben sie es auf. Sie lernen dabei, dass niemand für sie da ist. Die Hoffnungslosigkeit, die sich dann ausbreiten kann – bei René Spitz (3) als Hospitalismussyndrom beschrieben kann selbst ohne weitere Erkrankung schon zum Tod führen.

Ich musste alles in allem vier Monate in dem Fachkrankenhaus zubringen. Als ich entlassen wurde, hatte ich es nicht leicht, mich zu Hause bei meiner Familie wieder einzuleben. Meine Eltern waren ratlos, unter anderem auch, weil ich nicht „aufs Töpfchen“ konnte. Sie berichteten, ich sei völlig verändert gewesen noch mehr als nach dem ersten Krankenhausaufenthalt.

Ich erinnere mich, dass ich in der Zinkwanne mit warmem Wasser auf dem Topf saß. Die Maßnahme sollte bewirken, dass ich endlich wieder Stuhlgang bekam. Diese Erinnerung ist mit sehr mutlosen, traurigen Gefühlen verbunden. Verdauung war mir wirklich scheißegal. Äpfel durfte ich nicht essen, weil sie die Verstopfung noch hätten verschlimmern können.

Vier Monate! Nach so langer Zeit sind die bis dahin Vertrauten für ein Kleinkind „gestorben“. Der Boden ist ihm unter den Füßen weggerissen. Zum ersten Trauma, dem Aufenthalt auf der Isolierstation, waren weitere Traumata hinzugekommen.

Meine Neugier auf Unbekanntes war mit schmerzlichen Erfahrungen kuriert. Die Zeit der behüteten Kindheit mit emotionaler Sicherheit, Grundvertrauen und Unbeschwertheit war vorbei. Das Gefühl, alleingelassen, „verraten und verkauft“, Fremden ausgeliefert, nicht mehr geliebt und geschützt zu sein, war übermächtig.

Ich war kaum 14 Tage zu Hause, da wurden bei mir und meiner Schwester Theresia Scharlach (4) festgestellt. Also musste ich wieder ins Krankenhaus, dieses Mal mit meiner Schwester zusammen, für sechs Wochen.

Auch aus dieser Zeit habe ich noch einige Erinnerungen: Auf dem Arm einer Schwester zu sein und in einem Bett zu liegen, mit dem Kopfende des Bettes zum Fenster. Die gelbe Seife, nach der es im Krankenzimmer roch, habe ich später, als ich in einer Drogerie arbeitete, sofort wiedererkannt – es war „4711 Toska“. Auch andere Kinder waren in diesem Krankenzimmer, aber wir hatten keinen Kontakt zueinander. Meine Schwester habe ich dort nicht wahrgenommen. Jedes Kind lag in seinem Bett, an gemeinsames Spielen kann ich mich nicht erinnern.

Während meiner Psychoanalyse erinnerte mich an einen warmen Sommertag im Jahre 1951:

Ich bin wieder zu Hause. Das Fenster steht offen. Etwas unterhalb des Fensters ist das Dach der Waschküche. Von dort geht es einige Meter steil hinunter in den Garten. Ich weiß, ich brauche nur aus dem Fenster zu klettern, dann ist alles gut – dann ist alles zu Ende. Es ist nicht schwer, auf die Fensterbank zu kommen, ich schaffe das! Ich muss nur hochsteigen, mich ein bisschen hochziehen - und das mache ich auch. Ich sitze auf der Fensterbank, die Sonne scheint, und ich muss nur rausklettern!

Dem vorausgegangen war, dass ich plötzlich Schwierigkeiten bekam, an dem Fenster in der Praxis meines Analytikers – in der dritten Etage – vorbeizukommen. Ich war schon zigmal an diesem Fenster vorbeigegangen, aber nun befiel mich eine seltsame Panik. Mein Analytiker fragte, was denn mit dem Fenster sei, ob es schon mal ein besonderes Fenster gegeben habe. Ich erinnerte mich sofort an das Fenster im Schlafzimmer und berichtete davon. Er fragte mich, warum dieses Kind auf die Fensterbank krabbelt, wie es sich fühlt?

„Dann wäre endlich Schluss! Das muss gut sein! Dann ist es vorbei mit dem Töpfchen, dem Elektrisieren und allem, was ich nicht will. Dann habe ich Ruhe, dann tut mir niemand mehr weh! Warum klettere ich nicht raus? Es ist niemand da, der mich aufhalten könnte. Warum mache ich es nicht? – Heute noch nicht! Aber wenn es wieder zu schlimm ist, kann ich es tun. Heute scheint die Sonne!“

Ein dreijähriges Kind hätte sicher nicht so eine Antwort gegeben, aber als Erwachsene konnte ich die Gemütslage des kleinen Mädchens in Worte fassen.

Im Mai 1951 fotografierte mich mein Vater auf dem Balkon der Kinderstation. Einige Zeit später wurde ich nach Hause entlassen. Meine Mutter und eine Bekannte berichteten, dass ich auffällig verändert war. Mit der Zeit habe ich mich zuhause wohl eingelebt, aber die erste Zeit, also im Sommer 1951 war ich sehr mutlos. Im Sommer darauf ging es mir wahrscheinlich wieder besser. Und da bin ich sicher nicht mehr auf die Idee gekommen, auszusteigen.

Der schicksalhafte Kuss

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