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Die Rückkehr

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Er kreisch­te, schrie und heul­te.

Die Flam­men, die der Dolch ver­ur­sacht hat­te, brann­ten auf ihm und in ihm. Er fiel in bo­den­lo­se Tie­fen, wäh­rend sein Kör­per im­mer wie­der gegen fel­si­ges Ge­stein prall­te, was ihm zu­sätz­li­che Schmer­zen be­rei­te­te. Pech­schwar­ze Fins­ter­nis war rund um ihn. Er spür­te wie die Ener­gie, die ihn mit der Men­schen­welt ver­band, schwä­cher wur­de, bis die Ban­de völ­lig zer­ris­sen.

End­lich schlug er hart auf stei­ni­gem Bo­den auf. Er über­schlug sich ei­ni­ge Ma­le, bis er schließ­lich end­gül­tig zum lie­gen kam. Er hus­te­te in der stau­bi­gen Hit­ze, die ihn um­gab. Er fühl­te sich zu elend die Au­gen zu öff­nen. Er wuss­te auch so, dass er an­ge­kom­men war, wo er hin­ge­hör­te.

Er war in der Vor­welt, der Höl­le. Er war zu Hau­se.

Die­se Höl­le hat­te nichts zu tun, mit der christ­li­chen Vor­stel­lung der Höl­le, mit dem Teu­fel oder dem Fe­ge­feu­er. Das wa­ren arm­se­li­ge Sy­no­ny­me für die Vor­welt. Sie war weit­aus äl­ter und schreck­li­cher.

Schrit­te wur­den hör­bar. Je­mand kam auf ihn zu und blieb vor ihm ste­hen.

Als er sich we­der rühr­te, noch die Au­gen öff­ne­te, stieß ihn die Spit­ze eines Stie­fels un­sanft in die Sei­te. Blin­zelnd öff­ne­te er einen Spalt breit sei­ne Au­gen.

Vor ihm stand eine Frau von dä­mo­ni­scher Schön­heit. Sie hat­te blon­des lan­ges Haar, ein fei­nes eben­mä­ßi­ges Ge­sicht und jett­schwar­ze fun­keln­de Au­gen. Trotz der schwar­zen Kut­te, die sie trug, war ihre schlan­ke, stäh­ler­ne Fi­gur er­kenn­bar.

Er schloss ent­mu­tigt wie­der sei­ne Au­gen, als er sie er­kann­te. Lo­re­da­na Xul.

Die Xul wa­ren Dä­mo­nen­fürs­ten. Sie herrsch­ten über die­sen Teil der Vor­welt. Lo­re­danas Bru­der, Cor­bi­ni­an, war der re­gie­ren­de Fürst.

Die Dä­mo­nen-Fa­mi­lie der Yaks, zu der auch er ge­hör­te, wa­ren den Xul ab­so­lu­ten Ge­hor­sam schul­dig. Er war ab­trün­nig ge­wor­den und hat­te von Macht­hun­ger ge­trie­ben, mit einem rang­nied­ri­ge­ren An­ge­hö­ri­gen sei­ner Fa­mi­lie, einen Weg in die Men­schen­welt ge­fun­den.

Er wuss­te, er wür­de hart da­für be­straft wer­den.

»Steh auf!«, fuhr ihn Lo­re­da­na Xul her­risch an und stieß ihn wie­der grob mit ihrem Fuß in die Sei­te.

Er roll­te sich mit einem Kla­ge­laut zu­sam­men. »Tö­te mich gleich hier, mach mich zu einem macht­lo­sen Geist! Wo­zu soll ich noch auf­ste­hen!«, keuch­te er re­sig­niert.

Lo­re­da­na schnaub­te ver­ächt­lich. »Du bist er­bärm­lich Dhe­ros! Wenn es nach mir gin­ge, wür­de ich dich auf der Stel­le ver­nich­ten. Doch mein Bru­der, dein Fürst will dich se­hen. Ge­hor­che!«, zisch­te sie wü­tend und hol­te noch ein­mal mit ihrem Fuß aus.

Er be­eil­te sich, auf die Bei­ne zu kom­men, be­vor ihn noch ein Fuß­tritt traf.

Als er schwan­kend auf­recht stand, wand­te sie sich ab­rupt um und stapf­te mit fes­ten schnel­len Schrit­ten los. Er be­müh­te sich, nicht hin­ter ihr zu­rück­zu­blei­ben. Er wuss­te, er wür­de es be­reu­en, wenn er ihren Zorn er­reg­te.

Dhe­ros füg­te sich in sein Schick­sal. Was im­mer Cor­bi­ni­an für ihn be­schlos­sen hat­te, es gab kein Ent­rin­nen. Hier gab es kei­ne Gna­de, kei­ne Nach­sicht, kein Mit­ge­fühl, nur Macht und Ge­hor­sam. Sie wa­ren in der Höl­le …


Cor­bi­ni­an sass auf dem mäch­ti­gen schwar­zen Thron. Sei­ne Au­gen glüh­ten wie Koh­len. Er trank ein Ge­bräu aus einem wuch­ti­gen Be­cher, das bei je­dem Schluck rauch­te und zisch­te. Hin­ter ihm brann­te ein rie­si­ges Feu­er, und ein ge­sichts­lo­ses Ge­schöpf in einer schwar­zen Kut­te leg­te mas­si­ge Holz­schei­te nach.

Cor­bi­ni­an hör­te die lau­ten Schrit­te sei­ner Schwes­ter, be­vor sie mit Schwung den Raum be­trat. Ihr folg­te der furcht­sam hin­ter­her­has­peln­de Yak.

Ein Lä­cheln der Ge­nug­tu­ung und Vor­freu­de um­spiel­te die Lip­pen des Dä­mo­nen­fürs­ten, als Lo­re­da­na hin­ter sich griff, Dhe­ros am Ge­nick pack­te und zu Bo­den stieß, so­dass er auf den Kni­en lag vor sei­nem Herr­scher.

»Hier brin­ge ich dir die­sen Ab­schaum, Bru­der, der es ge­wagt hat sich dir zu wi­der­set­zen.«

Dhe­ros at­me­te ängst­lich und wag­te nicht sei­nen Blick zu heben, als Cor­bi­ni­an sich lang­sam er­hob und um den Kni­en­den he­rum schritt. »So sieht al­so ein Wurm aus. Ein Wurm, der glaub­te, er könn­te ein Herr­scher sein. Sag dum­mer Yak, was hast du dir nur da­bei ge­dacht?«

Cor­bi­ni­ans Stim­me klang fast sanft, doch Dhe­ros ließ sich nicht täu­schen. Er wuss­te, wie ge­fähr­lich es war, sich sei­nem Herrn zu wi­der­set­zen und dass auf die­sen Ver­rat der Tod stand.

Den­noch winsel­te er los. »Gna­de, mein Ge­bie­ter. Ja, es war gren­zen­los dumm von mir, dass ich ver­sucht ha­be die­se Welt zu ver­las­sen, doch ich be­reue die­sen Feh­ler zu­tiefst.«

Cor­bi­ni­an ließ ein schnau­ben­des kur­zes La­chen hö­ren. »Dei­ne Reue kommt et­was spät. Hät­ten die Men­schen dich nicht zu­rück­ge­jagt, so wür­dest du jetzt be­reits Sie­ges­ge­heul hö­ren las­sen, wenn du dei­ne Herr­schaft er­rich­tet hät­test in ihrer Welt.«

»Es wa­ren nicht nur Men­schen, die mich ver­trie­ben ha­ben. Sie hat­ten Unter­stüt­zung durch einen Shar­gaz (Voll­stre­cker) der gol­de­nen Göt­tin, der mich zu­rück­schick­te.«

Der Dä­mo­nen­fürst run­zel­te ver­wun­dert sei­ne Stirn. »Die gol­de­ne Göt­tin hat einen Shar­gaz ge­sandt, um dich un­schäd­lich zu ma­chen?«

Der Yak nick­te eif­rig mit ge­senk­tem Kopf. »Ein Shar­gaz stand den Men­schen zur Sei­te und Vam­pi­re ha­ben ih­nen ge­hol­fen. Be­son­ders ein Vam­pir. Er war stän­dig an der Sei­te des Shar­gaz.«

Nun war Cor­bi­ni­an wirk­lich ver­blüfft. Er wech­sel­te einen fra­gen­den Blick mit Lo­re­da­na, die zuck­te je­doch nur mit den Schul­tern, als Zei­chen ihrer Un­wis­sen­heit.

Cor­bi­ni­an kehr­te lang­sam zu sei­nem Thron zu­rück, ließ sich nach­denk­lich da­rauf nie­der und nahm einen Schluck sei­nes zi­schen­den Ge­trän­kes. Dhe­ros wag­te kaum, zu at­men, und war­te­te in ner­vö­ser An­span­nung ab, was nun ge­sche­hen wür­de.

»Be­rich­te mir Al­les. Von dei­ner Flucht an­ge­fan­gen bis zu dei­ner Rück­kehr hier­her.«

Der Yak schöpf­te ein we­nig Hoff­nung, schluck­te und er­zähl­te al­le Ein­zel­hei­ten. Wie er ge­flo­hen war aus der Vor­welt. Wie er sein Un­we­sen trieb in der Welt der Men­schen, in der Zeit eine Rol­le spiel­te, und sei­ne Un­ta­ten 4000 Men­schen­jah­re zu­rück­la­gen. Von den Ma­giern, die ihn dort schließ­lich ge­fan­gen hat­ten und in ein fer­nes Land brach­ten, eine öde Wild­nis, in der sie ein ma­gi­sches Grab aus Stein er­rich­te­ten und ihn mit den Wor­ten der Macht bann­ten. Den Wor­ten des gol­de­nen Tem­pels von Uruk.

Er ver­schwieg, wie lang­wei­lig die Ge­fan­gen­schaft in dem en­gen Grab­mal ge­we­sen war, nur in Ge­sell­schaft die­ses Töl­pels, des an­de­ren Yak, der weit unter ihm stand im Ge­fü­ge ihrer Fa­mi­lie. Er wuss­te, das wür­de Cor­bi­ni­an nicht in­te­res­sie­ren und nur sei­nen Zorn er­re­gen.

Er be­rich­te­te da­von, wie ein Mensch nach vie­len tau­send Jah­ren das Grab, in dem er ge­fan­gen war, ge­öff­net hat­te und er da­raus ent­kam. Fast wä­re er tat­säch­lich frei ge­we­sen, doch be­vor das ge­sche­hen konn­te, kam der Shar­gaz, der gol­de­nen Göt­tin und er lan­de­te wie­der hier in der Höl­le.

Als er sei­ne Ge­schich­te be­en­det hat­te, brei­te­te sich Stil­le aus, in der nur das Pras­seln des Feu­ers zu hö­ren war. Die Stil­le dau­er­te so lan­ge an, dass er über­leg­te ob er es wa­gen konn­te sei­nen Kopf zu heben und sei­nen Herrn an­zu­schau­en. Fast woll­te er es tun, als er Cor­bi­ni­ans Stim­me ver­nahm.

»An­schei­nend ist heu­te dein Glücks­tag. Du darfst noch eine Wei­le dein arm­se­li­ges Da­sein fris­ten.«

Cor­bi­ni­an schnipp­te mit den Fin­gern und aus der Dun­kel­heit hin­ter ihm tra­ten zwei ge­sichts­lo­se Krea­tu­ren in schwar­zen Kut­ten, die Dhe­ros er­grif­fen und auf die Bei­ne stell­ten. Der Yak ließ den Kopf noch im­mer ge­senkt und wag­te nicht Cor­bi­ni­an an­zu­schau­en. Schlaff vor Er­leich­te­rung hing er in den Ar­men sei­ner Be­wa­cher und ließ sich wi­der­stands­los weg­schlei­fen.

Sie war­fen ihn in ein stei­ner­nes Ver­lies und die schwe­re Eisen­tür fiel kra­chend hin­ter ihm zu. Er konn­te hö­ren, wie ein mas­si­ver Rie­gel vor­ge­scho­ben wur­de. Kraft­los ließ er sich zu Bo­den sin­ken.

Er war sei­nem end­gül­ti­gen Tod vor­erst ent­gan­gen. Wie­der war er ein Ge­fan­ge­ner. Aber er leb­te noch und das war ihm im Mo­ment ge­nug.


Cor­bi­ni­an grü­bel­te über das nach, was der Yak er­zählt hat­te. »Sie schickt al­so einen Shar­gaz, für die­sen Dumm­kopf. Und bit­te seit wann gibt es wie­der Vam­pi­re in der Men­schen­welt? Und wa­rum in drei Teu­fels Na­men arbei­ten die mit einer Ge­sand­ten des Lichts zu­sam­men?«

Lo­re­da­na zuck­te wie­der die Schul­tern. »Kei­ne Ah­nung? Soll­te uns das in­te­res­sie­ren? Wa­rum tö­test du die­sen Idio­ten nicht?«

Cor­bi­ni­an schüt­tel­te ta­delnd den Kopf und schnalz­te mit der Zun­ge. »Du bist zwar mei­ne Schwes­ter, aber Ver­stand wur­de an­schei­nend nur mir zu­teil.«

Sie press­te ver­dros­sen die Lip­pen auf­ei­nan­der, er­wi­der­te aber nichts.

»So ist es an mir nach­zu­den­ken und klu­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, du hast nur zu ge­hor­chen.« Cor­bi­ni­an sonn­te sich ger­ne in sei­ner Ei­tel­keit.

»Hin­ter der Rück­kehr des Yaks steckt mehr, das kann ich förm­lich rie­chen. Of­fen­bar blie­ben die Vam­pi­re un­ge­scho­ren, sonst hät­ten sie dem Shar­gaz nicht ge­hol­fen. Ich frag mich wa­rum. Und wa­rum sind ein Shar­gaz der gol­de­nen Göt­tin und ein Vam­pir plötz­lich Freun­de? Nein, nein Schwes­ter, glaub mir! Das stinkt ge­wal­tig.«

»Ja, mag sein. Was küm­mert es uns? Und wa­rum lässt du Dhe­ros am Le­ben? Er hat dir doch schon er­zählt, was er weiß.«

Cor­bi­ni­an stand mit Schwung von sei­nem Thron auf und um­kreis­te sei­ne Schwes­ter. Sie fühl­te sich nicht wohl da­bei und warf ihm einen miss­bil­li­gen­den Blick zu.

»Mich küm­mert es, denn ich bin wei­se und klug.« Lo­re­da­na ver­dreh­te ihre Au­gen, we­gen sei­ner Selbst­herr­lich­keit.

»Dhe­ros lebt noch, weil ich ihn viel­leicht noch ge­brau­chen kann.«

Er blieb vor ihr ste­hen und tipp­te ihr mit aus­ge­streck­ten Fin­ger auf die Schul­ter.

»Du hast je­doch eine Auf­ga­be: Fin­de he­raus, wer die­ser Vam­pir ist, den der Shar­gaz be­vor­zug­te. Mal se­hen, ob die gol­de­ne Göt­tin ein In­te­res­se an ihm hat. Das wä­re ja ge­ra­de­zu ein Licht­vam­pir. Die­se Be­zeich­nung ge­fällt mir – der Vam­pir des Lichts.«

Er lä­chel­te selbst­ge­fäl­lig über sei­nen ge­lun­ge­nen Ein­fall, dem Vam­pir einen wi­der­sprüch­li­chen Ti­tel ver­lie­hen zu ha­ben.

Lo­re­da­na ver­dreh­te kopf­schüt­telnd hin­ter sei­nem Rü­cken die Au­gen.

Götterfunken- sieben Höllen

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