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Vorwelt, Heim der Hexen

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Es war kein Ort, an dem ein le­ben­der Mensch sein woll­te. Er war düs­ter, feind­lich und un­heim­lich.

Im Gegen­satz zu der Mei­nung je­ner, die er zu­rück­ge­las­sen hat­te, war er je­doch kei­nes­wegs un­frei­wil­lig an die­sem Ort.

Den­noch war er ge­fan­gen in die­ser Welt un­fä­hig, sie oh­ne Hil­fe wie­der zu ver­las­sen.

Er war­te­te schon lan­ge auf eine Ge­le­gen­heit, die Macht an sich zu rei­ßen. Doch Zeit spiel­te hier kei­ne Rol­le.

Schon als Mensch war er macht­hung­rig ge­we­sen, auch wenn er die­se Ge­lüs­te gut zu ver­ber­gen wuss­te, hin­ter sei­ner Mas­ke schein­bar freund­li­cher Be­schei­den­heit.

O ja! Er hat­te die­se Rol­le sehr gut ge­spielt!

Vor der Frau, die ihn lieb­te, die dach­te, er wür­de sie an­be­ten, wäh­rend sie ihn nur lang­weil­te, vor ihrem ge­fühls­du­se­li­gen Bru­der, der in sei­ner ein­fäl­ti­gen Be­ses­sen­heit für eine Ge­lieb­te aus einem frü­he­ren Le­ben, sei­ne Mensch­lich­keit auf­ge­ge­ben und zu einem Vam­pir ge­wor­den war.

Für sie al­le war er der net­te Land­jun­ker ge­we­sen, den sie in ihm se­hen woll­ten.

Er hat­te sie al­le ge­täuscht. Nie­mand er­kann­te sein wah­res Ich. Nie­mand wuss­te von sei­nem bren­nen­den Ehr­geiz, von sei­nem un­still­ba­ren Ver­lan­gen zu herr­schen.

Von Kind­heit an hat­te er ge­lernt, sei­ne Ab­sich­ten zu ver­ber­gen. Er lern­te zu schwei­gen, über die Din­ge, die ihm schon in jun­gen Jah­ren von sei­ner Er­zie­he­rin bei­ge­bracht wor­den wa­ren. Dunk­le Din­ge.

Er er­lern­te von klein auf ma­gi­sche Prak­ti­ken und er war ta­len­tiert. Die Frau, die ihn er­zo­gen hat­te, er­zähl­te ihm die Wahr­heit über sei­ne Ab­stam­mung.

Er war der Nach­kom­me eines mäch­ti­gen Hexen­ge­schlechts, das im Ver­bor­ge­nen seit Jahr­hun­der­ten ihre dunk­le Ma­gie aus­üb­te.

Nur sei­ne El­tern wa­ren an­ders ge­we­sen. Sie woll­ten wie nor­ma­le Men­schen le­ben und ver­such­ten, jeg­li­ches Wis­sen über Zau­be­rei von ihm fern­zu­hal­ten.

Sie ahn­ten nicht, dass die Er­zie­he­rin, die sie für ihren Sohn ein­stell­ten, ihrem Wunsch ent­gegen­wirk­te. Sie sorg­te da­für, dass er sich be­wusst wur­de, wel­ches Er­be er in sich trug.

Er war über die­se Ent­wick­lung nicht un­glück­lich. Eif­rig be­schäf­tig­te er sich vie­le Jah­re mit den ge­heim­nis­vol­len Wis­sen­schaf­ten und ver­such­te, das Tor zu an­de­ren Wel­ten zu öff­nen.

Längst wuss­te er aus al­ten Schrif­ten, dass er für einen sol­chen Zau­ber Vam­pir­blut be­nö­tig­te. Doch ganz gleich wie viel er such­te und forsch­te, es gab kei­ne Vam­pi­re.

Bis zu je­nem glück­li­chen Tag, an dem in der eige­nen Fa­mi­lie, sein Schwa­ger zu einem wur­de.

Heim­lich zapf­te er ihm Blut ab, um das Ri­tual zu voll­brin­gen, das ihm ein Tor in eine an­de­re Welt öff­nen konn­te.

Er gönn­te sich sei­ne per­sön­li­che Ge­nug­tu­ung, als er den ar­ro­gan­ten Ein­falts­pinsel so­gar da­ran teil­neh­men ließ, um ihm die Schmach der Mit­schuld, an sei­nem Ver­schwin­den, auf­zu­bürden.

Selbst jetzt muss­te er lä­cheln, bei dem Ge­dan­ken da­ran. Ge­nüss­lich stell­te er sich das Ent­set­zen vor, dass er aus­ge­löst ha­ben muss­te, als er ein­fach wie vom Erd­bo­den ver­schluckt, ver­schwun­den war.

Als er sein Ziel er­reich­te und in die Vor­welt ein­ge­drun­gen war, stand er vor einer wei­te­ren Ent­schei­dung. Als le­ben­der Mensch war er nicht da­zu aus­erse­hen in der Höl­le zu sein.

Der Meis­ter al­ler Hexen, der ihn recht wohl­wol­lend in Emp­fang nahm, bot ihm an, sei­ne See­le die­ser Welt zu ver­pfän­den. So­mit wur­de er zu einem Ge­schöpf der Vor­welt, zu einem Dä­mon und konn­te blei­ben.

Oh­ne zu zö­gern, nahm er an. Er war nicht so weit ge­kom­men, um jetzt zu schei­tern.

Es war ihm nicht schlecht er­gan­gen bei den Hexen. Sie wa­ren neu­gie­rig und such­ten sei­ne Ge­sell­schaft, wenn auch nie­mand ver­ste­hen konn­te, wa­rum er frei­wil­lig in die Vor­welt, die Höl­le ge­kom­men war.

Er er­klär­te es mit sei­ner Wiss­be­gie­rig­keit. Er woll­te al­les ler­nen, al­les er­fah­ren. Er hat­te den Ehr­geiz der größ­te Hexer al­ler Zei­ten zu wer­den.

Da­mit lös­te er Ge­läch­ter aus, bei dem Hexen­meis­ter und al­len an­de­ren Hexen und Hexern.

»Wis­sen kannst du hier wohl fin­den. Ler­nen kannst du al­les, was mit Ma­gie zu tun hat. Doch wo willst du die­ses Wis­sen an­wen­den? Hier? Ma­gie ver­leiht dir Macht in der Men­schen­welt. Al­le Din­ge, die du dort be­gehrst, kannst du mit Ma­gie er­rei­chen. Doch hier sind die­se Din­ge nicht von Be­deu­tung.«

Er hat­te den Meis­ter ver­blüfft an­ge­se­hen. »Dann ler­ne ich al­les und keh­re wie­der zu­rück.« Sei­ne Wor­te lös­ten wie­der schal­len­des La­chen bei al­len An­we­sen­den aus.

Er sah den Meis­ter fra­gend an. Der nick­te mit spöt­ti­schem Lä­cheln. »Ge­nau das kannst du nicht mehr. Du ge­hörst jetzt zur Vor­welt. Wer ein­mal hier ist, bleibt auch hier.«

Er hat­te nicht ge­ant­wor­tet, nur still in sich hi­nein­ge­lä­chelt.

Hier blei­ben, für im­mer? Das kam für ihn nicht in Fra­ge. Er hat­te vor­ge­sorgt, in­dem er bei sei­nem Über­tritt in die Vor­welt den erst­bes­ten Gegen­stand den er in die­ser Welt er­blick­te durch das sich schlie­ßen­de Tor in die Men­schen­welt warf: Es war ein Dolch. Dass es ein me­ren­gi­scher Dolch war, der Dä­mo­nen zu tö­ten ver­moch­te, ahn­te er da­mals nicht.

Er wuss­te nur, dass er da­mit einen Platz­hal­ter für sei­ne Exis­tenz in der Men­schen­welt ver­an­kert hat­te. Der Dolch wür­de ihm er­mög­li­chen wie­der in sei­ne Welt zu­rück­zu­keh­ren und dort von sei­ner Macht Ge­brauch zu ma­chen.

Doch erst ein­mal muss­te er ein mäch­ti­ger Hexer wer­den. Al­so mach­te er sich da­ran al­les zu er­ler­nen, zu er­fah­ren, was es an ma­gi­schem Wis­sen gab. Es gab eine gan­ze Men­ge.

Bei all sei­ner Ge­lehr­sam­keit fehl­te ihm je­doch eine Mög­lich­keit, das Er­lern­te prak­tisch an­zu­wen­den.

Er wuss­te nun, wie er sich un­end­li­chen Reich­tum ver­schaf­fen konn­te. Es stand in sei­ner Macht, Lie­be für ihn zu er­we­cken in al­len Ge­schöp­fen. Er kann­te den Zau­ber für ewi­ge Ju­gend und Ge­sund­heit.

Nichts von all dem brauch­te er an dem Ort, an dem er sich be­fand.

Er al­ter­te nicht, denn Zeit war nicht exis­tent. Krank­hei­ten gab es eben­so we­nig. Reich­tum er­gab sich im­mer nur aus dem Gegen­wert von Be­gehr­lich­kei­ten. Aber er ver­spür­te kei­ne Be­gier­de, et­was zu be­sit­zen. Er hat­te auch kein Ver­lan­gen nach Zu­nei­gung oder Lie­be.

Al­les was ihm blieb, war Lan­ge­wei­le. Of­fen­bar war es die größ­te Höl­len­qual, denn unter ihr hat­ten sie al­le zu lei­den.

Er fand es an der Zeit, wie­der in die Men­schen­welt zu­rück­zu­keh­ren. Doch sein ur­sprüng­li­cher Plan war ver­eitelt wor­den, durch un­glück­li­che Um­stän­de.

Der me­ren­gi­sche Dolch, den er in die Men­schen­welt ge­wor­fen hat­te, da­mit er als Platz­hal­ter für sei­ne Exis­tenz dien­te, war nun in die Göt­ter­welt ge­langt. Er hat­te da­mit sei­nen Platz in der Welt der Men­schen ver­lo­ren.

Das bren­nen­de Ver­lan­gen, mäch­tig zu sein, und zu herr­schen war je­doch un­ge­bro­chen in ihm. Aber hier gab es fest ge­füg­te Struk­tu­ren. Es gab einen Herrn, den Meis­ter der Hexen und kei­ner von den an­de­ren hät­te je da­ran ge­dacht, des­sen Platz ein­zu­neh­men. Sie kann­ten nur die­se Welt und hier stand je­der an dem Platz, der ihm zu­ge­teilt war.

In sei­nem maß­lo­sen Ehr­geiz, keim­te der Wunsch in ihm auf, sich selbst zum Herr­scher der Hexen zu ma­chen. Je län­ger er da­rü­ber nach­dach­te, um­so si­che­rer war er sich: Wenn er schon hier ver­wei­len muss­te, so woll­te er ihr Herr sein. Er woll­te über sie herr­schen, ihr Ge­bie­ter sein, der rang­höchs­te Hexer!

Er hat­te noch einen klei­nen Teil des Vam­pir­blu­tes sei­nes Schwa­gers, durch das er hier­her ge­langt war. Er wür­de den Hexen­meis­ter in einen Vam­pir ver­wan­deln, so konn­te die­ser kein Hexer mehr sein.

Denn es war nicht mög­lich, bei­des zu­gleich zu sein. Ent­we­der war man ein Hexer oder ein Vam­pir.

O ja! Ja er wür­de sich zum Herrn über Le­ben und Tod auf­schwin­gen und die Le­bens­form des Hexen­meis­ters ver­än­dern, um sei­nen Platz ein­zu­neh­men.

Er war­te­te einen güns­ti­gen Zeit­punkt ab, an dem er mit dem Meis­ter al­lei­ne war. Un­ver­hofft stürz­te er sich auf den Über­rasch­ten, flöß­te ihm das Vam­pir­blut ein und brach ihm das Ge­nick.

Der Meis­ter fiel zu Bo­den und rühr­te sich nicht mehr. Die an­de­ren Hexer und Hexen tra­ten zu ih­nen und sa­hen vol­ler Be­stür­zung auf den Hexen­meis­ter, der reg­los da­lag.

»Ich bin ab heu­te eu­er neu­er Meis­ter.« Sei­ne Au­gen fun­kel­ten und er stell­te sich breit­bei­nig vor ih­nen auf. Sie zuck­ten bloß gleich­gül­tig die Schul­tern und wand­ten sich von ihm ab.

Er war ver­blüfft über ihre Re­ak­tion. Als der ehe­ma­li­ge Hexen­meis­ter sich zu rüh­ren be­gann, be­fahl er den Üb­ri­gen, ihn in eine Kam­mer zu brin­gen und dort ein­zu­schlie­ßen.

»Wir sind nicht dei­ne Skla­ven, scher dich selbst um dei­ne An­ge­le­gen­hei­ten«, er­hielt er zur Ant­wort.

Er war wü­tend, doch es blieb ihm nichts an­de­res üb­rig, als den neu­er­wach­ten Vam­pir selbst in eine Kam­mer zu schlei­fen. Die Hexen hat­ten kei­nen Res­pekt vor ihm, und er hat­te kei­ne Macht über sie.

Er war von den Macht­ha­bern der Vor­welt nicht aus­erse­hen An­füh­rer der Hexen zu sein und die Ge­set­ze, die hier herrsch­ten, er­laub­ten ihm nicht, mäch­ti­ger zu sein, als die An­de­ren. Wel­che Iro­nie! Er hat­te den Hexen­meis­ter völ­lig um­sonst in einen Vam­pir ver­wan­delt!

Ab jetzt mie­den ihn die Üb­ri­gen. Sie woll­ten mit ihm nichts mehr zu tun ha­ben. Er war nun ganz für sich al­lei­ne.

Er muss­te un­be­dingt einen Weg fin­den, wie­der in die Welt der Men­schen zu ge­lan­gen. Dort konn­te er sei­nen Hun­ger nach Macht stil­len, denn er war auf­grund sei­nes Wis­sens und sei­ner ma­gi­schen Fä­hig­kei­ten, den ge­wöhn­li­chen Men­schen über­le­gen.

Es gab noch eine an­de­re Mög­lich­keit zu­rück­zu­keh­ren zu den Men­schen, außer sei­nem ur­sprüng­li­chen Plan.

Er brauch­te ein be­son­de­res Op­fer da­für. Einen Vam­pir, der in der Men­schen­welt leb­te.

Sein Blut wür­de der Schlüs­sel zum Öff­nen des Wel­ten­to­res sein.

Nur be­nö­tig­te er all sein Blut, so­dass es den Vam­pir sein un­sterb­li­ches Le­ben kos­ten wür­de und sei­nen end­gül­ti­gen Tod be­deu­te­te.

Sein Ent­schluss war ge­fasst. Er wür­de durch das Op­fern eines Vam­pirs, in die Welt der Men­schen zu­rück­keh­ren.

Sieg­bert Swann wür­de nicht ru­hen, bis er sein Ziel er­reicht hat­te.

Götterfunken- sieben Höllen

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