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X. Das vitale Wesen (Das Vital)

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Es gibt vier Teile des vitalen Wesens – zuerst (1) das mentale Vital, das den Gefühlen, Begierden, Leidenschaften, Erregungen und anderen Bewegungen des vitalen Wesens mit Hilfe von Gedanken, der Sprache und anderem mentalen Ausdruck verleiht; dann (2) das emotionale Vital, das der Sitz verschiedener Gefühle, wie Liebe, Freude, Sorge, Hass usw. ist; (3) das zentrale Vital, das die stärkeren vitalen Sehnsüchte und Reaktionen beherbergt, wie Ehrgeiz, Stolz, Furcht, Neigung zu Ruhm, Angezogen- und Abgestoßensein, Begierden, Leidenschaften aller Art, und den Bereich vieler vitaler Energien; schließlich (4) das niedere Vital, das mit den kleinen Wünschen und Gefühlen beschäftigt ist, die den größeren Teil des täglichen Lebens ausmachen, zum Beispiel das Verlangen nach Nahrung, nach Sex, die kleinen Neigungen und Abneigungen, Eitelkeit, Streit, Ruhmsucht, Ärger bei Tadel, kleine Wünsche aller Art, und ungezählte andere Dinge. Ihre jeweilige Lage ist erstens der Bereich vom Hals bis zum Herzen, zweitens das Herz (es ist ein zweifaches Zentrum, das im Vordergrund dem Emotional und Vital angehört und dahinter der Seele), drittens vom Herz bis zum Nabel, viertens unterhalb des Nabels.

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Es gibt einen Teil der menschlichen Natur, den ich das vitale Mental genannt habe; Aufgabe dieses Mentals ist nicht zu denken oder zu urteilen, Dinge wahrzunehmen, sie zu erwägen, ausfindig zu machen oder einzuschätzen – denn dies ist die eigentliche Aufgabe des denkenden Mentals, buddhi –, sondern zu planen, zu träumen oder sich vorzustellen, was getan werden könnte. Es lässt in sich Gestaltungen für die Zukunft erstehen, und der Wille kann versuchen, sie auszuführen, wenn Gelegenheit und Umstände günstig sind, oder sogar daran arbeiten, sie für sich günstig zu gestalten. Im Menschen der Tat ragt diese Fähigkeit hervor und beherrscht seine Natur; ausgeprägte Tatmenschen besitzen sie immer in hohem Ausmaß. Doch selbst wenn man nicht ein Mensch der Tat oder praktischen Verwirklichung ist, wenn die Umstände ungünstig sind oder man nur kleine und gewöhnliche Dinge tun kann, ist dieses vitale Mental gegenwärtig. Es wirkt dann in nur kleinen Umfang in einem, und wenn es ein Gefühl von Größe braucht, plant es sehr häufig ins Leere, wohl wissend, dass seine Pläne nicht verwirklicht werden können; oder aber es stellt sich große Dinge vor, große Taten, Abenteuer, in denen man selbst der Held oder die auslösende Kraft ist. Das, was in dir vorgeht, ist der Ansturm des vitalen Mentals oder der vitalen Phantasie, die ihre Formen schafft: sein Wirken ist nicht allein für dich kennzeichnend, es wirkt vielmehr auf ähnliche Weise in den meisten Menschen – doch in jedem so wie es seinen Neigungen und Interessen, seinen bevorzugten Ideen oder Wünschen entspricht. Du musst seiner Tätigkeit Herr werden und darfst ihm nicht erlauben, dein Mental zu ergreifen und mit sich fortzureißen, wann und wohin es will. Sobald die ersten Erfahrungen in der Sadhana stattgefunden haben, wird es außerordentlich wichtig, nicht mehr zu dulden, dass diese Macht mit dir tut, was sie will; denn sonst schafft sie falsche Erfahrungen, wie es ihrer Natur entspricht, und weiß den Sadhak zu überzeugen, dass es sich um echte handelt, oder sie formt unwirkliche Gebilde und überredet ihn, dass er diesen folgen soll. Einige wurden von dieser irreführenden Kraft fortgerissen, die, von den Mächten der Falschheit benutzt, diese glauben machte, sie hätten ein großes spirituelles, politisches oder soziales Werk in der Welt zu verrichten, was dann zu Enttäuschung und Versagen führte. Sie erhebt sich deshalb in dir, damit du verstehen lernst, was sie ist, und sie zurückweist. Denn es gibt Verschiedenes, was du aus der vitalen Ebene eliminieren musst, bevor die tieferen oder größeren spirituellen Erfahrungen sicher eintreten oder gefahrlos sich fortsetzen können.

Die Herabkunft des Friedens ist häufig eine der ersten großen positiven Erfahrungen der Sadhana. In diesem Stadium des Friedens wird das normale denkende Mental (buddhi) still oder vermindert den größten Teil seiner Aktivität; sobald dies jedoch der Fall ist, bricht sehr häufig, sofern man nicht auf der Hut ist. das vitale Mental ein, oder aber eine Art von mechanisch-physischem oder ziellosem, unterbewusstem Mental beginnt aufzusteigen und zu wirken; dies stört die Stille am meisten. Oder aber das niedere Vital versucht zu stören; das lässt dann das Ego aufkommen und die Leidenschaften mit ihrem Spiel. All dies sind Anzeichen von Elementen, die man loswerden muss; denn wenn sie fortbestehen, und andere, höhere Mächte herabzukommen beginnen – die [göttliche] Macht und Kraft, das Wissen, die Liebe oder der Ananda –, dann stoßen sie auf diese niederen Dinge, mit dem Ergebnis, dass entweder das höhere Bewusstsein sich zurückzieht oder sein Herabkommen verdeckt und der Impuls, der von ihm ausgeht, für die Zwecke der niederen Natur missbraucht wird. Das ist der Grund, warum viele Sadhaks, nachdem sie große Erfahrungen hatten, in den Griff eines vergrößerten Egos geraten und Opfer von Umwälzungen und Ehrgeiz, übertriebenem Sex-Verlangen oder anderen vitalen Leidenschaften oder Verzerrungen werden. Es ist daher immer gut, wenn der positiven Erfahrung eine vollständige Läuterung des Vitals entweder vorausgeht oder mit ihr Schritt hält, zumindest in Naturen, die ein starkes Vital besitzen.

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Das vitale Mental ist das Mental eines dynamischen (und nicht eines rationalisierenden) Willens und Tuns und Begehrens – es hat etwas mit Kraft zu tun, mit Leistung und Befriedigung, mit Besitzergreifung, mit Freude und Leiden, Geben und Nehmen, mit Wachstum und Ausbreitung, Erfolg und Misserfolg, Glück und Unglück usw. usw.

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Das vitale Denken drückt vitale Regungen aus, das Spiel vitaler Kräfte, es beschäftigt sich mit ihnen, aber nicht frei und unabhängig, wie es das denkende Mental tun kann. Das wahre denkende Mental vermag über den vitalen Regungen zu stehen, sie frei wahrzunehmen, zu beobachten und zu beurteilen, so wie es äußere Dinge beobachten und beurteilen würde. In den meisten Menschen jedoch ist das denkende Mental (die Vernunft) vom vitalen Mental überflutet und nicht frei.

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Die gewöhnliche Aktivität des vitalen Mentals besteht darin, sich immer etwas vorzustellen, zu denken und zu planen, was mit diesem zu tun ist und wie jenes geordnet werden kann. Es hat in der menschlichen Natur, im menschlichen Handeln offenbar seinen Wert, doch handelt es auf eine zufällige und übertriebene Weise, ohne Disziplin, ohne seine Macht einzuteilen, ohne Konzentration auf die Dinge, die wirklich geschehen müssen.

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Was auf diese Weise im Wachen oder Schlafen zu dir kommt, ist charakteristisch für die Vorstellungen des vitalen Mentals, die es über die Dinge, die Arbeit und alles, das sich dem Mental darbietet hat, sowie für seine Art tätig zu sein. Die vitale Phantasie im Menschen ergreift alle diese sich dem Mental darbietenden Dinge und macht sich Vorstellungen, sinnt darüber nach, formt Ideen oder Pläne für die Zukunft usw. usw. Sie hat ihren Nutzen für das Bewusstsein im gewöhnlichen Leben, doch muss sie beruhigt und durch das höhere Wirken im Yoga ersetzt werden. Im Schlaf ist es ebenfalls die vitale Ebene, in die du eintrittst. Die Erfahrungen auf der vitalen Ebene sind, wenn sie richtig gesehen und koordiniert werden, von Wert und vermitteln sowohl ein nützliches Wissen als auch die Kontrolle über das vitale Selbst und die vitale Ebene. Doch die Ursache der Störung ist das, was in unzusammenhängender Weise über das Unterbewusste in dich eindringt. All das muss beruhigt werden, und wir werden versuchen, dass es geschehe. Als ich davon sprach, dass du dich öffnen solltest, meinte ich lediglich, du solltest dir einprägen, dass die Hilfe kommt, und den Willen haben, diese anzunehmen – nicht dass du dich unbedingt um das Sich-Öffnen abmühen solltest.

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Der Ursprung, aus dem diese Phantasien stammen, hat mit Vernunft nichts zu tun und kümmert sich um keine rationalen Einwände. Diese kommen entweder aus dem vitalen Mental, nämlich jener Quelle, aus der all die schönen Phantasien und langen Geschichten stammen, welche die Menschen sich selbst erzählen, in denen sie Helden sind und große Dinge tun; oder aber sie stammen von kleinen Wesenheiten, die mit dem physischen Mental verbunden sind und zufällige Eingebungen irgendwo auflesen und sie dem Mental darbieten, nur um zu sehen, ob sie angenommen werden. Wenn man sich genau beobachtet, kann man erkennen, dass die seltsamsten, außergewöhnlichsten und unsinnigsten Dinge das Mental durchkreuzen, oder auf diese Weise zum Vorschein kommen. Meist lacht man darüber oder bemerkt sie kaum, und diese Dinge fallen in die Welt des unzusammenhängenden Denkens zurück, aus der sie kamen.

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Es ist wiederum das vitale Mental. Es hat kein Gefühl für Proportion oder Maß und will auf einmal etwas Großes erreichen oder sein.

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[Tagträume] All das ist das vitale Mental; die Gewohnheit solcher Vorstellungen ist in jedermann. Es ist nicht sehr wichtig, doch muss man sich davon befreien, da sie das Ego zur Grundlage hat.

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Das vitale Mental kann in einer gewöhnlichen Natur ohne diese Vorstellungen nicht auskommen, und daher besteht die Gewohnheit lange Zeit fort. Sich davon abzulösen und gleichgültig zu werden ist das beste, dann kann es nach einer gewissen Zeit all dem überdrüssig werden und die Gewohnheit fallenlassen.

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Diese Art, geistig zu einer anderen Person zu sprechen, ist durchaus charakteristisch für das vitale Mental. Es ist seine Eigenart, auf der feinstofflichen Ebene auf die Dinge, an denen es interessiert ist, einzuwirken, besonders dann, wenn man die körperliche Tätigkeit eingestellt oder eingeschränkt hat.

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Die Frage des emotionalen und höheren Vitals ist ziemlich schwierig. In einer Einteilung, in welcher das Mental mehr ist als die denkende, wahrnehmende und wollende Vernunft, kann das Emotional als ein Teil des Mentals angesehen werden, nämlich als das Vital im Mental. In einer anderen Einteilung würde man es eher als den Teil der vitalen Natur betrachten, der am meisten mentalisiert ist. Im ersten Fall wird der Ausdruck „Höheres Vital“ auf jene größere Regung der bewussten Lebenskraft angewendet, deren Wirkungsfeld das Erschaffen ist, die Macht, die Kraft, die Besitzergreifung, das Geben und Selbstgeben, das Empfangen aus der Welt zu weiterem Wirken und Verausgaben der Macht, das Sich-Hinauswerfen in die umfassenderen Lebensregungen, die Empfänglichkeit für die größeren Ziele der Natur. In der zweiten Art der Einteilung steht das emotionale Wesen an der Spitze der vitalen Natur, und beide zusammen bilden das höhere Vital. Ihnen steht das niedere Vital gegenüber, das die kleineren Regungen des Handelns und Begehrens umfasst und sich bis hinunter in das Vital-Physische erstreckt, wo es das Leben der mehr äußerlichen Tätigkeiten unterstützt sowie alle körperlichen Gefühlsregungen, Begierden, Sehnsüchte, Befriedigungen. Der Ausdruck „niedriger“ darf nicht in einem herabsetzenden Sinne aufgefasst werden; er bezieht sich lediglich auf die Stellung in der Hierarchie der Ebenen. Denn obgleich dieser Teil in der Natur der Erdenwesen sehr zu Dunkelheit neigt und voller Verzerrungen ist – Lust und Gier aller Art, Eitelkeit, kleiner Ehrgeiz, Ärger, Neid. Eifersucht sind dort normalerweise zu Hause –, hat er dennoch eine andere Seite, die ihn zu einem unerlässlichen Mittler zwischen dem inneren Wesen und dem äußeren Leben macht.

Es stimmt nicht, dass jede seelische Erfahrung sich in einer geläuterten und richtig gelenkten vitalen Strömung verkörpert; dies geschieht, wenn sie sich in einer Tat ausdrücken will. Seelische Erfahrung als solche ist etwas ganz Unabhängiges und besitzt ihre eigenen, charakteristischen Formen. Das seelische Wesen steht hinter allen anderen; seine Kraft ist die wahre Seelenkraft. Doch wenn es hervortritt, vermag es alles Übrige zu durchdringen, und Mental, Vital und das physische Bewusstsein können durch seinen Einfluss geprägt und umgewandelt werden. Wenn die menschliche Natur richtig entwickelt ist, dann hat sowohl das Mental als auch das Vital und Physische eine Seele. Erst wenn diese vorhanden und stark ist, können wir von jemandem sagen, er habe tatsächlich eine Seele. Doch es gibt Menschen, in denen dieses Element so sehr fehlt, dass wir uns an den Glauben halten müssen, wenn wir eine Seele in ihnen vermuten wollen. Das Zentrum des seelischen Wesens liegt hinter dem Zentrum des emotionalen Wesens; das Emotional ist es, das der Seele dynamisch am nächsten steht, und in den meisten Menschen kann die Seele am einfachsten durch das emotionale Zentrum erreicht und mit Hilfe der durchseelten Emotion ausgedrückt werden. Daher wird das eine mit dem anderen von vielen verwechselt, doch liegt eine Welt des Unterschieds zwischen beiden. Die Gefühle sind ihrem Charakter nach normalerweise vital und kein Bestandteil der seelischen Natur.

Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass diese Einteilung für eine psychologische Selbsterkenntnis, Disziplin und Übung zwar unerlässlich ist, am besten aber angewendet werden kann,wenn man sie nicht zu starr und formelhaft auffasst. Denn diese Dinge gehen stark ineinander über, und das Gefühl für die Synthese dieser Mächte ist ebenso notwendig wie die Analyse. So gibt es zum Beispiel überall ein Mental. Das physische Mental befindet sich genau genommen unterhalb des Vitals, und dennoch ist es eine Fortsetzung des eigentlichen Mentals und kann in seinem Bereich durch den direkten Kontakt mit der höheren mentalen Intelligenz wirken. Und es gibt auch ein dunkles Mentals des Körpers, selbst der Zellen, Moleküle und Korpuskeln. Haeckel, der deutsche Materialist, spricht irgendwo vom Willen im Atom; die Wissenschaft, welche in letzter Zeit die unberechenbare, individuell verschiedene Wirkungsweise der Elektronen erforscht, erkennt dunkel, dass dies keine Einbildung ist, sondern der Schatten einer geheimen Wirklichkeit. Dieses Körper-Mental ist eine sehr, spürbare Wahrheit; infolge seiner Dunkelheit, seines mechanischen Anklammerns an vergangene Regungen, seiner schnellen Vergesslichkeit, seiner Zurückweisung des Neuen sehen wir in ihm eines der Haupthindernisse für die Durchdringung durch die supramentale Kraft und für die Umwandlung der Körperfunktionen. Andererseits, wenn es einmal wirksam umgewandelt ist, wird es eines der kostbarsten Instrumente für die Stabilisierung des supramentalen Lichtes und der supramentalen Kraft in der stofflichen Natur sein.

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Es ist nicht möglich, mit einiger Genauigkeit zu sagen, welcher Art der Widerstand in den höheren vitalen Teilen sein und welche Form er annehmen wird, da er in verschiedenen Naturen verschiedene Formen annehmen kann. Es ist ganz normal, dass beinahe an jedem Punkt ein gewisser Widerstand gegen die Herabkunft des höheren Bewusstseins vorhanden sein wird, denn jeder der verschiedenen Teile der gegenwärtigen Natur ist mehr oder weniger an seine eigene, festgefahrene Weise zu sehen, zu handeln und zu fühlen gebunden, an seine Reaktion auf Dinge und an die gewohnten Regungen und Gestaltungen seines eigenen Bereiches, die sich jede Individualität in einem vergangenen oder gegenwärtigen Leben gebildet hat. Was benötigt wird, ist eine allgemeine Plastizität des Mentals, des Vitals, des physischen Bewusstseins, eine Bereitschaft, alles Verhaftetsein an diese Dinge aufzugeben und anzunehmen, was immer das höhere Bewusstsein mit sich herabbringt, wie sehr es auch den bereits vorhandenen Ideen, Gefühlen und Gewohnheiten der Natur zuwiderlaufen mag. Je größer die Plastizität in einem Teil der menschlichen Natur, umso geringer ist der Widerstand dort.

Mit den höheren vitalen Teilen der Natur meine ich das vitale Mental, die emotionale Natur, die Dynamik der Lebenskraft des Wesens. Das vitale Mental ist jener Teil des vitalen Wesens, der baut, plant, sich vorstellt, der Dinge und Gedanken gemäß den Lebensimpulsen ordnet, gemäß den Begierden, dem Machtwillen oder Besitzwillen, dem Willen zur Tat, den Empfindungen, den vitalen Ego-Reaktionen der menschlichen Natur. Es muss unterschieden werden vom Vernunfts-Willen, der die Dinge gemäß den Anordnungen des eigentlichen denkenden Mentals und der unterscheidenden Vernunft ordnet und plant oder gemäß der geistigen Intuition oder einer direkten Einsicht und Meinung. Das vitale Mental gebraucht das Denken, nicht um der Vernunft zu dienen, sondern dem Lebensimpuls, der Lebenskraft, und wenn es die Vernunft zu Hilfe ruft, benützt es diese, damit sie die Anordnungen jener Mächte rechtfertige, und zwingt deren Anordnungen der Vernunft gleichsam auf, anstatt mit Hilfe eines unterscheidenden Willens die Tätigkeit der Lebenskräfte zu beherrschen. Dieses höhere Vital mit all seinen Teilen befindet sich in der Brust und hat seinen Sitz im Herzzentrum, es regiert diesen ganzen Teil bis hinunter zum Nabel. Ich brauche nichts über die emotionale Natur zu sagen, denn ihre Eigenarten und Regungen sind allen bekannt. Vom Nabel abwärts ist es die Herrschaft der vitalen Leidenschaften und Gefühle und all der kleinen Lebensimpulse, die den Hauptbestandteil des gewöhnlichen menschlichen Lebens und Charakters bilden. Dies nennen wir die niedere vitale Natur. Das muladhara-Zentrum ist die Hauptstütze des physischen Bewusstseins und der stofflichen Teile der menschlichen Natur.

Der antaratman ist die Seele, jener Teil des Göttlichen, der die innerste Grundlage der sich entwickelnden Individualität ist; sie stützt Mental, Leben und Körper, die instrumentalen Teile der menschlichen Natur, mit deren Hilfe sie versucht, aus dem stofflich Unbewussten dem göttlichen Licht und der göttlichen Unsterblichkeit, ihrem eigentlichen Wesen entgegenzuwachsen. Die Begrenzung ihrer Instrumente zwingt sie zur Annahme der niederen Regungen und zu einem Kompromiss zwischen Seele und Natur, der jene Bewegung verzögert; sie bezieht jedoch gleichzeitig die Mittel ihres Fortschritts aus diesem Austausch. Das seelische Wesen ist die Seelen-Form oder Seelen-Personalität, die sich mit Hilfe der Evolution entwickelt und von Leben zu Leben wandert, bis alles für die höhere Evolution jenseits der Unwissenheit bereit ist.

Die Verwirklichung des seelischen Wesens, sein Erwachen und Hervortreten hängen hauptsächlich davon ab, inwieweit man eine persönliche Beziehung zum Göttlichen entwickeln kann, eine Beziehung der bhakti, der Liebe, des Vertrauens und Selbstgebens, inwieweit man die Beharrlichkeiten des trennenden und rechthaberischen mentalen, vitalen und physischen Egos zurückweisen kann.

Über die letzte Frage kann ich wenig sagen. Sanatkumar ist, soviel ich weiß, einer der vier geistgeborenen Söhne Brahmans; daher kann er nicht identisch sein mit Skanda, der ein Sohn Shivas ist.

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Das emotionale Wesen ist ein Teil des Vitals.

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Das Herz ist das Zentrum des emotionalen Wesens, und Emotionen sind vitale Regungen. Sobald das Herz geläutert ist, wandeln sich die vitalen Emotionen in seelische Gefühle oder auch in durchseelte vitale Regungen.

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Es können sich reine, wahre Gedanken und Emotionen aus dem menschlichen Mental, dem Herzen und Vital erheben, denn nicht alles ist dort schlecht. Das Herz mag ungeläutert sein, doch bedeutet das nicht, dass alles dort unrein ist.

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Das vitale Mental befindet sich über dem Herzen, doch wenn eine Gefühlsregung aufkommt, so ist das etwas Niedrigeres und nicht etwas Höheres als die Emotion.

Die Gefühlsregung steht dem Physischen viel näher als die Emotion.

Der Ort des Begehrens liegt unterhalb des Herzens im zentralen Vital (Nabel) und im niederen Vital, doch bewegt dieses auch die Emotion und das vitale Mental.

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Ich unterscheide (zwischen niederen vitalen Regungen und den Gefühlen des Herzens), indem ich untersuche, von woher sich diese Dinge erheben. Ärger, Furcht, Eifersucht berühren ohne Zweifel das Herz, genauso wie sie das Mental berühren, doch sie erheben sich aus dem Nabelbereich und den Eingeweiden, also dem niederen oder bestenfalls mittleren Vital. Stevenson beschreibt in einem fesselnden Abschnitt in „Entführt“, wie der Held bemerkt, dass seine Furcht eigentlich nicht aus dem Herzen, sondern aus dem Magen kommt. Liebe und Hoffnung haben ihren ursprünglichen Sitz im Herzen, Mitleid usw. ebenso.

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Freude ist ein vitales Gefühl, genauso wie ihr Gegenteil, als Leid.

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Doch ist es wirklich wahr, dass Ärger, der aus dem niederen Vital stammt und daher dem Körper nahe ist, immer diese Auswirkung zeitigt (nämlich physische Anzeichen, wie Aufwallen in der Brust, Erröten des Gesichtes, usw.)? Natürlich vermag der Psychologe nicht zu erkennen, wenn jemand ärgerlich ist, außer es zeigen sich bei ihm physische Anzeichen; er kann aber auch nicht wissen, was ein Mensch denkt, außer dieser spricht es aus oder schreibt es nieder; folgt nun hieraus, dass der Zustand des Denkens nicht erkannt werden kann, ohne sich im Sprechen oder Schreiben zu äußern? Ein Japaner, daran gewöhnt, all seine Gefühle zu kontrollieren (das erste Anzeichen seines Ärgers ist das Messer in deinem Leib von der Hand eines ruhigen oder lächelnden Mörders), zeigt keines dieser Merkmale, nicht einmal das Aufwallen in der Brust; stattdessen brennt in ihm ein ruhiges Feuer, bis sich sein Ärger in der Tat löst.

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Ein starkes Vital ist ein Vital voller Lebenskraft, das Ehrgeiz besitzt, Mut und große Energie, die Kraft, zu handeln oder zu erschaffen; es besitzt eine weite, umfassende Bewegung, deren Ausdruck Großzügigkeit im Geben ist, Besitzergreifung, Führung und Beherrschung, die Fähigkeit zu erfüllen und zu verwirklichen – es gibt noch viele weitere Formen von vitaler Stärke.

Für ein solches Vital ist es wegen des Gefühls der eigenen Macht oft schwierig, die Hingabe zu vollziehen – doch wenn es hierzu in der Lage ist, wird es zu einem bewunderungswürdigen Instrument für die Göttliche Arbeit.

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Nein, ein schwaches Vital hat nicht die Kraft, die spirituelle Wende zu vollziehen – und da es schwach ist, fällt es leichter unter falsche Beeinflussung; es fällt ihm selbst bei bestem Willen schwer, etwas anzunehmen, das über seine gewohnte Natur hinausgeht. Das starke Vital, wenn es den Willen hat, vermag dies viel leichter – die ihm eigene zentrale Schwierigkeit liegt im Stolz seines Egos und in der Anziehungskraft seiner Macht.

Die Brust hat mehr Verbindung mit der Seele als das Vital. Ein starkes Vital kann einen starken Körper besitzen, doch ebenso oft auch nicht, da es zu sehr vom Körper zehrt, ihn gleichsam aufisst.

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Ich glaube, ich sagte es bereits, ein altes Verlangen bestand im unterbewussten Teil des physischen Vitals fort. So wie es das physische Mental gibt, gibt es auch das physische Vital – ein Vital, das gänzlich physischen Dingen zugewandt ist, voller Wünsche und Gier und Suchen nach Vergnügen auf der physischen Ebene.

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Das physische Vital ist das Wesen der kleinen Begierden und Süchte usw. – das vitale Physische ist das Nervenwesen; beide sind eng miteinander verbunden.

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Das vitale Physische beherrscht all die kleinen täglichen Reaktionen auf äußere Dinge – Reaktionen der Nerven, des Körperbewusstseins und der rückwirkenden Emotionen und Gefühlsregungen; es verursacht viele gewöhnliche Handlungen des Menschen und verbindet sich mit den niederen Teilen des eigentlichen Vitals, um Lust, Eifersucht, Ärger, Heftigkeit zu erzeugen, usw. In seinen niedrigsten Teilen (vital-stofflich) ist es die Ursache des Schmerzes, der physischen Krankheit, usw.

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Ja, sie [das niedere Vital, das physische Vital und das gänzlich stoffliche Vital] können von einem sich weitenden Bewusstsein deutlich erkannt werden. Und all diese Unterscheidungen müssen gemacht werden – andernfalls würde man das niedere Vital oder einen Teil des physischen Vitals beeinflussen oder kontrollieren und dann erstaunt sein, dass etwas Nichtgreifbares, doch offensichtlich Unbesiegbares immer noch Widerstand leistet – es ist das stoffliche Vital mit soviel von allem Übrigen, als dieses durch seinen Widerstand beeinflussen kann.

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Der Nerventeil des Wesens ist ein Teil des Vitals, er ist das Vital-Physische, die Lebenskraft, die eng verstrickt ist mit den Reaktionen, Begierden, Erfordernissen und Gefühlsregungen des Körpers. Das eigentliche Vital ist die Lebenskraft, die ihrer Natur nach in Impulsen und Emotionen, im Fühlen, in den Begierden, im Ehrgeiz usw. wirkt; ihr höchstes Zentrum ist das, was wir das äußere Herz, den Sitz der Emotion nennen würden, während es ein inneres Herz gibt, wo sich die höheren oder seelischen Gefühle und Empfindungen befinden, die Emotionen oder intuitiven Sehnsüchte und die Impulse der Seele. Unser vitaler Teil ist natürlich für unsere Vollständigkeit notwendig, doch ist er nur dann ein wahres Instrument, wenn seine Gefühle und Neigungen durch die seelische Berührung geläutert und vom spirituellen Licht und der spirituellen Macht angenommen und beherrscht werden.

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Ich weiß nichts von einem feinstofflichen Vital. Man spricht vom feinstofflichen Physischen, um es vom grobstofflichen Physischen zu unterscheiden, denn für unsere normale Erfahrung ist alles Physische grob, sthula. Doch das Vital ist seiner Natur nach nicht-stofflich, so dass das Adjektiv feinstofflich überflüssig ist. Mit stofflichem Vital meinen wir das Vital, das derart der Materie involviert ist, dass es an deren Bewegungen und groben physischen Charakter gebunden ist; seine Tätigkeit besteht darin, den Körper zu stützen und anzuregen und in ihm die Fähigkeit aufrechtzuerhalten zu leben, zu wachsen, sich zu bewegen, ebenso seine Sensitivität auf äußere Einwirkungen.

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Diese Frage hat keine praktische Bedeutung – denn die vital-physischen Kräfte können von überall her vom Körper empfangen werden, aus der Umgebung, von darunter oder darüber. Die Anordnung der Ebenen besteht in Beziehung zueinander, nicht in Beziehung zum Körper. In Beziehung zueinander bedeutet, dass das vitale Physische sich unterhalb des physischen Mentals befindet, aber über dem Stofflichen; doch zur gleichen Zeit durchdringen diese Mächte sich gegenseitig.

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Die Körperenergie ist eine Manifestation stofflicher Kräfte, die von der vital-physischen Energie gestützt werden; diese ist die vitale Energie in der Materie und von ihr abhängig.

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Vitalität heißt Lebenskraft – wo immer es Leben gibt, in der Pflanze, im Tier oder im Menschen, gibt es die Lebenskraft; ohne das Vital kann es kein Leben in der Materie und keine lebendige Tat geben. Das Vital ist eine notwendige Kraft, und nichts kann im körperlichen Dasein geschehen, getan oder geschaffen werden, wenn das Vital als Instrument nicht vorhanden ist. Sogar die Sadhana bedarf der vitalen Kraft.

Doch ist das Vital ungeläutert und dem Begehren, der Leidenschaft und dem Ego unterworfen, dann ist es so schädlich, wie es auf der anderen Seite hilfreich sein kann. Selbst im gewöhnlichen Leben muss das Vital vom Mental und dem mentalen Willen überwacht werden, andernfalls bringt es Unordnung und Unheil. Wenn die Leute von einem vitalen Menschen sprechen, meinen sie jemanden, der von einer vom Mental oder Spirit nicht kontrollierten Kraft beherrscht wird. Das Vital kann ein gutes Instrument sein, doch ist es ein schlechter Meister.

Das Vital darf nicht abgetötet oder zerstört werden, es muss durch seelische und spirituelle Kontrolle geläutert und umgewandelt werden.

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Das Physische ist bei jedem Schritt vom Vital abhängig, es könnte nichts tun ohne die Hilfe des Vitals, daher ist es ganz natürlich, dass es seine Eingebungen empfängt.

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Physisches Leben kann ohne Körper nicht bestehen, noch kann der Körper ohne Lebenskraft leben; doch Leben als solches hat ein gesondertes Dasein und einen eigenen, gesonderten Körper, den Vital-Körper, genau wie das Mental ein gesondertes Dasein hat und auf seiner eigenen Ebene bestehen kann. Das ganze Gefüge wird zusammengehalten durch die Seele, die alles stützt.

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Briefe über den Yoga

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