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XII. Das Unterbewusste, das Unbewusste

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In unserem Yoga meinen wir mit dem Unterbewussten jenen ganz versunkenen Teil unseres Wesens, in dem es keinen wachbewussten, zusammenhängenden Gedanken und Willen, keine Empfindung oder geordnete Reaktion gibt und der dennoch dunkel die Eindrücke aller Dinge empfängt und sie in sich speichert; aus ihm können auch alle Arten von Reizen, von beharrlichen, gewohnheitsmäßigen Regungen unverarbeitet wiederholt oder in fremdartige Formen verkleidet in den Traum oder die Wachnatur auftauchen. Denn wenn diese Eindrücke in den Traum aufsteigen können, meist in unzusammenhängender und ungeordneter Weise, können sie ebenfalls in unser Wachbewusstsein aufsteigen – was sie auch tun –, und zwar als mechanische Wiederholung vergangener Gedanken, vergangener mentaler, vitaler und physischer Gewohnheiten oder als verborgener Anreiz für Erregungen, Tätigkeiten und Gefühle, die ihren Ursprung nicht in unserem bewussten Denken oder Willen haben oder aus ihnen hervorgehen, sondern vielmehr ihren Vorstellungen, Neigungen oder Anordnungen häufig entgegengesetzt sind. Das Unterbewusste hat ein dunkles Mental, voller widersetzlicher samskaras, Eindrücke, Assoziationen, fester Vorstellungen, gewohnheitsmäßiger Reaktionen, die von unserer Vergangenheit gebildet wurden, ein dunkles Vital mit den Keimen gewohnheitsmäßiger Begierden, Erregungen und nervöser Reaktionen, ein äußerst dunkles Stoffliches, das viel von dem beherrscht, was mit dem Zustand des Körpers zu tun hat. Es ist größtenteils verantwortlich für unsere Krankheiten; chronische oder wiederholte Leiden werden tatsächlich meist vom Unterbewussten verursacht, von seiner beharrlichen Erinnerung und seiner Neigung, alles, was sich dem Körperbewusstsein eingeprägt hat, zu wiederholen. Doch dieses Unterbewusste muss deutlich unterschieden werden von den unterschwelligen (subliminal) Teilen unseres Wesens, nämlich dem inneren oder feinen stofflichen Bewusstsein, dem inneren Vital oder inneren Mental, denn diese sind ganz und gar nicht dunkel, unzusammenhängend oder schlecht geordnet, sondern lediglich unserem Oberflächenbewusstsein verborgen. Unsere Oberfläche empfängt ständig Dinge, innere Berührungen, Mitteilungen oder Beeinflussungen aus diesen Quellen, doch bleibt ihr großenteils verborgen, woher sie stammen.

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Nein, das Unterschwellige ist ein allgemeiner Ausdruck, der für alle Teile des Wesens gebraucht wird, die sich nicht an der wachen Oberfläche befinden. Der Begriff des „Unterbewussten“ wird von europäischen Psychologen sehr häufig im gleichen Sinn gebraucht, da sie den Unterschied nicht kennen. Doch wenn ich das Wort [unterbewusst] benütze, meine ich immer das, was sich unterhalb des gewöhnlichen physischen Bewusstseins befindet und nicht das, was dahinter ist. Das innere Mental, Vital und Physische und die Seele sind in diesem Sinn nicht unterbewusst, doch kann man sie als unterschwellig bezeichnen.

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Das Unterbewusste ist unterhalb des wachen physischen Bewusstseins – es ist ein mechanischer, dunkler, widerspruchsvoller, halbbewusster Bereich, in den das Licht und die Bewusstheit nur mühsam gelangen können. Das innere Vital und Physische unterscheiden sich von ihm – ihr Bewusstsein ist weiter, plastischer, feiner, freier und reicher als das des Vitals und des Physischen der Oberfläche, sie sind für die Wahrheit viel offener und in direktem Kontakt mit dem Universalen.

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Das Unterbewusste ist sowohl universal als auch individuell wie alle anderen wichtigen Teile der Natur. Doch es gibt verschiedene Teile oder Ebenen des Unterbewussten. Alles auf Erden gründet sich auf dem sogenannten Unbewussten, das tatsächlich ganz und gar nicht unbewusst ist, sondern vielmehr eine absolute „Unter“-Bewusstheit, ein unterdrücktes oder involviertes Bewusstsein, in welchem alles vorhanden, doch nichts ausgedrückt oder gestaltet ist. Das Unterbewusste liegt zwischen diesem Unbewussten und dem bewussten Mental, Leben und Körper. Es enthält die Möglichkeit aller primitiven Reaktionen auf das Leben, die sich aus den dumpfen und trägen Bereichen der Materie zur Oberfläche emporkämpfen und durch eine fortlaufende Entwicklung ein sich langsam entfaltendes, selbst gestaltendes Bewusstsein bilden; es enthält diese nicht als Ideen, Wahrnehmungen oder bewusste Reaktionen, sondern als die fließende Substanz dieser Dinge. Auf gleiche Weise sinkt alles, was bewusst erfahren wird, in das Unterbewusste hinab, zwar nicht als genaue, doch als versunkene Erinnerungen und als dunkle, aber dennoch beharrliche Eindrücke der Erfahrung; diese können zu jeder Zeit als Träume wieder auftauchen, als mechanische Wiederholungen vergangenen Denkens, Fühlens, Handelns usw., als „Komplexe“, und sich dann in Taten und Geschehnissen entladen usw. usw. Das Unterbewusste ist die hauptsächliche Ursache, weshalb alle Dinge sich ständig wiederholen und sich niemals etwas verändert außer im äußeren Erscheinungsbild. Es ist die Ursache, warum die Menschen sagen, der Charakter könne nicht gewandelt werden, und ebenfalls die Ursache der fortwährenden Wiederkehr jener Dinge, die man hoffte, losgeworden zu sein. Alle Keime ruhen dort, alle samskaras des Mentals, Vitals und Körpers – es ist der stärkste Rückhalt von Tod und Krankheit und die letzte (anscheinend uneinnehmbare) Festung der Unwissenheit. Und auch all das, was man unterdrückte, ohne davon völlig befreit zu werden, sinkt dort nieder und lagert als Keim, der bereit ist, jeden Augenblick aufzuschießen oder sich zu entfalten.

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Das Unterbewusste ist nicht die gesamte Grundlage unserer Natur; es ist lediglich die untere Grundlage der Unwissenheit, und sie beeinträchtigt zumeist das niedere Vital und das äußere physische Bewusstsein, und diese wiederum beeinflussen die höheren Teile der Natur. Es ist zwar durchaus richtig zu erkennen, was es ist und wie es wirkt, doch sollte man sich mit dieser dunklen Seite, diesem scheinbaren Aspekt des instrumentalen Wesens nicht zu sehr beschäftigen. Man sollte es vielmehr als etwas betrachten, das man nicht selbst ist, als eine Maske der falschen Natur, die dem wahren Wesen durch die Unwissenheit auferlegt wurde. Das wahre Wesen ist das innere Wesen mit all seinen weiten Möglichkeiten, das Göttliche zu erreichen und auszudrücken, besonders aber das innerste Wesen, die Seele, der seelische Purusha, der in seiner Essenz immer rein und göttlich und allem Guten. Wahren und Schönen zugewandt ist. Dieses innere Wesen muss vom äußeren Wesen Besitz ergreifen und es umwandeln in ein Instrument, das nicht länger dem Aufwallen der unwissenden, unterbewussten Natur dient, sondern dem Göttlichen. Indem man sich dessen immer erinnert und seine Natur nach oben öffnet, kann das Göttliche Bewusstsein erreicht werden und von oben in das gesamte innere und äußere Dasein herabkommen, in das Mental, Vital und das Physische, in das Unterbewusste, Unterschwellige, in all das, was wir offen oder geheim sind. Hierauf sollten wir unser hauptsächliches Augenmerk richten. Es sollte dagegen vermieden werden, sich nur mit dem Unterbewussten und dem Aspekt der Unvollkommenheit zu beschäftigen, da es Niedergeschlagenheit verursacht. Man muss das richtige Gleichgewicht bewahren und die positive Seite am meisten betonen, das andere zwar erkennen, doch nur um es zurückzuweisen und zu verändern. Dies und ein immerwährender Glaube an die Mutter, das Vertrauen in sie, sind die Dinge, die für die künftige Umwandlung benötigt werden.

P.S. Die leichteste und beste Maßnahme gegen diese vitalen Gewohnheiten ist jedenfalls, sofort und entschlossen mit ihnen zu brechen.

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Das Unterbewusste ist ein verborgenes, unausgedrücktes und undeutliches Bewusstsein, das unterhalb all unserer bewussten physischen Tätigkeiten wirkt. So wie das, was wir das Überbewusste nennen, tatsächlich ein höheres Bewusstsein über uns ist, von dem die Dinge in das Wesen herabkommen, genauso befindet sich das Unterbewusste unterhalb des Körperbewusstseins, und die Dinge kommen von dort herauf in das Physische, in das Vital und in die Mental-Natur.

So wie das höhere Bewusstsein für uns überbewusst ist und all unsere spirituellen Möglichkeiten und die spirituelle Natur stützt, so ist das Unterbewusste die Grundlage unseres stofflichen Wesens und stützt all das, was in die physische Natur heraufkommt.

Die Menschen sind sich im Allgemeinen keiner der Ebenen ihres Wesens bewusst, doch mit Hilfe der Sadhana vermögen sie diese wahrzunehmen.

Das Unterbewusste bewahrt die Eindrücke all unserer vergangenen Lebenserfahrungen, und diese können von dort in Form von Träumen aufsteigen: die meisten Träume des durchschnittlichen Schlafes sind Formen, die von unterbewussten Eindrücken stammen.

Die Neigung, dass die gleichen Dinge in unser physisches Bewusstsein hartnäckig zurückkehren, jene Neigung, die es uns so schwer macht, uns von seinen Gewohnheiten zu befreien, hat ihre Ursache großenteils in einem unterbewussten Rückhalt. Das Unterbewusste ist voller vernunftwidriger Gewohnheiten.

Nachdem die Dinge aus allen anderen Teilen der menschlichen Natur zurückgewiesen wurden, wandern sie entweder ab in das uns umhüllende Bewusstsein, durch welches wir mit anderen und mit der universalen Natur in Verbindung stehen, und versuchen, von dort zurückzukehren; oder sie sinken in das Unterbewusste ab und können von dort wieder aufsteigen, selbst nachdem sie sich lange Zeit ruhig verhielten und wir glaubten, sie seien verschwunden.

Sobald sich das physische Bewusstsein wandelt, kommt der Hauptwiderstand aus dem Unterbewussten; Dieses erhält die Trägheit aufrecht oder bringt sie zurück, die Schwäche und Dunkelheit, den Mangel an Verstand, was das physische Mental und Vital beeinträchtigt, oder die dunklen Ängste und Begierden, den Ärger, die Lüste des physischen Vitals oder die Krankheit und Dumpfheit, den Schmerz und die Unfähigkeit, zu denen die Körper-Natur neigt. Wenn Licht und Stärke und das Bewusstsein der Mutter in den Körper herabgebracht werden, können sie das Unterbewusste durchdringen und seine Dunkelheit und seinen Widerstand wandeln.

Erst wenn etwas aus dem Unterbewussten so vollständig ausgemerzt ist, dass es keinen Keim hinterlässt, wenn es weiterhin aus dem umhüllenden Bewusstsein so vollständig hinausgestoßen wurde, dass es nicht mehr zurückkehren kann, dann erst sind wir sicher, damit für immer fertig geworden zu sein.

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Das muladhara ist das Zentrum des eigentlichen physischen Bewusstseins, und alles darunter im Körper ist das rein Physische, das in zunehmendem Maße unterbewusst wird, je weiter man nach unten kommt; der eigentliche Ort des Unterbewussten liegt jedoch unterhalb des Körpers, so wie der wahre Ort des höheren Bewusstseins (des Überbewussten) sich über dem Körper befindet. Gleichzeitig kann das Unterbewusste überall gefühlt werden, und zwar als etwas, das sich unterhalb der Bewusstseins-Bewegung befindet, das Bewusstsein gleichsam von unten stützend oder auch dieses zu sich herabziehend. Das Unterbewusste ist die hauptsächliche Stütze aller gewohnheitsmäßigen Regungen, besonders der physischen und der niederen vitalen Regungen. Wenn etwas aus dem Vital oder Physischen hinausgestoßen wird, sinkt es meist in das Unterbewusste hinab, um dort wie ein Keim zu ruhen und dann nach Möglichkeit wieder aufzuschießen. Das ist der Grund, warum es so schwierig ist, sich von gewohnheitsmäßigen vitalen Regungen zu befreien oder den Charakter zu verändern; denn die vitalen Regungen, selbst wenn sie unterdrückt oder zurückgedrängt wurden, wallen von neuem wieder auf und kehren zurück, da sie aus dieser Quelle erhalten oder erneuert und in diesem Mutterboden, genährt werden. Das Wirken des Unterbewussten ist irrational, mechanisch und wiederholt sich ständig. Es hört weder auf den Verstand noch auf den mentalen Willen. Nur indem man das höhere Licht und die höhere Kraft in es herabbringt, kann es verändert werden.

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Das Unterbewusste ist die Stütze der gewohnheitsmäßigen Tätigkeit – es kann sowohl gute wie schlechte Gewohnheiten stützen.

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Das Unterbewusste ist die evolutionäre Grundlage in uns, es ist weder die Gesamtheit unserer verborgenen Natur, noch ist es der gesamte Ursprung dessen, was wir sind. Vom Unterbewussten jedoch können sich Dinge erheben und in den bewussten Teilen Gestalt annehmen; und viele unserer kleineren vitalen und physischen Instinkte, Regungen, Gewohnheiten und Eigentümlichkeiten des Charakters haben diesen Ursprung.

Es gibt drei verborgene Quellen unseres Handelns – das Überbewusste, das Unterschwellige, das Unterbewusste – doch keine von ihnen steht unter unserer Kontrolle, und wir nehmen sie nicht einmal wahr. Statt dessen sind wir uns des Wesens an der Oberfläche bewusst, das lediglich eine instrumentale Einrichtung ist. Der Ursprung von allem ist die allgemeine Natur – also die universale Natur, die sich in jeder Person individualisiert; diese allgemeine Natur speichert in uns eine bestimmte Konstitution von Regungen, der Persönlichkeit, des Charakters, von Fähigkeiten, Veranlagungen und Neigungen, und wir identifizieren diese, ob sie nun jetzt oder vor unserer Geburt geformt wurden, meist mit uns selbst. Ein großer Teil davon ist in der normalen Bewegung und dem normalen Gebrauch in den uns bekannten bewussten Teilen an der Oberfläche zu finden, der größere Teil hingegen ist in den anderen, unbekannten drei Teilen unterhalb oder hinter der Oberfläche verborgen.

Doch das, was wir an der Oberfläche sind, ist in ständiger Bewegung; es wird durch die Wellen der allgemeinen Natur, die über uns hereinbrechen, verändert, entwickelt und wiederholt, entweder direkt oder auch indirekt durch andere Menschen und Umstände, durch die verschiedensten Mittler oder Kanäle. Einiges davon fließt unmittelbar in die bewussten Teile, um dort zu wirken, doch missachtet unser Mental die Quelle, aus der es stammt, und eignet sich alles an in der Meinung, es selbst sei der eigentliche Urheber; ein anderer Teil gelangt im Stillen in das Unterbewusste oder sinkt in dieses hinab und wartet auf die Gelegenheit, wieder zur bewussten Oberfläche aufzusteigen; ein großer Teil wandert in das Unterschwellige und kann zu jeder beliebigen Zeit in Erscheinung treten – oder auch nicht, es kann auch als unbenutzter Stoff dort ruhen. Ein Teil wandert durch uns hindurch, wird abgewiesen, zurück- oder hinausgestoßen oder verliert sich im universalen Meer. Unsere Natur besteht aus einem fortwährenden Wirken von Kräften, mit denen wir versehen werden und aus denen (oder besser, aus dem kleineren Teil von ihnen) wir machen, was wir wollen oder können. Was wir daraus machen, scheint für immer fixiert und geformt zu sein, doch ist in Wirklichkeit alles ein Spiel von Kräften, ein Fließen, nichts ist fixiert oder beständig; das Bild der Stabilität entsteht durch die fortlaufende Wiederholung und Wiederkehr von gleichen Schwingungen und Formungen. Und daher kann unsere Natur auch verändert werden entgegen Vivekanandas Ausspruch und Horazens Sprichwort und trotz des bewahrenden Widerstandes des Unterbewussten – es ist jedoch eine schwierige Aufgabe, denn diese beharrliche Wiederholung und Wiederkehr ist der ureigentliche Weg der Natur.

Was nun die Dinge in unserer Natur anbelangt, die durch Zurückweisung aus uns hinausgestoßen werden, die jedoch zurückkehren, so kommt es darauf an, wohin du sie stößt. Sehr häufig ist ein gewisser Ablauf damit verbunden. Das Mental weist seine Mentalitäten zurück, das Vital seine Vitalitäten, das Physische sein Körperliches – und sie wandern dann meist in den entsprechenden Bereich der allgemeinen Natur. Dann bleibt zunächst alles im umhüllenden Bewusstsein, das wir mit uns herumtragen und durch das wir mit der äußeren Natur in Verbindung stehen; häufig kehrt nun das Hinausgestoßene von dort zurück, bis es so vollständig zurückgewiesen oder gleichsam hinausgeworfen wurde, dass es nicht mehr zu uns zurückkehren kann. Doch wenn das, was das denkende und wollende Mental zurückweist, stark vom Vital gestützt wird, verlässt es zwar das Mental, doch wandert es in das Vital ab, wütet dort und versucht, wieder emporzuwallen, das Mental wieder in Beschlag zu legen und unsere mentale Bereitwilligkeit zu erzwingen oder zu erobern. Wenn das höhere Vital; das Herz, oder die umfassendere vitale Dynamik es ebenfalls zurückweisen, sinkt es weiter ab und nimmt seine Zuflucht im niederen Vital mit seiner Anhäufung der begrenzten üblichen Regungen, die unsere tägliche Kleinheit ausmachen. Weist das niedere Vital es ebenfalls zurück, dann sinkt es in das physische Bewusstsein ab und versucht, sich dort mit Hilfe der Trägheit oder mechanischen Wiederholung festzusetzen. Und wenn es auch dort zurückgewiesen wird, wandert es in das Unterbewusste und kehrt in Träumen wieder oder drückt sich als Passivität aus, als äußerste tamas. Das Unbewusste ist die letzte Zuflucht der Unwissenheit.

Was die Wellen anbelangt, die von der allgemeinen Natur zurückkehren, so ist es die natürliche Neigung der niederen Kräfte dort, zu versuchen ihr Wirken im Menschen aufrechtzuerhalten und wieder aufzubauen, was dieser von ihren Ablagerungen in sich abgebaut hatte; auf diese Weise kehren diese Wellen zurück, häufig mit vermehrter Kraft, ja mit ungestümer Heftigkeit, sobald sie ihren Einfluss abgewiesen finden. Doch ist einmal das umhüllende Bewusstsein gereinigt, können sie nicht mehr lange fortbestehen – außer die „Feindlichen“ [Kräfte] greifen ein. Doch obgleich diese tatsächlich anzugreifen vermögen, können sie, sofern der Sadhak im inneren Selbst gefestigt ist, nichts Ernsthaftes ausrichten.

Es ist wahr, wir bringen das meiste von uns oder, besser gesagt, unsere meisten Veranlagungen und Neigungen, auf die universale Natur zu reagieren, aus vergangenen Leben mit. Vererbung beeinflusst lediglich das äußere Wesen stark; doch nicht einmal dort werden alle Auswirkungen der Vererbung angenommen, sondern nur jene, die sich mit dem in Übereinstimmung befinden, was wir sein sollen oder es zumindest nicht verhindern.

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Was er über das Unterbewusste und die äußere Natur geschrieben hat, ist wahr. Doch kann man nicht sagen, dass die Rolle, die die unterschwelligen Kräfte spielen, klein sei, da von dort alle größeren Aspirationen kommen, zum Beispiel Ideale, das Streben nach einem besseren Selbst und einer besseren Menschheit, ohne die der Mensch lediglich ein denkendes Tier wäre – und ebenso der größte Teil der Kunst, Poesie, Philosophie, der Durst nach Wissen, die alle die Unwissenheit schmälern, auch wenn sie diese noch nicht gänzlich beseitigen können.

Die Rolle des Überbewussten ist, aus dem mentalen Halbtier langsam den spirituellen Menschen zu entwickeln. Auch dies kann keine unbedeutende Rolle genannt werden.

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Über das Unterbewusste: es ist die submentale Grundlage des Wesens und besteht aus Eindrücken, Instinkten, gewohnheitsmäßigen Regungen, die dort gelagert werden. Welche Bewegung man auch immer ihm einprägt, wird von ihm bewahrt. Prägt man ihm die rechte Bewegung ein, bewahrt es diese und schickt sie empor. Es muss daher von alten Regungen geläutert werden, bevor es eine andauernde und totale Wandlung in der menschlichen Natur geben kann. Ist einmal das höhere Bewusstsein in der Wachnatur gefestigt, dann kommt es in das Unterbewusste hinab und verändert auch dieses, um sich dort ein Fundament zu schaffen. Dann sind Störungen aus dem Unterbewussten nicht mehr möglich. Doch bereits zuvor kann man Störungen verringern, indem man den rechten Willen einsetzt und die unterbewussten Teile an die rechte Reaktion gewöhnt.

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Das Unterbewusste ist ein Ort der Gewohnheiten und Erinnerungen, es wiederholt hartnäckig oder wann immer es kann alte, unterdrückte Reaktionen und Reflexe, mentale, vitale oder physische. Es muss durch den beharrlicheren Druck der höheren Wesensteile geschult werden, seine alten Reaktionen abzulegen und sie durch die neuen und wahren zu ersetzen.

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Genauso wie man das Denken auf ein Ziel konzentrieren kann oder die innere Schau auf einen Punkt, so kann man auch den Willen auf einen bestimmten Teil oder Punkt des Körpers konzentrieren und dort dem Bewusstsein einen Befehl erteilen. Dieser Befehl wird das Unterbewusste erreichen.

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Das menschliche wie das tierische Mental leben großenteils von Eindrücken, die- sich aus dem Unterbewussten erheben.

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Du weißt nicht, in welchem Ausmaß die gewöhnliche Natur des Menschen im unterbewussten Physischen lebt. Dort werden jene gewohnheitsmäßigen Regungen, mentale und vitale, gespeichert, und von dort kommen sie empor in das Wach-Mental. Wenn sie aus dem höheren Bewusstsein vertrieben werden, ist es diese „Höhle der Panis“, in der sie Zuflucht suchen. Verbietet man ihnen, frei in den Wachzustand aufzutauchen, dann treten sie im Schlaf als Träume auf. Erst wenn sie aus dem Unterbewussten entfernt und ihre eigentlichen Keime durch die Erleuchtung dieser verborgenen Schichten vernichtet wurden, hören sie für immer auf zu bestehen. In dem Maße, wie sich dein Bewusstsein nach innen vertieft und das höhere Licht in diese niederen, verdeckten Teile herabkommt, werden jene Dinge, die jetzt immer wiederkehren, verschwinden.

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Du hast neulich gefragt, was das Unterbewusste sei. In der Vision, die du beschreibst, sahst du das universale Unterbewusste in der Form des patala, einem Ort ohne Bewusstseinslicht und, da universal, ohne Grenzen oder Ende – das dunkle, unbewusste Unendliche, aus dem sich dieses stoffliche Universum erhob; es ist auf allen Seiten von Dunkelheit ummauert und scheint auch keinen Boden zu haben. Das Licht dringt von oben ein, vom höheren Bewusstsein, und durch das Mental, Herz, Vital und das Physische herabkommend muss es in dieses Unterbewusste strömen, um es zu erhellen.

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Patala ist hier offensichtlich ein Name für das Unterbewusste die Wesen dort haben „keine Köpfe“, das heißt, es gibt dort kein mentales Bewusstsein; alle Menschen besitzen eine derartige unterbewusste Ebene in ihrer Natur, und von dort erheben sich alle Arten von irrationalen und unwissenden („kopflosen“) Instinkten, Impulsen, Erinnerungen usw., die auf das Tun und Fühlen der Menschen einwirken, ohne ihren wahren Ursprung aufzudecken. Nachts kommen viele unzusammenhängende Träume aus dieser Welt oder Ebene. Die Welt über uns ist die überbewusste Ebene des Wesens, diejenige über dem menschlichen Bewusstsein, und es gibt viele Welten dieser Art; es sind dies die göttlichen Welten.

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Die dunklen Brunnen des Unterbewussten sind tief, und solange sie nicht insgesamt gereinigt wurden, ist das Hervorbrechen alter Quellen weiterhin möglich.

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Das Unterbewusste birgt viel mehr Ängste, als das Wachbewusstsein zulässt oder anerkennt.

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Alles, was unser Bewusstsein täglich erfährt, wird im unterbewussten Gedächtnis gespeichert und kann von dort in das Mental heraufgeholt werden oder ungerufen kommen. Doch das, was wir das eigentliche Gedächtnis nennen, bedeutet, dass das Gespeicherte im Hintergrund des bewussten Mentals bewahrt wird und auf Wunsch wieder hervorgeholt werden kann – das ist bewusstes Gedächtnis.

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Das klare Erinnern an Worte, Bilder und Gedanken ist eine Tätigkeit des bewussten Mentals, nicht des Unbewussten. Natürlich tritt Erinnerung in den Hintergrund, gleichsam in die rückwärtigen Teile des Mentals, doch sie kann von dort wieder hervorgeholt werden. Erinnerung kann auch verlorengehen oder entstellt werden, so dass man sich falsch erinnert oder etwas insgesamt vergisst, doch ist das immer noch eine – wenn auch unvollständige – Tätigkeit des bewussten Mentals und nicht eine Tätigkeit des Unterbewussten. Was im Unterbewussten bewahrt wird, ist eine Masse von Eindrücken – keine klaren oder genauen Bilder –, und diese können in unzusammenhängendem Durcheinander und völlig entstellt in Träumen auftauchen, oder aber sie gelangen in den Wachzustand als mechanische Wiederkehr oder Wiederholung der nämlichen Eingebungen, Impulse (unterbewusstes Vital) oder Empfindungen. Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen beiden Tätigkeiten.

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Im unterschwelligen Gedächtnis werden genaue Bilder aufbewahrt. Alles, was unterschwellig ist, wird in der gewöhnlichen Psychologie als unterbewusst beschrieben; doch in unserer Psychologie können wir so nicht vorgehen, denn das Bewusstsein, das diese Bilder enthält, ist ebenso präzis und viel weiter und umfassender als unser waches oder Oberflächen-Bewusstsein – warum also sollten wir es unterbewusst nennen? Bewusstes Gedächtnis ist etwas, das in jedem von uns gewollten Augenblick die Erinnerung an eine Sache hervorholen kann; es steht unter unserer Kontrolle. Die unterschwellige Erinnerung kann alle diese Dinge speichern, selbst solche, die das Mental gar nicht verstehen kann; zum Beispiel wenn du jemanden hebräisch sprechen hörst, kann das unterschwellige Gedächtnis dies speichern und es in einem anormalen Zustand, zum Beispiel der Hypnose, wieder hervorbringen. Das unterbewusste Gedächtnis hingegen ist ein Gedächtnis der Eindrücke; wenn diese emporkommen, wie es im Traum geschieht, so erhalten wir ein unzusammenhängendes oder ein wahllos neu geordnetes Ergebnis; oder aber es ist das, was in Erscheinung tritt, nur die Essenz einer Sache, ihre psychologische Ablagerung, zum Beispiel Sex-Verlangen, Furcht, eine besondere Libido – wie die Psychoanalytiker sie nennen –, doch das, wodurch diese sich dann ausdrückt, muss nicht die gleiche Form haben, die ihr das Gedächtnis geben würde – es [das unterbewusste Gedächtnis] kann die gleichen Formen wiederholen, wenn es sich des mechanischen Mentals im Physischen bemächtigen kann, doch kann es auch etwas ganz anderes sein, als es im wirklichen Leben ist.

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Nein, dies („The Record of Chitragupta“) ist etwas ganz anderes als das kosmische Unterbewusste, da es genau und akkurat ist.

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Das Unterbewusste ist ein unterdrückter, dunkler Keim-Zustand, in dem die Dinge aus der unbestimmten Unbewusstheit der ursprünglichen Natur emportauchen, doch fließend und ungenau und alle Möglichkeiten der Formgebung noch in sich bergend. Vergangenes fällt dorthin zurück, nicht als Erinnerungen, sondern als Eindrücke, was etwas ganz anderes ist. Wenn sie von dort wieder emporkommen, geschieht es in allen möglichen eigenartigen, abgewandelten und vermischten Formen.

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Das Submental versorgt mit Assoziationen aus dem vergangenen Leben oder dem Erdenleben im Allgemeinen, die Erfahrungen der vitalen oder anderer Ebenen. Man muss sich von seinem störenden Eindringen befreien, um zur wahren Erfahrung zu gelangen.

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Es ist mir nicht bekannt, dass es in den traditionellen Büchern eine Bezeichnung gibt, die mit dem Unterbewussten korrespondiert; von dieser Ebene sprach man im Allgemeinen als nicht-bewusste und nicht als unterbewusst; praktisch ist es das Unterschiedslose oder vielleicht jada-prakrti, der Keim-Zustand. Im Veda wird es durch die Höhle der Panis symbolisiert. Wenn man Bücher wie das „Yoga-vasistha“ durchsieht, könnte man etwas über das Unterbewusste als Wirklichkeit finden, das dort aber nicht mit dem gleichen Ausdruck bezeichnet wird.

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Briefe über den Yoga

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