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Gefahren und Chancen von Moden in der Literatur Das Thema Ihres Romans

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Literatur ist, wie so ziemlich alles im Leben, Moden unterworfen. Bei der sprachlich anspruchsvollen Literatur sind das eher Moden von Ausdruck, Sprache und Form, bei der erzählenden Literatur (und um die geht es mir in diesem Buch) eher thematische Moden.

Beim Schreiben selbst sollten Sie sich von Moden nicht beeinflussen lassen. Doch wenn es an die Entscheidung geht, für welche Ihrer (hoffentlich zahlreichen) Romanideen Sie sich entscheiden, ist es von Vorteil, die aktuellen Moden zumindest zu kennen. Damit Sie eine kompetente Antwort auf die Frage parat haben, ob Sie lieber den Roman mit den Teenagervampiren in Angriff nehmen oder doch eher den mit den Werwölfen aus dem Altenheim.

Jede Modewelle ruft zahlreiche Nachahmer auf den Plan, das ist in allen Branchen so, der Buchmarkt bildet keine Ausnahme. Von einem Roman, noch dazu einem Jugendroman, über Vampire würden die meisten Ihnen im Jahr 2011 abraten. Zu viele Autoren tummeln sich, zum Teil schon seit Jahren, in diesem Feld. Doch womöglich bleiben die Blutsauger ähnliche Dauerbrenner wie Regionalkrimis, die so etwa Anfang der nuller Jahre über uns hereinbrachen und einfach nicht mehr weggehen.

Misstrauen Sie allen Experten, die Ihnen weismachen wollen, sie wüssten, was morgen ist. Wenn die Zukunft bekannt wäre, dann hieße sie Gegenwart, und schon dort streitet man sich über das, was gerade in ist.

Sollten Sie jedoch partout auf den Modezug springen wollen, beachten Sie Folgendes: Je später Sie eine Mode aufgreifen, desto neuer und einzigartiger sollte Ihr Ansatz sein. Kann man zu Anfang der Mode noch eine billige Kopie auf dem Markt unterbringen, fordern die Leser zunehmend ausgefallenere Ideen.

Allerdings – und womöglich gut für Sie – hat jedes Genre auch seine Fans, die immer nur das eine wollen: more of the same. Dabei müssen die Ideen so ausgefallen gar nicht sein. Oft genügt es schon, Bekanntes miteinander zu verbinden, um etwas Neues zu schaffen. Oder kennen Sie einen Regionalkrimi mit Vampiren?

Ein Indikator dafür, welche Moden ihren Zenit schon überschritten haben, sind Parodien: Wenn bereits mehrere Parodien zu den die Moden begründeten Romanen in den Buchläden liegen, ist die beste Zeit für einen Me-Too-Roman bereits vorbei. Recherchieren Sie doch mal, wie viele Parodien allein zu Harry Potter und Stephenie Meyers Twilight-Romanen erschienen sind.

Ein weiterer Indikator für den Höhepunkt des Booms und oft auch für sein Ende sind Kinofilme. Zu der Hysterie über die Filme der »Twilight«-Saga gab es bis dahin nichts Vergleichbares.

Noch ein Indikator sind Spin-Offs, auch in anderen Medien, wenn also Videogames mit Harry Potter oder neue Romane erscheinen, in denen Charaktere, Schauplätze oder Motive aus dem ursprünglichen Erfolgsroman die Hauptrolle spielen.

Spätestens, wenn Sie sich mit Ihrem Manuskript an einen Agenten oder einen Verlag wenden, sollten Sie die aktuellen Modeströmungen kennen. Das gilt insbesondere dann, wenn Sie einen Genre-Roman geschrieben haben. Die »Twilight«-Romane etwa haben ein eigenes Genre begründet: Teenagervampire.

Wenn Sie einem Verlag in den Jahren nach dem großen Erfolg einen Jugendroman über Vampire anbieten, wird Ihr Roman mit »Twilight« verglichen, ob Sie das wollen oder nicht. Sie können sich vorstellen, dass ein Vergleich Ihres Erstlings mit einem weltweiten Megaseller eher ungerecht und wenig hoffnungsvoll für Sie ausfallen wird.

Sehen Sie die Seite des Verlags: Ihre Lektorin wird sich von ihrer Chefin, vom Marketing, von der Presseabteilung, vom Vertrieb, von den Vertretern und von den Buchhändlern fragen lassen müssen, wie in Dreiteufelsnamen man denn noch einen weiteren Vampir-Roman positionieren und verkaufen solle.

Wenn Ihr Roman hingegen etwas (tatsächlich) Einzigartiges hätte, sähe die Sache womöglich anders aus. Dann rennen Sie womöglich offene Türen ein. Schließlich hat die Buchhändlerin ein ganzes Regal und einen großen Tisch speziell für Vampirbücher eingerichtet. Und die wollen gefüllt und beladen werden.

Grassiert die Mode noch eine Weile, mögen Sie mit Ihrer Vampirromanze sogar einen kleinen Erfolg haben. Womöglich ist mancher Verlag dankbar, nach dem Motto: Da weiß man, was man hat. Dann mag es sogar weniger risikoreich sein, auf das Bewährte zu setzen. Die Chance, groß abzuräumen, haben Sie jedoch eher nicht. Leider kann Ihnen niemand sagen, wann die Modewelle bricht. Das Risiko tragen Sie.

Denken Sie daran, wenn Sie mit Konzipieren und Schreiben Ihres Romans beginnen, dass zwischen dem ersten Satz, den Sie schreiben und der Veröffentlichung des Buchs mindestens zwei, eher aber drei oder noch mehr Jahre liegen werden. (Lediglich bei Kinder- und Jugendbüchern und Auftragsarbeiten geht es schneller.) Wenn der Markt heute schon gesättigt ist, was wird dann erst in drei Jahren sein?

Eine zumindest ungefähre Kenntnis von Markt und Moden ist außerdem unverzichtbar für Ihre Glaubwürdigkeit als professionell auftretender Autor. Und Sie sollten wissen, worauf Sie sich einlassen, wenn Sie Ihren Beitrag zur Mode leisten.

Und jetzt ran an die Tasten, schreiben Sie etwas Bahnbrechendes. Schlechte Kopien gibt es schon genug.

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