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Propaganda: Die Darstellung des Feindes

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Auf welche Weise wurde den Menschen der Antike ein Feindbild vermittelt? Wie sah die politische Propaganda der Machthabenden aus? Welche Medien gab es dafür? Da nicht jeder lesen konnte, fand Propaganda in erster Linie in öffentlich gehaltenen Reden, beispielsweise auf dem Forum, oder in Bildern statt. Berühmt ist der Ausspruch des älteren Cato (234–149 v. Chr.) „ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ (im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss), den er immer wieder an seine Reden angehängt haben soll, um einen Krieg gegen Karthago zu propagieren.

Ein anderes Beispiel für politische Propaganda ist uns aus den Jahren vor der Schlacht bei Chaironeia in Mittelgriechenland 338 v. Chr. überliefert, in der die Athener mit ihren Verbündeten von den Makedonen unter König Philipp II. (359– 336 v. Chr.) besiegt wurden: Der griechische Redner Demosthenes (384/83–322 v. Chr.) fürchtete wegen der zunehmenden Macht der Makedonen um die politische Unabhängigkeit Athens. Daher schürte er die Ängste der Athener und erschuf ein Feindbild, indem er den Makedonenkönig als Barbaren bezeichnete, während andere Athener, wie beispielsweise der Redner Isokrates (436–338 v. Chr.), den eigentlichen Feind nicht in den Makedonen sahen, sondern in den Persern: Ihrer Meinung nach besaß ein unter makedonischer Herrschaft vereintes Griechenland eine gute Chance, gemeinsam gegen den alten „Erbfeind“ Persien vorzugehen. Hier treffen zwei politische Standpunkte aufeinander. Und doch zielen beide Parteien mit ihrer Argumentation auf die Angst der Athener Bevölkerung vor den Barbaren, Demosthenes auf die Makedonen, Isokrates auf die Perser.

Die Anfänge der Propaganda

Für uns scheint Propaganda erst im Zusammenhang mit dem wohl einschneidendsten Ereignis in der griechischen Geschichte, den Perserkriegen, fassbar zu werden. Tatsächlich hatten die Athener am meisten zu verlieren: Ihnen ging es nicht nur um politische Unabhängigkeit, sondern auch um die Verteidigung ihrer gerade erst entstandenen Demokratie gegenüber der persischen Königsherrschaft. Und tatsächlich haben die Athener am meisten gewonnen: Mit dem neu erworbenen Selbstbewusstsein erlebte die Stadt in den folgenden Jahrzehnten unter dem Staatsmann Perikles (495/90–429 v. Chr.) ein goldenes Zeitalter, dem erst die Niederlage im Peloponnesischen Krieg ein Ende bereitete.

Sichtbarer Ausdruck dieses neuen Selbstbewusstseins ist der Parthenon auf der Athener Akropolis. Der ganze Tempel ist sozusagen in Stein umgesetzte Propaganda, deren Adressat nicht Athen war, sondern das übrige Griechenland, dem man damit die Größe der Stadt vor Augen führen wollte. Denselben Zweck verfolgten auch die ionischen Riesentempel an der kleinasiatischen Küste, die im 6. Jahrhundert v. Chr. in Ephesos, Didyma und auf Samos entstanden sind: Ausdruck der Macht einer Stadt oder eines Tyrannen. Damit steht der Parthenon in der Tradition dieser Tempel.

Der ebenbürtige Feind

In der griechischen Klassik (5.–4. Jahrhundert v. Chr.) wird Bildpropaganda sehr viel subtiler zum Ausdruck gebracht als in späteren Zeiten. Die Römer hätten den Sieg der Athener und ihrer Bundesgenossen über die Perser wahrscheinlich durch Kämpfe zwischen dominierenden Griechen und unterlegenen, Hosen tragenden Barbaren zum Ausdruck gebracht. Nicht so die Klassik, wie am Beispiel des Parthenon (447–438 v. Chr.) deutlich wird. Giebel und Fries nehmen auf die „Hausherrin“, die Göttin Athena, Bezug, nur die Metopen sind vier mythischen Kämpfen zwischen Griechen und Feinden der Zivilisation gewidmet: Die Gegner sind auf der Südseite des Tempels die Kentauren, im Osten die Giganten, im Westen die Amazonen und an der Nordseite die Trojaner. Amazonen und Trojaner wohnten ebenso wie die Perser im Osten, jenseits des Ägäischen Meeres; zu diesen beiden Völkern wurde also die Beziehung hergestellt. Doch die Darstellung zeigt die Feinde nicht unbedingt als unterlegene, sondern häufig als ebenbürtige Gegner.

Auch der hundert Jahre später entstandene Amazonomachie-Fries am Grabmal des Königs Maussollos (377–353 v. Chr.) in Halikarnassos (heute Bodrum an der türkischen Südwestküste), einem der Sieben Weltwunder, zeigt noch dieselbe Tendenz: Die Darstellung besteht größtenteils aus Zweikämpfen zwischen Griechen und Amazonen, wobei jede der beiden Parteien in der Rolle des Siegers oder Verlierers auftreten kann. Dabei tragen die Griechen außer ihren Waffen nur einen Helm, während die Amazonen mit einem kurzen Chiton1 bekleidet sind. In der Realität wird kein Grieche nackt gekämpft haben, wir befinden uns ja auch im Mythos, in dem die Griechen wie Heroen auftreten können. Und gerade darin liegt der dezente Hinweis, wer denn die eigentlichen Helden der Geschichte sind. Ob Maussollos allerdings mit seiner Themenwahl auch eine bestimmte politische Aussage im Reliefschmuck seines Grabmals versteckt hat, nämlich dass er im Grunde seines Herzens zu den Griechen tendierte, auch wenn er das Amt eines persischen Satrapen bekleidete, darüber darf spekuliert werden.

Der unterlegene Feind

In der folgenden Epoche, dem Hellenismus (323–31 v. Chr.), sind die Feinde – reale wie mythische – in der Bildkunst als Unterlegene dargestellt. Besonders eindrucksvoll ist die Unterlegenheit der Feinde an einem Weihgeschenk im Athena-Heiligtum von Pergamon in Szene gesetzt, das Attalos I. (241–197 v. Chr.) nach seinem Sieg über die Gallier/Galater aufstellen ließ. Zu den Figuren, die diesem Monument zugewiesen werden, gehören der sogenannte Sterbende Gallier (heute Rom, Kapitolinische Museen) und die Gruppe eines Galliers mit seiner Frau (heute Rom, Thermenmuseum): Um einer schmachvollen Gefangennahme zu entgehen, hat der Krieger seine Frau getötet und wendet nun sein Schwert gegen sich selbst. Mag dem besiegten Gegner in beiden Fällen auch eine gewisse Würde geblieben sein, er ist deutlich als Unterlegener charakterisiert.

Auch in der römischen Bildkunst erscheinen die Feinde vorzugsweise als Unterlegene. Auf den historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit, also auf Reliefs, die ein konkretes historisches Ereignis zum Thema haben, sind die Feinde zwar in gleicher Größe wie die Römer dargestellt. Erkennbar sind sie vor allem an ihrer Kleidung (z. B. Hosen), mit der sie sich deutlich von den Römern absetzen. In der direkten Konfrontation beider Parteien wird aber schnell klar, dass die Römer (natürlich) die Überlegenen sind, so beispielsweise auf der Trajanssäule in Rom (113 n. Chr. geweiht), auf der die beiden Kriege des Kaisers gegen die Daker (im heutigen Rumänien) 101/02 und 105/06 n. Chr. in einer Folge von mehr als hundert Bildern (siehe Abb. oben) dargestellt sind: In den Schlachtszenen sind die Daker größtenteils bereits zu Boden gesunken oder tot, ein Schicksal, das offenbar keinem Römer widerfahren ist. Man sieht Frauen, Kinder und Alte auf der Flucht oder Daker, die sich den Römern flehend unterwerfen. Ähnliche Szenen zeigt auch der Bogen des Septimius Severus in Rom von 203 n. Chr., auf dem die Feinde (hier sind es die Parther) einen eher desorganisierten Eindruck hinterlassen.

Propaganda auf römischen Münzen

Dass man Münzen zu Propagandazwecken nutzen kann, darf überhaupt als „Erfindung“ der Römer gelten. Ursprünglich verwendete jede Stadt und jeder Herrscher festgelegte Bildtypen, die eindeutig auf den Münzherrn wiesen, der die Echtheit garantierte (Beispiele vgl. S. 38).

Auch die Römer folgten nach der Einführung der Denar-Währung vor 211 v. Chr. diesem Prinzip. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. wich diese stereotype Darstellung individuelleren Münzbildern: Die zuständigen Beamten, die Münzmeister, wählten Heldentaten berühmter Vorfahren, um damit für ihre eigene Person und ihre weitere Karriere zu werben: Sie bauten darauf, dass in den Augen der Öffentlichkeit der Sohn einer Familie, die in der Vergangenheit große Leistungen vollbracht hatte, automatisch für die höhere Ämterlaufbahn qualifiziert war.

Gegen Ende der Republik prägten große Feldherren wie Caesar oder Pompejus unabhängig von der offiziellen Münzstätte selbst, um ihre Soldaten zu entlohnen. Natürlich nahmen sie bei den Münzbildern auf sich und ihre Taten Bezug. In der frühen Kaiserzeit, im 1. Jahrhundert n. Chr., entwickelte sich daraus ein festes Schema: auf der Vorderseite der Kopf des Kaisers oder eines Familienmitglieds, auf der Rückseite der Hinweis auf seine Taten und Tugenden.

Dabei nahmen Darstellungen, die auf militärische Operationen des Kaisers hinwiesen, breiten Raum ein: Die Siegesgöttin Victoria erscheint mit verschiedenen Beinamen, die auf die jeweiligen Siege hinweisen, z. B. Victoria Germanica unter Maximinus Thrax (235–238). Maximinus hatte freilich nicht Germanien erobert, wie der Beiname der Siegesgöttin vermuten lassen könnte, er war nur über den Rhein vorgedrungen, um die Germanen einzuschüchtern und seinen Soldaten zu reicher Beute zu verhelfen.

Typische Münzbilder

Athen: Kopf der Göttin Athena auf der Vorderseite / Eule auf der Rückseite

Korinth: Flügelpferd Pegasos / Kopf der Göttin Athena

Königreich der Ptolemäer in Ägypten: Kopf des Dynastiegründers Ptolemaios I. / Adler

Rom (vor 211 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jhs. v. Chr.): Kopf einer behelmten Göttin2 / die Zwillinge Castor und Pollux, die Schutzgötter der römischen Reiterei, auf galoppierenden Pferden

Beliebt war auch die Darstellung besiegter Feinde: die Männer gefesselt, die Frauen trauernd neben einem Siegesmal (tropaeum) oder auf zerbrochenen Waffen sitzend. Vespasian (69–79 n. Chr.) verwendete solche Bilder, um auf die Siege, die er zusammen mit seinem Sohn Titus (79–81) über die aufständischen Juden errungen hatte, aufmerksam zu machen, meist mit der erläuternden Beischrift Judaea capta, Judäa ist eingenommen. Eigentlich ist das Wort capta nicht korrekt, denn es bezeichnet einen auf militärischem Wege errungenen Gebietsgewinn für das Römische Reich. Tatsächlich wurde die römische Provinz Judäa aber schon 6 n. Chr. eingerichtet, lange vor dem Aufstand. Vespasian betreibt hier Propaganda für sich selbst, denn er benötigte dringend eine Legitimation für seinen Anspruch auf den Thron: Alle Kaiser von Augustus bis Nero gehörten einer Familie an, dem julisch-claudischen Kaiserhaus, das mit dem Tod Neros (68 n. Chr.) erloschen war. Die nachfolgenden Kaiser, die sich nicht auf Familienbande stützen konnten, mussten sich daher nach ihrem Regierungsantritt sofort eine solide Machtbasis schaffen, die sich entweder auf den römischen Senat oder – besser – auf das Militär gründete.

Feinde wurden in der kaiserzeitlich-römischen Münzprägung stets deutlich klein und unterlegen dargestellt. So sprengt der Kaiser als semper victor (der ständige Sieger) über sie hinweg oder zerrt sie an den Haaren hinter sich her. In der Spätantike (4. Jahrhundert n. Chr.) werden individuelle Völker kaum noch unterschieden: Konstantin der Große (306–337) nennt sich auf Goldmedaillons debellator gentium barbararum (Bezwinger der Barbarenvölker), sein Sohn Constans (337–350) lässt sich auf Silbermedaillons als triumfator gentium barbararum (Triumphator über die Barbarenvölker) feiern. Damit tritt der Kaiser nicht mehr nur als Sieger über ein bestimmtes Volk wie die Germanen oder die Juden hervor, sondern als mächtiger Kriegsherr, der mühelos in der Lage ist, alle Barbaren, die außerhalb der Grenzen des Reiches leben, niederzuwerfen.

Die römische Münzpropaganda versucht nicht, in den Menschen Ängste vor einem drohenden Feind aufzubauen. Sie zielt vielmehr darauf, den Kaiser als Sieger über alle Völker, die es wagen, sich gegen das Römische Reich aufzulehnen, darzustellen. Und hier liegt auch der Grund dafür, dass die Feinde auf Münzen stets als Unterlegene dargestellt werden: Sie sind keine Bedrohung (mehr), dafür hat der Kaiser schon gesorgt.

Propaganda, die „Werbetätigkeit einer […] Partei oder eines Staates zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch publizistische Mittel“,3 kann vielfältige Formen und Ziele haben. In den aus der Antike erhaltenen Reden geht es um ein konkretes politisches Ziel, für das geworben wird. Häufig spielten die Redner dabei mit den Ängsten der Menschen. Bildpropaganda hingegen will Macht und Überlegenheit demonstrieren, sie dem eigenen Volk vor Augen führen und gleichzeitig andere damit beeindrucken.

Krieg in der Antike

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