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Mythische Gegner: Götter und Heroen im Krieg

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In der Theogonie des Hesiod, einer der ältesten Dichtungen des klassischen Altertums (Ende 8. Jahrhundert v. Chr.), wimmelt es geradezu von bedrohlichen Wesen, die als Feinde der Götter wie der Menschen auftreten. Besungen wird die Abstammung der Unsterblichen, angefangen bei Gaia und Uranós,1 Erde und Himmel, über die Titanen und die Olympischen Götter bis hin zu einer Vielzahl wenig bekannter Gestalten, die jedoch alle einen festen Platz im griechischen Universum einnahmen. So auch das Wesen, von dem hier die Rede ist: Typhoeús oder Typhón, den Gaia nach dem Untergang der Titanen als Rivalen des Zeus gebar:

Beinahe wäre damals der Tag des Entsetzens gekommen;/ denn das Untier begehrte Gewalt über Menschen und Götter. / Aber das scharfe Auge des Vaters bemerkte den Frevel.

HESIOD, Theogonie 836–838

„Vater“ Zeus gelingt es schließlich, Typhon in einem heftigen Kampf zu besiegen und in die Unterwelt, den Tártaros, zu werfen; töten kann er Typhon nicht, da dieser ebenso unsterblich ist wie Zeus selbst. Doch er kann dessen Unheil bringende Macht eindämmen, die sich fortan nur noch in Stürmen und Vulkanausbrüchen äußert.

Diese Passage aus der Theogonie ist charakteristisch für die Vorstellung der Griechen: Gaia, die Erde, bringt Gutes, aber immer wieder auch Böses hervor; eine Welt ohne „Böses“ gibt es nicht. Aufgabe des „Guten“ ist es, wachsam zu sein und das „Böse“ rechtzeitig einzugrenzen, damit kein größeres Unheil geschieht. Bezeichnenderweise kann der „Gute“ den „Bösen“ (respektive das in der Welt befindliche Böse) nicht völlig besiegen, denn beide sind unsterblich.

Nach Hesiod ist die Welt demnach ein ewiger Kriegsschauplatz zwischen dem „Guten“ und dem „Bösen“. Das „Gute“ – Gerechtigkeit und Ordnung – wird von den Olympischen Göttern vertreten, denen die Griechen so manche sympathisch menschlichen Züge andichteten. Ihnen gegenüber stehen schreckliche, oft monsterartige Wesen, die für alles Leid verantwortlich gemacht werden und deren Anblick allein schon furchterregend ist. Nicht nur in der göttlichen Sphäre wird Recht und Ordnung – man könnte auch sagen: die Zivilisation – bedroht, die griechische Mythologie kennt zahlreiche Ungeheuer, die als Verkörperung des Bösen die Sterblichen bedrängen und nur von Helden wie Herakles oder Theseus besiegt werden können: So befreit Herakles die Menschen unter anderem vom Löwen von Nemea und der vielköpfigen Schlange von Lerna.2

Daneben erzählten sich die Griechen auch von Völkern oder Stämmen, mit denen vor langer Zeit Götter und Menschen im Krieg lagen, den Kentauren beispielsweise: wilde, urwüchsige Gestalten, halb Mensch, halb Pferd, die in den Wäldern Thessaliens hausen sollten, rohes Fleisch aßen und wegen ihrer Lüsternheit und Trinksucht verrufen waren. Damit verkörperten sie gleichsam den Gegensatz zur Zivilisation.

Auf der Hochzeit des Königs der Lapithen, Peiríthoos, hatten die Kentauren dem Wein allzu sehr zugesprochen und vergriffen sich an den Frauen der Lapithen, eine eklatante Verletzung des Gastrechts. Ein heftiger Kampf entbrannte, der schließlich vom Gott Apollon zugunsten der Lapithen entschieden wurde: Die Zivilisation siegt über ihre Feinde.3

Der Gegensatz zur Zivilisation konnte sich auch auf andere Weise ausdrücken: Die Griechen sahen in dem kriegerischen Frauenvolk der Amazonen geradezu eine verkehrte Welt, in der tapfere Frauen das Sagen hatten. In der Ilias, die den Krieg der Griechen gegen Troja zum Thema hat, beschreibt Homer4 die Amazonen bezeichnenderweise mit dem Adjektiv antiáneirai – im Deutschen gern mit „männergleich“ übersetzt. Doch das Wort antiáneirai beinhaltet mehr: Die Vorsilbe „anti-“ betont den Gegensatz zu der von Männern (griechisch anér) dominierten Zivilisation der Griechen.

Zu den mythischen Gegnern der Götter zählt auch das Riesengeschlecht der Giganten, die wie Typhon Gaia zur Mutter haben und bereits als Krieger in voller Rüstung zur Welt kommen,5 um die Olympischen Götter zu entmachten. Erst mit Hilfe eines Sterblichen können die Giganten bezwungen werden: Der griechische Nationalheld Herakles kämpft hier Seite an Seite mit den Göttern.

Bei Hesiod sind die Giganten nur aufgrund ihrer Größe furchterregend, ansonsten unterscheiden sie sich äußerlich nicht von den Olympischen Göttern und damit auch nicht von den Menschen. Erst später werden ihnen als Kindern der Erde (Gaia) Schlangenbeine angedichtet, wodurch sie unmenschliche Züge erhalten. Die wohl bekannteste Darstellung einer Gigantomachie, also des Kampfes der Götter gegen die Giganten, zeigt der große Fries des Pergamon-Altars in Berlin (1. Hälfte 2. Jahrhundert v. Chr.).

Die Amazonen – ein kriegerisches Frauenvolk

Die Amazonen tauchen in der griechischen Mythologie mehrfach auf, oft als Gegnerinnen berühmter Helden wie Herakles oder Theseus. Im Trojanischen Krieg kämpfen sie aufseiten der Trojaner, bis Achill ihre Königin Penthesilea tötet. Diesen entscheidenden Moment, in dem beide ihre Liebe füreinander erkennen, hat der Maler der sogenannten Penthesilea-Schale in der Münchner Glyptothek bildlich in Szene gesetzt.

Alle mythischen Gegner der Griechen und ihrer Götter, von denen bisher die Rede war, haben eines gemeinsam: Sie sind „anders“, ganz gleich, ob es sich um schreckliche Ungeheuer handelt, um wilde, ungestüme Mischwesen oder ob Frauen wie die Amazonen die Rolle der Männer einnehmen. Und: sie bedrohen die Zivilisation, sind „Feinde“ von Recht und Ordnung. Was liegt näher, als auch die realen Feinde in dieses „Raster“ einzuordnen?

Griechen gegen Griechen

Doch nicht alle mythischen Feinde der Griechen waren „anders“. Ihre prominentesten Gegner, die uns vor allem durch Homers Ilias vertraut sind, die Trojaner, waren ebenfalls Griechen. Auf beiden Seiten herrschten Könige: In Troja regierte Priamos, ihm gegenüber stand Agamemnon, der König von Mykene. Beide Parteien kämpften auf gleiche Weise, waren gleich gerüstet, besaßen gleichermaßen herausragende Kriegshelden wie beispielsweise Achill und Hektor. Und nicht zuletzt wurden beide Seiten von den Olympischen Göttern unterstützt.

Die Liste der mythischen Kriege, in denen Griechen gegen Griechen antraten, ließe sich beliebig erweitern. Was aber steht dahinter? Bedrohten die Trojaner die Zivilisation? Und wieso fochten die Götter auf verschiedenen Seiten? Der Auslöser für den Trojanischen Krieg ist der Sage nach auf göttlicher Ebene zu suchen: Hera, Athena und Aphrodite streiten sich darum, welche von ihnen die Schönste sei. Als sie sich nicht einig werden können, bitten sie den trojanischen Prinzen Páris, als Schiedsrichter zu fungieren. Er kürt Aphrodite zur Schönsten, nicht zuletzt, weil sie ihm als Belohnung die schönste Frau auf Erden verspricht: Helena, die Gemahlin des Königs von Sparta, Menélaos. Paris reist nach Sparta und wird dort vom König gastfreundlich aufgenommen. Doch indem er schließlich Helena nach Troja entführt, verletzt er das heilige Gastrecht schwer. Und hier liegt der unmittelbare Auslöser für den Trojanischen Krieg: Ein grundlegendes Gesetz, das Recht und Ordnung unter den Menschen garantiert, wird übertreten. Damit begeht Paris einen Frevel gegen die Götter und wird so gleichsam zu einem Feind der Zivilisation.

Das Feindbild in der griechischen Mythologie bezieht sich also – zugespitzt formuliert – darauf, dass sich die „zivilisierte“ Welt durch sagenhafte, oft furchterregende Wesen bedroht sieht, die durch ihr Aussehen oder ihre Lebensweise „anders“ sind; aber auch Mitglieder eben dieser zivilisierten Welt, die wichtige Gesetze missachten, werden zu Außenseitern, zu Feinden der Zivilisation.

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