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V. Gesamtverweisung: Systemunterschiede im deutschen und im fremden IPR

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1. Das fünfte Qualifikationsproblem tritt auf, wenn das deutsche IPR eine Rechtsfrage oder einen Lebenssachverhalt anders qualifiziert als das verwiesene IPR: Aufgrund der eigenen Qualifikation wird die Rechtsfrage als einem bestimmten Systembegriff zugehörig behandelt; die dafür vorgesehene Verweisung führt als Gesamtverweisung in das Recht eines Staates, aus dessen Sicht das zu entscheidende Problem einem anderen Systembegriff angehört. Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn das deutsche IPR ausnahmsweise eine unselbständige Anknüpfung einer Vorfrage in einer ausländischen Norm vorsieht, weil auch in diesem Fall dem ausländischen Recht und seinem IPR die Anknüpfung übergeben wird.

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Eine Italienerin heiratet in Deutschland einen Deutschen; für die Frage, wie die Ehefrau nach Eheschließung heißt, verweist Art. 10 Abs. 1 in ihr italienisches Heimatrecht. Das italienische IPRG behandelt den Namenserwerb durch Eheschließung jedoch nicht als Frage des Namensstatuts, sondern als Frage des Ehewirkungsstatuts (Art. 24 Abs. 1 Hs. 2 italIPRG). Wendet der deutsche Standesbeamte die italienische namenskollisionsrechtliche Norm an oder bestimmt er das Ehewirkungsstatut – aus deutscher oder aus italienischer Sicht?

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Schadensersatzansprüche wegen Verlöbnisbruch werden im deutschen IPR familienrechtlich analog Art. 13 Abs. 1 qualifiziert, wobei strittig ist, welche der beiden von Art. 13 Abs. 1 berufenen Rechtsordnungen bei Verlobten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit entscheidet. Das französische Recht ordnet Verlöbnisbruchansprüche deliktisch ein, knüpft also an den Ort der Deliktsbegehung an.

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2. Die Antwort auf diese Qualifikationsfrage liegt aus ähnlichen Gründen wie jene auf die erste Frage (oben Rn 445) geradezu auf der Hand und ist unstrittig: Durch die Gesamtverweisung hat das deutsche IPR die Frage an das fremde IPR übergeben; Ziel der Gesamtverweisung ist die Entscheidungsharmonie, die nur dadurch erreichbar ist, dass die Kollisionsnorm Anwendung findet, die nach dem fremden Recht anwendbar ist.

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Der deutsche Standesbeamte folgt also bei der Bestimmung des Namensstatuts der italienischen Qualifikation und bestimmt das – aus italienischer Sicht – maßgebliche Ehewirkungsstatut.

Eine Rück- oder Weiterverweisung des französischen Deliktskollisionsrechts ist für die Verlöbnisansprüche beachtlich; das kann freilich sodann zu einem Problem des dritten Typs führen, wenn die letztlich anwendbare Rechtsordnung keine deliktischen, aber familienrechtliche Ansprüche bereithält.

Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 4 Qualifikation › B. Methoden der Qualifikation

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