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11 • Der Abt

» RB 2,33: Vor allem darf er über das Heil der ihm Anvertrauten nicht hinwegsehen oder es geringschätzen.

» Man lese RB 2 und 64 sowie etwa die Hälfte der ganzen übrigen Regel!

Geburtshelfer, Eltern, Geschwister, Verwandte, Großeltern, Freunde, Erzieher, Gruppenleiter, Lehrer, Ausbilder, Vorgesetzte, Chefs, Ehefrauen und -männer, die eigenen Kinder, Therapeuten, Pädagogen, Ortspfarrer, Beichtväter, Bischöfe, Vereins-, Chor- und Kursleiter, Rettungshelfer, Ärzte, Krankenpfleger, Sterbebegleiter – überall Autoritäten. Kaum ein Tag im Leben, an dem man wirklich machen kann, was man will. Ständig Menschen, die in irgendeiner Form und Berechtigung Gehorsam erwarten und Einfluss nehmen auf das eigene Geschick. Äbte gibt es überall. Oder vielmehr: Anteile von Äbten. Der Abt, wie ihn Benedikt darstellt, lässt sich als Gesamtkunstwerk wohl nur im Kloster antreffen. Draußen gibt es niemanden, der eine ähnliche Position hat. Autoritäten existieren genug. Doch in den meisten Fällen fehlt ihnen jener familiär-liebende Einschlag, der für einen wirklichen Abt so wichtig ist. Die Erwartung von Gehorsam geht meistens nur in eine Richtung: Meinungsaustausch heißt, mit der eigenen Meinung zum Chef zu gehen und mit seiner wiederzukommen. Bessere Chefs als diese haben Seltenheitswert. Wer einen davon vorgesetzt bekommt, der pflege ihn sich gut!

Was unterscheidet den Abt von anderen Autoritäten? Ist jemand, der »in der Welt« nach benediktinischen Grundregeln leben will, verpflichtet, jedem Vorgesetzten gegenüber Gehorsam zu üben, wie er ihn als Mönch oder Nonne im Kloster leisten würde?

Einen Abt zeichnet es aus, dass für ihn die gemeinsame Regel der Klostergemeinschaft in noch höherem Maß gilt als für den einfachen Mönch. Ein Abt soll nicht in erster Linie Verantwortungsträger sein, sondern Vorbild. »Besonders wahre er in allem die vorliegende Regel« (RB 64,20), »er suche, mehr geliebt als gefürchtet zu werden« (RB 64,15), und »er wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll« (RB 64,8). Dem Gehorsam, den er von seinen Mitbrüdern erwarten kann, steht der Gehorsam gegenüber, den diese von ihm erwarten können. Gehorsam im benediktinischen Sinn meint ein gemeinschaftliches Hören aller auf den Willen der ganz großen Autorität, unter der sie leben. Vom Abt wird kein Befehlsvermögen erwartet, sondern eine noch größere Begabung, hinzuhören und unter den vielen Stimmen der Gemeinschaft diejenige des allumfassenden Gemeinschaftsstifters herauszuhören. Der Abt »vertritt im Kloster die Stelle Christi« (RB 2,2), das heißt, er soll sich bemühen, so zu handeln, wie Jesus handeln würde, wenn dieser an seiner Stelle Abt wäre. Meinungsaustausch im Kloster bedeutet also, mit der eigenen Meinung zum Herrn zu gehen und mit Seiner wiederzukommen. Ob eine Autorität wie ein Abt angesehen werden kann und ein Weltbenediktiner ihr demnach in ähnlichem Sinn gehorchen darf, hängt also davon ab, ob der Chef auch noch einen Herrn über sich hat, dem dieser gehorcht und ob es für beide derselbe Herr ist.

Er schenkt mir ein weites Herz

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