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I. Zugänge zur Religion in der Antike 1. Was ist Religion?

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An der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. trieben den Popularphilosophen und Biographen Plutarch zahlreiche Fragen um. Eine davon war: Warum verehren die Latiner den Specht und essen sein Fleisch nicht? Plutarch bot gleich drei Antworten an: Erstens, weil die mythologische Gestalt Picus von seiner Frau in einen Specht (lat. picus) verwandelt worden war, der Orakel erteilte. Zweitens, weil Romulus und Remus nicht nur von der Wölfin, sondern auch von einem Specht ernährt worden waren. Drittens, weil der Vogel zu Mars gehört (Moralia 268). Der Autor äußerte keine eigene Meinung, sondern überließ den Lesern die Entscheidung. Schon in der Antike spekulierte man über viele Bereiche des religiösen Feldes – oder sollte man sagen: der Religion?

Definition: Religion

Kaum ein Begriff entzieht sich so sehr einer trennscharfen Definition wie „Religion“. Wer es sich einfach machen möchte, verweist auf die Liste von mehr als 50 Definitionen von Religion in dem 1912 erschienenen Werk „A Psychological Study of Religion“ von James H. Leuba. Die Schwierigkeiten bei einer genauen Begriffsklärung von Religion liegen zum einen darin begründet, dass sich das Transzendente nie leicht greifen lässt. Zum anderen spiegeln sich in den unterschiedliche Definitionen die sich wandelnden Forschungsinteressen. Zwei Beispiele mögen genügen: Im ersten Band von „Der Glaube der Hellenen“ ist für Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff Religion „der ganz persönliche Glaube an das, was auf metaphysischem und moralischem Gebiete dem einzelnen als heilige Wahrheit gilt“ (1930, S. 12). Jörg Rüpke skizziert in „Die Religion der Römer“ Religion „als ein System von Zeichen oder Symbolen, die Wirklichkeit deuten, ja konstruieren helfen und Orientierung in dieser Wirklichkeit vermitteln“ (2001, S. 19). Während Wilamowitz-Moellendorff noch von Schleiermachers Auffassung von Religion als „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit von Gott“ geprägt ist, hat sich in den letzten Jahren bei der Untersuchung von Religion ein Kommunikationsparadigma durchgesetzt. Daher sitzen wir in der Falle der Relationalität: Als Beobachter arbeiten wir an der Konstruktion des zu Beobachtenden mit. Wer über die religiösen Traditionen der Antike schreibt, befindet sich in einem weiten Diskursfeld, muss aus den Angeboten an Quellen und an modernen Deutungen auswählen und stellt selbst wieder einen Baustein zur Verfügung.

Etymologie

Auch die gerne bemühte Etymologie hilft beim Verständnis von Religion nicht weiter. Obgleich sich das deutsche Wort „Religion“ vom lateinischen religio ableitet, sind diese beiden Begriffe keineswegs deckungsgleich. Hier ist zwischen der Objektsprache und der Metasprache zu unterscheiden: Objektsprache meint in diesem Fall die antike Terminologie, Metasprache unsere Begriffe. Das lateinische religio bezeichnet die „fromme Verehrung der Götter“ – cultus pius deorum (Cicero, De natura deorum 1,117), aber nicht ein theologisch untermauertes System von gemeinsamen Normen, Praktiken und Glaubensvorstellungen. Römische Autoren bieten zwei etymologische Herleitungen des Begriffes religio. Zum einen von religare, „binden“ (Lactanz, Divinae institutiones 4,28,3), zum anderen von relegere, „wiederlesen“ (Cicero, De natura deorum 2,72). Während die erste Version die Bindung zwischen Menschen und Göttern betont, wird im zweiten Erklärungsversuch der ritualistische Aspekt durch das ständige Wieder-Lesen – gemeint sind wohl die Ritualtexte – unterstrichen.

Antike Terminologie

Antike Religion war kein geschlossenes System wie etwa die „katholische Religion“ oder die „evangelische Religion“ – deren Kohärenz bei näherer Betrachtung durch nationale, regionale oder individuelle Spielräume gebrochen wird und überdies einer eigenen historischen Dynamik unterliegt –, sondern ein moderner Sammelbegriff für all das, was zur Religion der Griechen oder der Römer gehörte. Eine „römische Religion“ existierte ebenso wenig wie eine „griechische Religion“. Auch das Griechische kennt keinen Begriff für „Religion“, stattdessen eusebeia, die „Frömmigkeit“; die theon timai sind die „Ehren für die Götter“; die Termini hieros und hagios stehen für „heilig“, hosios für „fromm“. Im Lateinischen sind zu nennen: sacer „den Göttern geweiht“ und sanctus für „geschützt“. Zugleich stellt es kein unüberwindliches Problem dar, wenn in der Antike kein Begriff für das Phänomen existierte, was wir untersuchen wollen. Ähnliches gilt für viele weitere Bereiche. So werden etwa die antike Gesellschaft und Wirtschaft, antike Mentalitäten oder Diskurse analysiert, ohne dass es im Altertum Begriffe dafür gegeben hätte. Auch außerhalb der antiken Welt liegen ähnliche Befunde vor. In den Kulturen Indiens, Chinas und Japans gab es kein Wort für „Religion“, sehr wohl aber einflussreiche Religionen; erst durch den Kontakt mit den Europäern etablierten sich in den jeweiligen Sprachen Begriffe für „Religion“; Gleiches gilt für das Judentum. Die Bedeutung der psychischen Dimension von Religion, in zeitgenössischen Studien gut greifbar, können wir aufgrund der großen zeitlichen Distanz bestenfalls erahnen; daher ist auf diesem Gebiet Zurückhaltung angebracht.

Wer sich mit Religion in der Antike beschäftigt, ist daher gut beraten, auf eine allzu enge Definition zu verzichten. Vielleicht wäre es besser, das Wort „Religion“ zu vermeiden und stattdessen stets von einer „religiösen Tradition“ oder vom „religiösen Feld“ zu sprechen; aus pragmatischen Gründen wird sich jedoch immer wieder der verkürzende Terminus „Religion“ einschleichen. Was zunächst wie ein methodologischer Fehler erscheint, wird sich als Vorteil erweisen: Durch das Zulassen unscharfer Ränder eröffnet sich eine breitere Perspektive.

Religion und Gesellschaft

Antike Religion war „eingebettet“. Fast alle Aspekte des Lebens waren mit Ritualen und Göttern verbunden: Der Beginn einer Volksversammlung, einer Ratssitzung, eines Feldzugs oder einer Schlacht wurde durch Opfer und Gebet religiös markiert. Ähnliches trifft auch mutatis mutandis für die Individuen zu, vor allem vor dem Pflügen und bei der Ernte. Ein Blick auf die fragmentarisch erhaltenen Kalender lehrt, dass an zahlreichen Tagen im Jahr Rituale für die Götter stattfanden. Weissagung gab es in vielfacher Ausprägung; die Eingeweide des Opfertieres verrieten, ob man eine Schlacht beginnen sollte; Individuen fragten ein Orakel, ob sie eine Reise antreten sollten. Diese grobe Skizze soll zunächst genügen, um die ständige Präsenz von Religion zu verdeutlichen. Antike Religion war in solchem Maß eingebettet, dass sich bei einer Darstellung der Religion die Grenzen zur Geschichtsschreibung verwischen. Zugleich ist festzuhalten: Religion war nicht so stark, dass darüber dauerhaft Politik betrieben werden konnte. Wenn die Bürger einer Stadt gemeinsam ein Ritual vollführten, so mochte dies den Zusammenhalt stärken – insofern war Religion auch politisch. Aber es gab nicht die aufgeklärte Elite, die eine tumbe Masse durch Religion oder gar durch Furcht vor den Göttern manipulierte. Religion war in der Antike kein „Opium“ für das Volk. Die Idee, dass fremde Völker zu missionieren seien, lag außerhalb des Vorstellungshorizontes der Anhänger des polytheistischen Systems. Kulte wurden nur selten restriktiv behandelt, Kriege nicht im Namen eines Kultes geführt. Erst mit dem Aufkommen des Christentums entstand eine Radikalisierung von Religion, da die Christen nur ihren Gott akzeptierten. Weder in Griechenland noch in der römischen Welt gab es Theologen, dafür Dichter, Philosophen und eine ganze Menge anderer, die gleichberechtigt über die Götter, Mythen und Kulte nachdenken durften. Ferner war Religion in der Antike, wie Paul Veyne gezeigt hat, eine mehrheitliche Angelegenheit. Es war nie nötig, dass alle in gleichem Maße die Rituale vollzogen, Heiligtümer besuchten und die Mythen erzählten. Die Ränder des religiösen Feldes blieben stets unscharf.

Deshalb war die Religion der Griechen und Römer keineswegs so starr, wie viele Handbücher nahelegen. Religion ist ein Teil von Kultur und daher stets dynamisch. Selbst die so unbeweglich scheinende katholische Kirche erweist sich bei näherer Betrachtung ihrer Geschichte als höchst wandelbar. Für die Antike bedeutet dies: Mythen wurden unterschiedlich erzählt, Rituale liefen nicht immer streng nach demselben Schema ab, Priesterämter wandelten sich, neue Götter hatten Konjunktur, während andere vergessen wurden, um vielleicht nach langer Zeit wieder verehrt zu werden.

Unterschiede zur Moderne

Religion in der Antike unterscheidet sich von den modernen Religionen auf mehreren Ebenen: Offenbarungen und heilige Bücher, die durch geheimnisvolle Wege zu den Menschen kamen, spielten kaum eine Rolle, ebenso Initiationen, religiöse Unterweisung oder Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod. Antike Religion kannte kein Dogma, keine Orthodoxie und keinen speziellen Moralcode. Es gab keine charismatischen Religionsgründer, die für einen Bruch und Neuanfang stehen, wie Moses, Buddha, Jesus, Zoroaster oder Mohammed. Zugleich fordern diese Aussagen aufgrund der Komplexität der Materie Widerspruch heraus: Wir kennen Offenbarungen durch Träume oder Orakel; als Religionsgründer der Römer mag der zweite König Roms gelten, der mythenumrankte Numa Pompilius; Sokrates wurde trotz des Fehlens von Dogma und Orthodoxie wegen Asebie und der Einführung neuer Götter zum Tode verurteilt. Auch wenn es Heilige Schriften mit der Bedeutung der Bibel oder des Koran in der paganen Antike nicht gab, existierten Bücher, in denen vor allem Ritualanweisungen festgehalten waren. Hierzu gehören bei den Griechen die im Lauf der Jahrhunderte ausführlicher werdenden Orakelsammlungen. Um die Herkunft von Schriften mit kultischem Inhalt rankten sich oftmals Mythen. Die Sibyllinischen Bücher wurden einem der römischen Könige von einer alten Frau zum Kauf angeboten. Als dem König der Preis zu hoch war, schleuderte sie ein Drittel der Schriften ins Feuer; als der König immer noch nicht bezahlen wollte, verbrannte sie ein weiteres Drittel. Nun kaufte der König das verbleibende Drittel für den vollen Preis. Die etruskischen Haruspices führten ihre Schriften zur Eingeweideschau und zur Blitzdeutung auf einen Mann namens Tages zurück, der das Aussehen eines Knaben und die Weisheit eines Greises besaß und von einem Bauern aus der Erde gepflügt worden war. Besonders das Beispiel der Sibyllinischen Bücher zeigt die Tendenz, die sich bei solchen Sammlungen erkennen lässt: Einerseits ist immer wieder von Exklusivität die Rede, andererseits bleibt der Umfang der Texte nicht konstant. So soll einer der ersten Hüter der Sibyllinischen Bücher insgeheim einige Verse kopiert haben. Zur Strafe wurde er in einen Sack genäht und ins Meer geworfen. Als beim Brand des Kapitols 83 v. Chr. die Sibyllinischen Bücher verbrannten, markierte dies nicht das Ende einer Wissenstradition. Religiöse Texte, wohl zumeist Ritualanweisungen, wurden so emsig zusammengetragen, dass die neue Sammlung der Sibyllinischen Bücher stark anschwoll. Augustus machte sich 12 v. Chr. daran, diese Kollektion zu durchforsten und zu bestimmen, was als zugehörig galt und was nicht. Ein ähnlicher Kanonisierungsprozess ist auch von der Bibel bekannt. In der Kaiserzeit kursierten Orakelsammlungen unter dem Namen libri Sibyllini, welche die wichtigsten Ereignisse der römischen Geschichte in Form von Prophezeiungen ex eventu wiedergeben. Hieraus wird ersichtlich, dass der Inhalt von solchen mehr oder weniger geheimen Büchern sich wandeln kann.

Antike Texte zur Religion

Dass zumindest die Römer nicht immer glücklich waren, wenn neue Texte auftauchten, illustriert die folgende Begebenheit. Im Jahr 181 v. Chr. kamen in Rom zwei steinerne Sarkophage ans Tageslicht, die in lateinischer und in griechischer Sprache beschriftet waren. Im einen soll sich laut Aufschrift der Leichnam des Numa Pompilius, in der anderen sollen sich seine Schriften befunden haben. Leider ist die Quellenlage sehr widersprüchlich; bei einigen Autoren fehlt der Leichnam, bei anderen ist er vorhanden; ebenso besteht über Zahl und Inhalt der Bücher keine Übereinstimmung. Livius, der diese Episode am ausführlichsten schildert, lässt den Leichnam fehlen; im anderen Sarkophag befinden sich sieben Bücher in lateinischer Sprache zum Pontifikalrecht und sieben Bücher auf Griechisch zur Philosophie. Die Bücher wurden von einem Praetor, also nicht von einem Priester, mit der Zustimmung des Senats verbrannt (Livius 40,29,3–14). Es ist bemerkenswert, dass die Römer einen Fund verbrannten, der mit dem König in Verbindung gebracht wurde, der nach römischem Selbstverständnis zahlreiche religiöse Rituale gestiftet hatte. In der Folgezeit ging die Spur der Leiche Numas verloren, ebenso die Erinnerung an den Sarkophag. Hier bieten sich zwei Deutungsmöglichkeiten an. Zum einen kann es sein, dass die Römer in dieser Zeit nichts mehr mit dem König zu tun haben wollten; zu den Gründungsmythen der römischen Republik gehörte der Hass auf die Alleinherrscher. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Fund um eine Fälschung handelte oder dass zumindest dieser Verdacht aufkam; der Senat entledigte sich aller potentiellen Einflussnahme durch andere.

theologia tripertita

Eine Theologie im Sinne eines religiös-systematischen Überbaues gab es nicht. Gleichwohl findet sich der Begriff theologia (wörtlich: Götterlehre) in der Antike. Nach Varro, einem römischen Antiquar aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., der in dieser Passage nur bei dem Kirchenvater Augustinus überliefert ist, gab es drei Arten der theologia, die der Dichter (genus mythicon), die der Philosophen (genus physicon) und die des Gemeinwesens (genus civile; De civitate Dei 6,5). Zwei dieser Begriffe, mythicon und physicon, sind direkte Übernahmen aus dem Griechischen. Daher liegt es nahe, dass dieses Konzept auf griechische Denker zurückgeht; eine genaue Datierung ist indes nicht möglich. Was können wir mit dieser Information anfangen? Erste Möglichkeit: Da der Text bei einem christlichen Autor überliefert ist, der die „heidnische“ Religion widerlegen möchte, können wir das Konzept vernachlässigen, zumal frühere pagane Verfasser es nicht erwähnen; Cicero etwa, der ausführlich zu Fragen der Religion publiziert hat, nennt die theologia tripertita nicht. Zweite Möglichkeit: Die theologia tripertita ist ein Interpretationsinstrument, mit dem sich vor allem der literarische Umgang der Römer und auch der Griechen mit Religion – theologia ist ein griechisches Lehnwort – besser verstehen lässt. Damit standen bei der literarischen Verarbeitung von Religion drei Optionen zur Verfügung. Das genus mythicon erlaubte es, zu schreiben wie die Dichter; schon bei Homer tauchen Götter auf und greifen in das Leben der Menschen ein. Wer das genus physicon verwendete, also wie ein Philosoph schrieb, konnte eine wesentlich kritischere Haltung einnehmen, obwohl nicht alle Philosophenschulen so radikal waren wie die Epikureer, nach deren Ansicht die Götter sich nicht um die Menschen scherten. Im genus civile schließlich bestand die Möglichkeit, die Rede über die Götter dem anzupassen, wie die Gemeinwesen mit Religion umgingen. Auch wenn Cicero das Konzept der theologia tripertita nicht erwähnte, lässt es sich bei ihm erkennen. Während er in seinem fragmentarisch erhaltenen Epos über sein Konsulat eindrucksvolle Vorzeichen erscheinen ließ, nahm er in seinem philosophischen Werk „Über die Wahrsagekunst“ eine kritische Haltung gegenüber Vorzeichen ein. In der Rede über sein Haus, in der er darum kämpfte, sein Haus wieder aufbauen zu dürfen, das während seiner Verbannung niedergerissen und dessen Grundstück in ein Heiligtum verwandelt worden war, argumentierte Cicero innerhalb der priesterlichen Diskurse. Dass Aussagen über Religion situativ unterschiedlich ausfallen mochten, verwundert nicht. Die theologia tripertita war ein Versuch, diese Spielräume in einem Konzept zu fassen; es war offensichtlich entscheidend, welches literarische Genre ein Autor bediente. Ferner kann es gut sein, dass dieser dreifachen Theologie auch im Alltagsleben eine gewisse Bedeutung zukam: Nicht in jeder Lebenslage musste man den gleichen Grad an Götterfurcht zeigen.

Chronologie

Über welche Zeiten wissen wir Bescheid? Historisch greifbaren Boden gewinnen wir mit den ersten Texten, also mit den homerischen Epen Ilias und Odyssee, die ins späte 8. Jahrhundert v. Chr. zu datieren sind. Besser wird die Quellenlage erst für das 5. Jahrhundert v. Chr. In der römischen Geschichte gehen lange Zeit die Uhren langsamer. Historisch gesichert ist frühestens das 4. Jahrhundert v. Chr. Auch wenn die Archäologie Einblicke in frühere Zeiten erlaubt, bleibt der Wissenszugewinn auf Bauzeiten von Tempeln oder Funde aus den Heiligtümern begrenzt; wie sich Einstellungen in Dingen der Religion änderten, zeigen solche Funde kaum an. Oft genug ist unsere Quellenlage dünn und widersprüchlich. Wenn man vor einem Regal mit den antiken Quellen steht, ist man versucht, jedes einzelne Werk zum nicht repräsentativen Einzelfall zu erklären: Homer ist zeitlich nicht klar einzuordnen und steht in einer langen Tradition, die Tragödien bieten nur die athenische Perspektive, Herodot fabuliert gerne, Thukydides schert sich kaum um Religion, Cicero übersetzt heute verlorene griechische Texte und führt dabei einen Elitendiskurs, Livius schreibt aus der stadtrömischen Perspektive, Vergil imitiert Homer, Petronius übertreibt in seiner Satire, Lukian ist mindestens doppelbödig, Pausanias berichtet nur, was in sein Raster passt, Iulian versucht das Rad zurückzudrehen, die Kirchenväter verzerren alles, wenn sie sich über die pagane Religion äußern. Mit den so genannten „Hilfswissenschaften“ der Althistorie sieht es nicht besser aus: Inschriften spiegeln Einzelfälle, Münzen bieten stark verknappte Aussagen, Papyri zeigen allenfalls die Lebenswelten in Ägypten. Und um die Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen zu verstehen, brauchen wir die Texte. Kein Bereich der Antike ist so schwierig und zugleich so reizvoll wie die Religion. Dies spiegelt sich auch in den immer wieder neuen wissenschaftlichen Zugängen zum Thema.

Religion in der Antike

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