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Eine Tugend in Misskredit

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Keuschheit hat zunächst nichts mit sexueller Enthaltsamkeit zu tun. Diese falsche Gleichsetzung wurde über Jahrhunderte auch innerhalb der Kirche vorgenommen und kommt in der aszetischen Literatur immer noch und immer wieder vor. Die Identifizierung von Keuschheit und sexueller Enthaltsamkeit und deren weltfremde Überbetonung hat zu vielfältigen Karikierungen Anlass gegeben. Ihre Verherrlichung als überlegene (religiöse) Lebensform4 hat sie insgesamt in Misskredit gebracht, so dass viele Zeitgenoss(inn)en allein schon beim Hören des Begriffs „Keuschheit“ innere Aversionen gegen diese Tugend entwickeln5. Man mutmaßt, mit einem vorgestrigen Tugendmodell Herausforderungen heutiger Sexualethik ausblenden zu wollen, in der Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen, abgeschlossenen religiösen (Sonder-)Welt.

Richtig verstanden, gehört eine keusche Gesinnung zu den Grundhaltungen aller, die in der Seelsorge tätig sind und tagtäglich mit Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen zu tun haben. Im Weihegebet zur Diakonenweihe findet diese innere Haltung Erwähnung: „Das Evangelium Christi durchdringe ihr Leben. Selbstlose Liebe sei ihnen eigen, unermüdliche Sorge für die Kranken und die Armen. Mit Würde und Bescheidenheit sollen sie allen begegnen, lauter im Wesen und treu im geistlichen Dienste.“6 Mit „selbstloser Liebe“, nachgehender, echter „Sorge“, „Würde und Bescheidenheit“ und vor allem mit dem Hinweis auf das „lautere Wesen“ und die „Treue im Dienen“ klingen bereits wesentliche Dimensionen der Keuschheit an. Nach einem kurzen Blick in die Ikonographie sollen diese deutlich werden.

Geist & Leben 4/2021

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