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Keuschheit und Macht

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Der Missbrauchsskandal hat Kirche wie Gesellschaft neu dafür sensibilisiert, wie sehr asymmetrische Beziehungen anfällig sind für missbräuchliches Verhalten. Viele Situationen der Seelsorge weisen ein Machtgefälle auf und erfordern bei den Verantwortlichen eine besondere Sorgfaltspflicht. Mit Hilfe von Verhaltenskodizes wird im Sinne der Prävention ein Rahmen abgesteckt, der angemessene Verhaltensweisen normiert und zur Reflexion des eigenen Agierens anhält. Das enthebt jedoch nicht davon, sich selbst im Sinne der Keuschheit um besondere Sensibilität für die jeweilige Situation zu mühen. Gerade die Keuschheit weiß um die Verletzlichkeit besonders schutzbedürftiger Menschen. Von daher verbietet sie es sich, die Schwachheit anderer in unangemessener Weise auszunutzen und der Versuchung nachzugeben, deren Ausgeliefertsein schändlich zu missbrauchen. Im Gegensatz dazu versteht gerade der keusche Mensch die Verletzlichkeit anderer als Anruf zu besonderer Achtsamkeit. Das verlangt nach der Fähigkeit zu echter Empathie und liebevoller Fürsorge.

Geist & Leben 4/2021

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