Читать книгу Gott der Philosophen - Wilhelm Weischedel - Страница 58

§ 16. Die Gnosis 1. Das Schicksal der Seele

Оглавление

Eine eigentümlich christliche, wenn auch alsbald von der Kirche als häretisch verworfene Philosophie entwickelt sich dagegen im Zusammenhang einer weitreichenden, auch den griechisch bestimmten Hellenismus sowie das hellenistische Judentum umgreifenden Bewegung: der Gnosis. Sie ist zwar, worauf Rudolf Bultmann hinweist, unstreitig „eine religiöse Bewegung vorchristlichen Ursprungs“1 Im Rahmen der Geschichte der Philosophischen Theologie wird sie jedoch vor allem in ihrer christlichen Ausprägung, der auch ihre vorzüglichsten Vertreter (Basileides und Valentinos) angehören, bedeutsam. Diese christlichen Gnostiker sind, wie Adolf von Harnack formuliert, „die Theologen des ersten Jahrhunderts“, aber ihre Theologie ist „identisch mit dem Ergebnis der Religionsphilosophie“.2 Das aber besagt: Hier wird auf dem Boden des Christentums in ausgesprochener Weise Philosophische Theologie getrieben.

Den Ausgangspunkt des gnostischen Denkens3 bildet das Gefühl der Heimatlosigkeit in der Welt, das dem spätantiken Menschen überhaupt eigen ist. Sie wird von den Gnostikern als das wesensmäßige Geschick des Menschen verstanden. In Anknüpfung an orientalische Mythologeme, an orphische Überlieferungen aus der griechischen Frühzeit, an die griechischen und hellenistischen Mysterien, aber auch im Anschluß an Gedanken des Pythagoras und Platons und in Verwandtschaft mit der Grundstimmung des späteren Neuplatonismus, wird die Seele als ein auf diese Erde verirrter Fremdling angesehen. Sie wird, wie es der sogenannte „Naassenerhymnos“ oder „Naassenerpsalm“ schildert, „in ihrer Anstrengung müde, vom Tode beherrscht“; „ausweglos … gerät sie umherirrend ins Labyrinth“; „sie sucht dem bitteren Chaos zu entfliehen und weiß nicht, wie sie durchkommen wird“ (H V 10, 2).

In dieser Sicht muß sich der Mensch als ein seltsam zwiespältiges Wesen erscheinen; die Seele – so führt der „Naassenerhymnos“ aus – „sieht das Licht“, aber zugleich „weint sie, ins Elend hinausgeworfen“ (H V 10, 2). Einerseits ist der Mensch mit seinem Leibe und zum Teil auch mit seiner Seele der Welt verhaftet, in Sünden und Begierden verstrickt und den die Welt beherrschenden dämonischen Mächten unterworfen. Von dem Gnostiker Simon Magus wird der Satz überliefert: „Häßlicher … als alle Finsternisse und drückender als aller Schmutz ist dieser Körper, von dem die Seele umgeben wird.“4 Im gleichen Sinne vergleicht Valentinos das Herz einer „Herberge“, die „oftmals von Kot erfüllt ist“; es ist „unrein, vieler Dämonen Behausung“ (C II 114, 5f.). Aber der Mensch – oder wenigstens der auserwählte Mensch – findet zugleich in sich selber etwas, das er nur auf einen göttlichen Ursprung zurückführen kann und in dem er sein wahres und eigentliches Selbst erblickt: das „Pneumatische“ oder die „pneumatische Substanz“ (J I 6, 1f.), wie es die Valentinianer nennen; einen „Samen des von oben her stammenden Wesens“ (C II 36, 2), unverderblich im Menschen liegend wie „Gold im Schmutz“ (J I 6, 2).

Gott der Philosophen

Подняться наверх