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3. Die Rückkehr der Seele

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Die Weltwerdung vom obersten Gott her ist nicht das Ende des kosmischen Prozesses. Vielmehr kommt nun alles darauf an, daß die pneumatischen Samen des Göttlichen, die in die Welt versprengt sind und in dieser als die Fremdlinge sich nach oben sehnen, wieder in das Pieroma zurückehren. Dazu bedarf es einer bestimmten Haltung des Menschen: der Abstreifung des Irdischen und der dieses bestimmenden Endlichkeit. Valentinos sagt in einer Predigt: „Von Anfang an seid ihr unsterblich und seid Kinder des ewigen Lebens, und den Tod wolltet ihr euch zuteilen lassen, damit ihr ihn verbrauchen und auflösen möget und der Tod in euch und durch euch sterbe …; ihr herrscht … über allen Untergang“ (C IV 89, 2f.). In ähnlicher Weise wird in der „Pistis Sophia“ den Pneumatikern gesagt: „Indem ihr der ganzen Welt und der in ihr befindlichen Materie entsagt habt und habt nicht nachgelassen zu suchen, bis daß ihr alle Mysterien des Lichtreiches fändet“, seid ihr „gereinigtes Licht geworden“.6 Gnosis ist also „Erlösung des inneren Menschen“ (J I 21, 4). Mit dieser ist aber auch das Ende der gesamten Welt herbeigekommen. Wenn „die Pneumatiker … unüberwunden und ungesehen in das Pieroma eingehen …, wird das in der Welt verborgene Feuer aufleuchten und alle Materie anzünden und zerstören und wird zugleich mit dieser verzehrt und wird in das Nichtmehrsein eingehen“ (J I 7, 1).

Diese Weise nun, in der sich die Erlösung des Pneumatikers von der Welt vollzieht, ist eben die „Gnosis“ als eine besondere Art von Erkenntnis. Sie ist Selbsterkenntnis, aber nicht im Sinne einer Vertiefung in das eigene Innere, sondern als Einsicht in die allgemeine Situation des Menschen: „Erkenntnis, wer wir waren, was wir geworden sind; wo wir waren, wo wir hineingeworfen sind; wo wir uns mühen, woher wir losgekauft sind; was Geburt ist, was Wiedergeburt.“7 Diese „Gnosis“ richtet sich also nicht, wie das Erkennen im ursprünglichen Griechentum, auf die Weltwirklichkeit, sondern auf den Menschen, und sie entspringt nicht aus der Freude am Wissen, sondern aus der Sehnsucht nach Erlösung. Indem sie Einsicht in das Geschick des Menschen verschafft, belehrt sie über dessen faktisches Unheil und über sein mögliches Heil. Philosophieren wird zur Heilslehre. Als solche aber ist sie zugleich das, was das Heil auch tatsächlich zu bringen vermag: im Vollzug der „Gnosis“ als solcher besteht schon der Aufstieg in die obere Region; sie ist, wie es der „Naassenerhymnos“ ausdrückt, „das Verborgene des heiligen Weges“ (H V 10, 2). Wer diesen beschreitet, der kann schon im irdischen Dasein überzeugt sein, „in das Pieroma eingegangen“ zu sein (] III 15, 2).

Indem die „Gnosis“ in diesem Sinne Selbsterkenntnis des Menschen ist, ist sie zugleich Einsicht in das Wesen der oberen Welt, zu der der Erkennende in seinem Erkennen aufsteigt; das „Evangelium“, so lehren die Anhänger des Basileides, ist „die Erkenntnis des Überweltlichen“ (H VII 27, 7). Die Verfechtung beider Erkenntnisregionen wird in einem Satz aus der Sekte der Ophiten deutlich ausgesprochen: „Anfang der Vollendung ist Gnosis des Menschen, Gnosis Gottes (ist) vollständige Vollendung“ (H V 8, 38).

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