Читать книгу Persönlichkeit und Menschenführung - Wolfgang Schmidbauer - Страница 6

Führung und Erziehung

Оглавление

Führung hat viel mit Erziehung gemeinsam. Sie ist gewissermaßen der Oberbegriff: Jede Erziehung hat Elemente von Führung, aber nicht jede Führung Elemente von Erziehung. Der Schwerpunkt der Führung richtet sich nicht auf die Veränderung von Individuen, die von einem unreifen oder unwissenden Zustand in reifere beziehungsweise wissendere Zustände über-»führt« werden sollen, sondern auf den Einsatz von Individuen, ihre Motivation und Koordination, das heißt die Stimulierung ihrer Fähigkeiten, zusammenzuarbeiten und etwas zustande zu bringen.

Das Entscheidende an Führung ist eine aktivierende Qualität, nicht Macht. Macht hat auch die Amme über den Säugling oder der Pfleger über den Kranken; Führung übernehmen sie dann, wenn sie ihre Schützlinge nicht passiv halten und versorgen, sondern aktiv dazu bewegen, dass diese Dinge tun, die ohne den Einfluss der Führung nicht zustande kämen. Wichtig ist somit, dass man dem Leiter3 zutraut zu führen, aber nicht der Auffassung ist, er würde einem Arbeit abnehmen.

Wer führt, bringt Menschen dazu, Dinge für ihn zu tun. Er nimmt ihnen keine Lasten ab, sondern verteilt die Lasten so, dass jeder in seinen Kräften gefordert und auch gefördert wird. Daher ist es, wie schon Machiavelli (s. S. 93 und 199) festgestellt hat, für den Leiter wichtiger, respektiert zu werden als geliebt. Wenn sich Liebe und Respekt verbinden lassen, ist es noch besser, aber wenn er auf eines von beiden verzichten muss, verzichtet er besser auf die Liebe als auf den Respekt.

Im Alltag müssen wir uns nur in Ausnahmefällen entscheiden, entweder den Respekt oder die Liebe preiszugeben, denn beide hängen doch sehr eng zusammen und treten meist verschwistert auf. Wir alle streben nach Achtung und nach Liebe. Unbegründete Gleichgültigkeit gegenüber eigenen oder fremden Liebesbedürfnissen trägt nicht zum Respekt bei. Wo aber der Respekt gefährdet ist, darf die Rücksicht auf Liebesbedürfnisse den Leiter niemals davon abhalten, ihn – auch um den Preis von Liebesverlust – wiederherzustellen.

Wer den Respekt verliert, kann nicht mehr führen; wer die Liebe verloren hat, bleibt durch den Respekt handlungsfähig und ist in der Lage, sie zurückzugewinnen. Respektverlust ist mit einem Leck im Rumpf eines Schiffes zu vergleichen, Liebesverlust mit einem Ausfall der Heizung. Ein Defekt, durch den das ganze Schiff sinken kann, verdient größere Aufmerksamkeit als ein Defekt, der nur unangenehm ist. Wenn freilich dieser Defekt länger andauert, wird er zwar nicht zum Untergang des Schiffes, aber doch zu Gesundheitsschäden der Besatzung führen. So töricht es ist, ein Leck zu vernachlässigen, um die Heizung zu warten, so wichtig ist es, sich bei dichtem Rumpf sogleich um die Reparatur der Heizung zu bemühen.

Persönlichkeit und Menschenführung

Подняться наверх