Читать книгу Verborgen hinter Schleiern - A. B. Schuetze - Страница 8

Anklage wider Willen

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Hätte Julius auch nur geahnt, welch einen Hype der Große Menanim um ihn machte, er wäre wohl nicht mit nach Adanwe gekommen. Genau diese Dankbarkeit über Gebühr war ihm zuwider. Trotzdem trat er ohne Zögern nach vorn.

Der kleine Balkon war der Galerie vorgelagert, die die gesamte Höhle umrundete. Es bedurfte schon einiges an Mut und Vertrauen, diesen zu betreten. Die Höhle war sowohl in Höhe und Tiefe riesig und ein Ende nicht zu erahnen. Auf diesen Balkon zu treten, bedeutete, unter sich einen unendlichen Abgrund zu haben.

Julius verbeugte sich ehrerbietig vor dem Geist der allwissenden Steine. „Ich bin … Nun, sagen wir so … Ich freue mich über den Dank, aber es war kein großes Ding für mich. Und das sollte es eigentlich für niemanden sein. Es sollte als eine Selbstverständlichkeit erachtet werden. … Ähm … Was das Zuhause anbelangt … So gern ich auch meine Freunde …“ Ein Blick zurück zu seiner Schwester, die in einiger Entfernung von ihm stand, zeigte trotz der rotgeweinten Augen den ablehnenden Ausdruck in ihrem Gesicht. „… und meine Schwester in Adanwe besuche, hat mir die Reaktion auf den Grund meines jetzigen Aufenthaltes gezeigt, dass ich nicht glaube, mich hier dauerhaft wohlfühlen zu können.“

Ohne sich um das empörte Stöhnen und Gemurmel, welches durch die Reihen der Versammelten ging, zu kümmern, fuhr er an den Großen Menanim gewandt fort. „Das Einzige, was ich von euch erbitten möchte … Gebt Kan Hayat eine faire Chance. Er hätte sich dem, wie er behandelt wird, nicht aussetzen müssen. Es war sein eigener Wille, seine Entscheidung nach Adanwe zu kommen und vor Euch, Großer Menanim, und dem Hohen Rat Rede und Antwort zu stehen. Keiner hat ihn beeinflusst, dies zu tun. Nicht Arabienne, seine Seelengefährtin, die bereit ist, was auch kommen mag, an seiner Seite zu bleiben; nicht Fabrice, Lochlann oder Manuel; nicht die McCullens, die Eltern von Arabienne. Keiner. … Gewiss hätte er sofort die geflohenen Anhänger des selbst ernannten Gottes der Finsternis oder wie er sich sonst noch nannte … dunkler Herrscher der Welt und Gebieter über Sucht, Sünde und Verderbtheit … verfolgen, vernichten und sich danach aus dem Staub machen können, wobei er der vollen Unterstützung unserer kleinen Gruppe sicher sein konnte. Aber er wollte es nicht. Also fragen wir uns: … Warum?“

Na das liegt doch klar auf der Hand. Das sind eben seine richtigen Freunde. Außerdem kann seine Existenz sowie sein Aufenthaltsort nicht auf Dauer geheim gehalten werden. Irgendwann wäre er sowieso geschnappt worden. Arjana und Kieron hätten ewig nach ihrer Tochter gesucht und sie über kurz oder lang gefunden. Somit natürlich auch den Verbrecher. Außerdem … dem Großen Menanim entgeht nichts. Er ist der Geist der allwissenden Steine und hat unendliches Wissen, welches er auf jeden Fall den McCullens zur Verfügung gestellt hätte.“

Hätte, hätte Fahrradkette. Total sinnfrei, aber einer meiner Lieblingssprüche“, murmelte Fabrice laut genug für die anderen in seiner Gruppe, die ein allgemeines Lachen gerade so unterdrücken konnten. Gemeinsam nahmen sie Silas, der mit seinem Einwurf wahrscheinlich Stimmung gegen Kan Hayat machen wollte, aufs Korn und warfen ihm böse Blicke zu.

Julius sah mit gerunzelter Stirn und erhobenen Augenbrauen den Mann ebenfalls an. Und je länger er ihn anschaute und das zustimmende Kopfnicken der Umstehenden wahrnahm, begann es langsam in ihm zu brodeln. Dieses überschätzte, ja beinahe blinde Vertrauen in Menanim und die geringe Meinung über andere ärgerte ihn. Sind das wirklich die Salwidizer, die unter uns Menschen leben? Wir würden dieses Verhalten als fanatisch bezeichnen.

Ursprünglich wollte Julius sich nicht hinreißen lassen, die gleichen Argumente wie bei Judith und Rudolfo vorzubringen. Aber er würde nicht das Handeln von Kan Hayat und das Zutun seiner Gruppe infrage stellen lassen. „Hätte er das?! Könnte er das?! … Dann frage ich mich natürlich, warum hat er es denn nicht längst getan? Warum wusste er nicht, dass Arjana und Kieron siebenhundert Jahre in Papotene bei Luruna gelebt haben, die ja auch eine Salwidizerin ist; dass sie dort zwei Kinder zur Welt gebracht haben, die ja unumstritten Salwidizer sind; dass Kan Hayat zum Zeitpunkt von Rolands Geburt erneut auf der Erde auftauchte; dass Voland hier in Adanwe einen Mord begangen und drei Kindern die Mutter genommen und sie voneinander getrennt hatte?!“

Abrupt hielt Julius inne. Das wollte er definitiv nicht sagen. Er hatte sich hinreißen lassen und nicht nachgedacht. Es war ihm im Eifer des Gefechts herausgerutscht und es tat ihm aufrichtig leid. Mit Trauer und Scham in den Augen sah er zu Richard, Jean und ihren Familien hinüber.

Es tut mir leid. … Es tut mir leid, Letzteres angesprochen zu haben. Und ich räume durchaus ein, dass Menanim großes Wissen angesammelt und möglicherweise in andere Anderwelten keinen Einblick hatte, um die Situationen in Papotene und auch in Volands Welt zu erkennen. Aber dennoch sind viele Tausend Fragen ungeklärt. … Okay, dazu müsste sich natürlich einer die Fragen stellen, was anscheinend nicht der Fall ist. … Entschuldigt, aber ich bin nur ein sterblicher Mensch, wie mir kürzlich klargemacht wurde, und ich verstehe nicht viel vom Leben und der Denkweise der Salwidizer. Aber eins weiß ich mit Sicherheit … Entweder der Große Menanim enthält euch Informationen vor oder er weiß es selbst nicht besser, weil … Nun, vielleicht geht mich das alles auch gar nichts an, denn ich gehöre nicht hierher. Allerdings würde ich an eurer Stelle Antworten haben wollen und so einiges hinterfragen, denn wenn dem so ist, dass ihm nichts verborgen bleibt, dann ist diese Anhörung eine einzige Farce.“

Das war's dann wohl. Ich habe mich total daneben benommen und Menanim beleidigt und das gesamte Volk Adanwes gegen mich aufgebracht. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich unter den Umständen meine Freunde noch Freunde nennen, ist so gut wie unmöglich. Einen Teil von ihnen habe ich ja schon verloren, als ich nur erwähnte, Kan Hayat zu verteidigen. … Ach was soll's. Julius verbeugte sich vor Menanim und trat ohne ein weiteres Wort den Rückzug an. Es war alles gesagt. Schon erwartete er eine Eskorte hinter sich zu sehen, die ihn zur magischen Barriere brachte. Zu seinem Erstaunen blickte er stattdessen in begeisterte Gesichter.

Die geschlossene Gruppe um Kan war an den Balkon getreten, um Julius den Rücken zu stärken. Keiner hatte mit einer derart hitzigen und anklagenden Rede gerechnet. Doch mit jedem Satz, mit jedem Wort begannen sie die Ironie ihres eigenen Lebens, die Julius ihnen vor Augen führte, zu erkennen. In der Welt der Menschen waren sie anerkannte Bürger in teilweise hochrangigen Positionen … Forscher, Wissenschaftler, Doktoren und Professoren, Manager und Vorstandsmitglieder, selbst der eine oder andere Politiker war dabei. Und hier in Adanwe sahen sie den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Sie hielten ihre jahrtausendealten Traditionen und Riten aufrecht und vertrauten blindlings dem Großen Menanim und dem Hohen Rat. Sicher gab es eine Zeit, in der das richtig und angebracht war. Nur, während die Zeit voranschritt und um sie herum sich alles veränderte, stagnierten sie in ihrer Entwicklung. Wie konnte das passieren? Lebten sie schon zu lange unter den Menschen und betrachteten ihre Heimat als Zufluchtsort?

Zu Hause in Adanwe sein, war wie Urlaub vom Alltag. Da war es angenehm, sich auf jemanden zu verlassen, der eh alles wusste, und sich ohne große Probleme stets an ihn wenden zu können. Dennoch … Gerade in den letzten Jahren häuften sich die Anzeichen, dass etwas nicht mehr so war, wie es sein sollte. Jeder wusste, dass die Welt der Nacht die magische Barriere geschwächt hatte und dem Großen Menanim immer mehr Informationen verborgen geblieben waren. Jedoch gingen auch alle davon aus, dass sich dies alles mit dem Verschwinden von Volands Welt normalisiert hatte. Welch fataler Fehler. Wissen, was verloren war, kam nicht wieder. Nur leider sahen das allem Anschein nach nicht alle so.

Mit einem hast du recht. Du bist kein Salwidizer und verstehst unsere Lebensweise nicht. Deshalb finden wir es anmaßend von dir, uns Unwissenheit und Desinteresse zu unterstellen. Das ist eine Beleidigung des Großen Menanim, des Hohen Rates und des gesamten salwidizischen Volkes. … Großer Menanim, wir fordern deshalb, diesen Menschen aus Adanwe zu verweisen und das von Euch ausgesprochene Bleiberecht rückgängig zu machen.“

Wen meinst du denn mit wir, Silas? Sicherlich nicht die Gruppe hinter Julius. Ebenso wenig meine Familie und definitiv nicht mich. Helena? Raidon?“

Helena starrte noch immer Julius mit offenen Mund an. Hatte er das soeben wirklich gesagt? Wie oft habe ich mir schon die Frage gestellt, wozu der Hohe Rat von Nutzen sein soll, wenn er doch ständig gegen den Fortschritt in Adanwe plädiert. Aber wenn selbst Menanim dahinter steckt? … Wie oft bin ich wegen meiner Taten mit den Ratsmitgliedern zusammengestoßen? Und nun kommt er daher und stellt das Leben in Adanwe einfach so infrage. Unglaublich und doch so … so … so fantastisch. „Natürlich spricht Silas nicht für mich“, empörte sie sich unverzüglich und klappte beschämt, ertappt worden zu sein, ihren Mund zu.

Als sie und ihr Seelengefährte mit dem Kopf schüttelten, fuhr Rudolfo fort: „Du kannst bestenfalls für dich sprechen, Silas, und nicht für die Gesamtheit unseres Volkes. … Ich finde die von Julius angebrachten Fakten nicht so verkehrt und wir sollten Menanim und den Hohen Rat bitten, dazu Stellung zu nehmen.“

Das gehört nicht in diese Anhörung. Hier geht es nur um den Verbrecher. Ihr wollt euch doch nicht etwa alle auf seine Seite stellen!“, konterte Silas.

Über so viel bornierte Beharrlichkeit schüttelte Rudolfo vehement den Kopf. Er konnte ja verstehen, dass sich einige Salwidizer von Julius' Worten angegriffen fühlten, dennoch sollte sich jeder eingestehen, dass sie ein Körnchen Wahrheit enthielten. Sei es nur die Tatsache, dass der Große Menanim nicht alles wusste, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart. Er traute dem Geist der allwissenden Steine aber nicht zu, dem Volk Wissen verheimlicht zu haben. Kaum auszudenken. … Wie viele Tränen wurden dann umsonst geweint, wie viel Leid umsonst ertragen, wenn es an dem wäre, dass Menanim alles wusste. … Warum ist uns das nicht selbst schon viel eher aufgefallen? Dann macht man sich Gedanken und schon wird man als Feind eingestuft.

Rudolfo wollte eine deftige Antwort geben. Nur weil sie zu Julius hielten, standen sie noch lange nicht auf der Seite eines Verbrechers. Wobei, eine Schuld Kan Hayats noch nicht bewiesen war.

Maritta stoppte ihn, noch bevor er den Mund aufmachen konnte. Sie selbst antwortete Silas. „Julius ist ein lieber junger Mann. Die meisten von uns kennen ihn und wissen das. Eigentlich wollte er nur, dass Kan Hayat eine faire Chance bekommt. Ihr habt es alle gehört. Dass er dann diese anderen Aspekte hervorbrachte, lag nur daran, dass du ihn mit provokanten Äußerungen herausgefordert hast. Denk lieber darüber nach, ob er nicht vielleicht doch recht hat und hör endlich auf, alle anzustacheln. Im Übrigen, Silas, du kanntest Voland doch überhaupt nicht persönlich. Kaum einer von uns kannte ihn, sondern nur die Berichte über seine Taten. Und für diese wurde er zur Rechenschaft gezogen. Was wir aber nicht wissen, ist, was mit ihm passierte, nachdem er ohne Lebensstein und eingehüllt in Sternensilber durch das Portal ins Nirgendwo geschickt wurde. Die Auswirkungen von Sternensilber sind ja wohl jedem bekannt. Nur für dich noch einmal zum besseren Verständnis: … Es entzieht bei Berührung jedem Salwidizer alle Energie und legt seinen Geist lahm. Also sollten wir uns fragen, wie er das überleben konnte und wie es ihn verändert hat. … Ich denke, wir sollten uns alle beruhigen, damit es weiter gehen kann.“ Maritta fächelte sich frische Luft zu. So viel hatte sie noch nie vor versammelter Mannschaft gesprochen.

Das ist mein Weib,“ flüsterte ihr Rudolfo stolz ins Ohr. Auch Marco klopften ihr anerkennend auf die Schulter und musterte Silas, der murrend abwinkte.

Ich kann doch nicht zulassen, dass sie den armen Jungen fertigmachen. Und dann ausgerechnet der, der Adanwe noch nie verlassen hat, weil er auf einen Platz im Rat hofft“, rechtfertigte sich Maritta entrüstet, legte ihre Arme um Rudolfos Mitte und schaute besorgt, wie Julius auf die Anfeindungen reagierte.

Julius hatte gemeinsam mit den Männern und Frauen, die hinter ihm standen, die Auseinandersetzung zwischen den Renzinis und einem der anderen Salwidzer mit Spannung beobachtet. Es war gut zu wissen, dass unabhängig von der Einstellung zu Kan Hayat die Sympathien für ihn noch genau so stark waren wie eh und je. Dankbar verneigte er sich in ihre Richtung.

Er sah ein Daumen hoch von Marco und gleichzeitig schossen Worte durch seinen Kopf. Tolle Ansprache. Du hast meine vollste Anerkennung. Nicht jeder traut sich so offen seine Meinung kundzutun. Da hast du genau ins Schwarze getroffen. Dem folgte ein mentaler Stupser, wie er ihn heute schon einmal vernommen hatte.

Marco? Ähm … Was … Julius forschte in Marcos Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen. Der verzog indessen nicht eine Miene und stellte ein absolut ausdrucksloses Gesicht zur Schau, bis sich sein leises Lachen den Weg in Julius' Kopf bahnte. Mit einem Mal wurde ihm klar, was Marco da tat. Oh, Mann. Auch wenn ich selbst nicht telepathisch veranlagt bin, kann Filius mir seine Gedanken schicken … und meine lesen. Warum? Normalerweise darf er das gar nicht ohne meine Erlaubnis. Ich sollte vielleicht lieber meine mentale Mauer errichten.

Er sah ein leichtes Kopfschütteln seines Freundes und verwarf daraufhin den Gedanken wieder. Stumm starrten sich die beiden Männer an, bis eine mahnende Stimme an Julius' Ohr drang und er erschrocken zusammenzuckte.

Julius! Wenn du dich dann bitte wieder meiner Wenigkeit zuwenden würdest?!“

Oh, Scheiße! Menanim! Und er entwickelt Humor? Das ist bestimmt nicht gut. Wie oft hat er mich denn schon angesprochen? Langsam dreht sich Julius wieder dem Antlitz auf dem silbernen Obsidian zu. Sein Herz pochte so laut, dass er dachte, ein jeder müsste es hören. Schließlich hatte er ja nicht gerade ein Blatt vor den Mund genommen und bei richtiger Betrachtung den Großen Menanim mehr oder weniger angeklagt. Sollte das ohne Konsequenzen für ihn bleiben?

Erneut verbeugte er sich vor dem Geist der allwissenden Steine. Das war nicht nur eine Frage des Anstandes, sondern mehr des Respekts.

Großer Menanim. Was immer ihr mit mir nach meinem Auftritt geplant habt, ich stehe für das Gesagte, obwohl ich mich dazu habe hinreißen lassen. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen oder die Worte gar zurücknehmen. Das ist einzig meine Meinung und jeder von euch könnte sie zu jeder Zeit in meinen Gedanken finden und lesen. … Ich weiß, dass Salwidizer die Privatsphäre anderer respektieren, selbstredend kenne ich aber auch diese kleine Unart.“

Junger Mann! Wir haben dich schon verstanden. Jetzt schweig, bevor du dich um Kopf und Kragen redest!“, donnerte Menanim, scheinbar genervt vom Redeschwall dieses Menschen.

Der machte ein entschuldigendes Gesicht und setzte zu einem Okay an.

Julius! Heute und hier wird nur über Kan Hayat verhandelt werden. Das Thema, welches dir so dein Menschenhirn zermartert, verlege ich im Anschluss auf einen anderen Tag. Du bekommst deine Antworten. Es kommt nicht häufig vor, dass mich jemand mit derartigen Vorwürfen bombardiert. Wenn ich es genau betrachte, ist es noch niemals geschehen. … Schade eigentlich.“ Menanim wurde bei seiner Rede von Satz zu Satz immer leiser, bis er die letzten beiden Worte nur noch nuschelte.

Plötzlich schüttelte er sich, als ob er sich auf etwas besinnen müsste und ohne nochmals auf das vorangegangene Ereignis einzugehen, fuhr er mit der Tagesordnung fort. „Der nächste Punkt: Kan Hayat. … Wer aus der Gruppe möchte uns darüber informieren, wie es dazu kam, dass ihr diesen Mann gefunden und mitgebracht habt? … Fabrice Bruno?“

So wie es aussah, war Julius nunmehr entlassen und Fabrice nahm seinen Platz auf dem Balkon ein. Genau wie zuvor sein Freund verbeugte er sich vor dem Antlitz des Großen Menanim. Dann begann er ohne Umschweife von ihrem Auftrag zu erzählen. Sie sollten Adanna, Arabienne und Giles, die schon seit mehr als zwanzig Jahren als vermisst galten, finden. Ein Zufall brachte Giles und seine Lilly in die Detektei, die von Charlotte, Manuel und Fabrice geführt wurde. Eine Nachrichtenübertragung im Fernsehen, die über den Tod eines IT-Spezialisten und das Verschwinden seiner Verlobten Anna Braun berichtete, tat das Übrige, um auf die richtige Fährte zu stoßen. Weitere Ausführungen untermalten das Geschehen, was Julius sowohl seiner Schwester als auch Rudolfo bereits anvertraut hatte. Sie hatten den Aufenthaltsort Adannas gefunden und waren bei ihrer Rettung auf Kan Hayat gestoßen.

Und genau da hättet ihr ihn auch lassen sollen. Hinter Gittern aus Sternensilber.“ Während alle Anwesenden augenscheinlich ruhig dem Bericht folgten, konnte oder wollte sich Silas einfach nicht zurückhalten.

Nicht schon wieder. Fabrice, lass dich nicht aus der Ruhe bringen. Langsam drehte sich Fabrice um. „Hättest du eine Salwidizerin ihrem Schicksal überlassen? Arabienne ist Kans Seelengefährtin und wurde als solche ebenso in dieser Zelle gefangen gehalten. Was meinst du, welche Optionen wir wohl hatten?“ Er war selbst erstaunt, wie ruhig er die Fragen nicht nur an Silas, sondern auch an diejenigen, die ihre Handlungen verurteilten, stellte.

Mit einem Male war es mucksmäuschenstill in der Vita.

Alle wussten, ein Salwidizer hatte nur eine Seelengefährtin. Egal wie alt sie wurden, es gab nur die Eine. Bisher gab es keine Überlieferungen, ob es sich bei geborenen Salwidizerinnen genauso verhielt. Luruna zum Beispiel konnte sich im Gegensatz zu einem männlichen Salwidizer, der nur bei seiner Seelengefährtin ein erigiertes Glied bekam, mit vielen Männern paaren und gebären. Also brauchte Arabienne diesen Kan aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht, um sich fortzupflanzen. Allerdings waren die Kinder dann keine Salwidizer. Eine ganz andere Sache war: … Ein Salwidizer oder eine Salwidizerin konnte ohne einen Seelengefährten nicht überleben. War das nur eine Überlieferung oder war da wahrhaftig etwas dran? Bisher schien es so, denn entweder gingen beide zusammen durch den großen Abgrund ins nächste Leben oder aber der Hinterbliebene folgte seinem Partner freiwillig.

Also was wäre passiert, wenn sie Arabienne mitgenommen und Kan Hayat dort gelassen hätten? Ganz davon abgesehen, dass das nie geschehen wäre. Und die McCullens? Wie hätten sie reagiert?

Es gab zu viele Hätte und Wenn , um sagen zu können, ob Fabrice und seine Leute richtig gehandelt hatten. Mit einem mussten alle Fabrice recht geben, keiner ihres Volkes wurde jemals im Stich gelassen. Wenn Hilfe von Nöten war, wurde sie auch gewährt.

Okay, schon gut. Es war eure einzige Option, diesen Kerl mitzubringen. Was erwartet ihr nun, soll mit ihm werden? Egal, was wir tun, wir haben ein Problem, welches weiterhin bestehen bleibt. Nämlich seine ... Seelengefährtin.“

Was? So ein Idiot. Na warte! „Ich! Bin! Kein! Problem!“ Arabienne stand stolz erhobenen Hauptes neben Kan und blitzte Silas kämpferisch an. So hatte sie in ihrem ganzen Leben noch niemand bezeichnet. Ein Problem. Vieles ist sie schon gewesen. Aber kein Problem. „Es mag ja sein, dass du um einiges älter bist als ich. Aber ich möchte arg bezweifeln, dass dein Erfahrungsschatz meinem nur annähernd das Wasser reichen kann. Das fängt schon bei dem Seelengefährten an. Also zügel deine Zunge. Leg dich nicht mit einer McCullen an.“

Aus den Reihen der gegenüberliegenden Seite drang ein volles männliches Lachen zu ihnen herüber.

Georg McCullen bahnte sich seinen Weg nach vorn. „Gut gesprochen, kleine Schwester. Du bist mit Sicherheit so manches, aber kein Problem. Ich weiß, ich habe mich geweigert, dich kennenzulernen. Mein Fehler. Trotzdem, in deiner Haut möchte ich nicht stecken. Wie soll es denn deiner Meinung nach mit deinem Seelengefährten weitergehen?“

Verborgen hinter Schleiern

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