Читать книгу Geheimnis des Feueropals - A. B. Schuetze - Страница 5

Eine schwarze Rose

Оглавление

Auf eine seltsame Weise aufgewühlt von ihrem Albtraum stieg Corri unter die Dusche.

Ein Albtraum. War es ein Albtraum? Beklemmende Emotionen? Angsteinflößende Bilder? Ja okay, ich hatte Angst. Ich wollte aufwachen. Aber doch nicht nur. Allein bei dem Gedanken an die vergangene Nacht und die dunkle Erotik verkrampften sich die Muskeln ihres Geschlecht unter einem wohligen Schauer und ließen sie aufstöhnen.

Entsetzt über ihre Empfindungen in Anbetracht ihres Traumes schüttelte sie sich. Das kalte Wasser sollte diese Erinnerungen vertreiben. Zum einen war es absolut unangebracht in solchen zu schwelgen und zum anderen konnte sie es sich heute nicht leisten, zu spät ins Büro zu kommen. Sie sollte ihr erstes eigenes Projekt bekommen.

Ein millionenschwerer Auftrag war an das Architekturbüro Richter & Söhne herangetragen worden. Trotz des Protestes ihrer Chefs hatte der Auftraggeber explizit nach Frau Langner … also nach ihr … verlangt. Seine Instruktionen waren eindeutig. Sie sollte das entsprechende Konzept sowohl für Innen- und Außenbauten erarbeiten, alle notwendigen Maßnahmen planen und organisieren, als auch die Leitung über deren Umsetzung übernehmen. Ferner hatte der Vertragspartner, ein geheimnisvoller Herr … von und zu …, sehr subtil auf den Fall hingewiesen, andere Wege beschreiten zu müssen, sollten die Wünsche seines Mandanten nicht erfüllt werden können.

Ausgerechnet Corri. Hatte sie doch erst im vergangenen Sommer ihren Bachelor für Innenarchitektur gemacht und war somit die Jüngste und Unerfahrenste in der Firma. Von der Arbeit eines guten Architekten hatte sie nur minimalistisch Ahnung. Da ging es sehr viel mehr um bautechnische Kenntnisse, Wärmedämmung, Isolierung und was alles noch so dazugehörte. Sollte dies bei dem Vorhaben nötig werden, musste sie ohnehin einen Fachmann hinzuziehen. Ein Gewerke mehr oder weniger … davor scheute sie sich nicht. Da der Kunde aber ausdrücklich nur mit ihr arbeiten wollte, würde der Seniorchef auf Schritt und Tritt ein Auge auf sie haben. Und das konnte ungemein nerven.

Geduscht und sich gründlich abgetrocknet legte Corri dezent Make-up auf und stecke ihr Haar zu einem lockeren Dutt auf. Vor ihrem Kleiderschrank grübelte sie, welche Garderobe dem Anlass angemessen wäre. „Wenn du ein wichtiges Gespräch führen willst, dann trage Blau, denn es fördert die Sachlichkeit und Präzision bei deiner Denkarbeit und Kommunikation!“ So sagte immer ihre alte Professorin. Deshalb entschied sie sich für ein kornblumenblaues Kostüm. Ein Blick in den Spiegel, dann auf die Uhr. Schnell noch Ohrringe, Kette … Pumps, Handtasche … und schon war sie aus der Wohnungstür.

Im Vorbeieilen am Briefkasten sah sie einen Umschlag herausschauen. Nanu? So früh am Morgen schon Post? Oder habe ich gestern den Kasten nicht geleert? Corri griff nach dem Kuvert und öffnete ihn, während sie hinaus auf die Straße trat. Überrascht hielt sie eine Karte für das Musical Phantom der Oper am heutigen Abend in der Hand. Eine Visitenkarte fiel ihr vor die Füße. Schon beim Aufheben begann ihr Blut kribbelnd durch ihre Adern zu rasen.

Feinstes Papier mit Intarsien und …

Was war es nur, was Corri so verwirrte?

Sie drehte die Karte in der Hand und schwankte leicht.

In einer starken markanten Männerhandschrift stand da geschrieben: „Danke für die atemberaubenden Stunden“

Atemberaubende Stunden? Wer …? Ihr Herz schlug schon wieder schneller. Dieser Geruch … Sie kannte ihn. Aber woher? Hannes? Benutzte Hannes dieses Parfum? Aber diese Schrift … Wollte er sich einen Scherz mit mir erlauben? Corri schüttelte leicht den Kopf. Nein. Nicht Hannes. Dieser schwere Duft nach Moosen und Hölzern. Kein gewöhnlicher Duft. Er hat einen Hauch von … Luxus. Dann diese Zeilen. Eine starke markante Männerhandschrift. Eindeutig. Corri ist sich da ganz sicher. Hatte sie doch während ihres Studiums als Nebenfach Kunst in Stilrichtung Kalligraphie belegt. Gerade verlaufende Zeilen, aufrechte Buchstaben, sehr große und rhythmische Handschrift lassen auf eine introvertierte Persönlichkeit mit einem Hang zu Eitelkeit, Arroganz und Egoismus schließen. Wer mochte nur …

„Guten Morgen, Corri, nun aber schnell, bevor der alte Richter auftaucht. Die Unterlagen für deine Besprechung liegen schon auf deinem Schreibtisch.“

Corri nickte Maren verlegen zu. Sie hatte über ihrer Grübelei gar nicht bemerkt, dass sie soeben die Büroräume von Richter & Söhne betreten hatte. Erst die Begrüßung durch ihre Freundin brachte sie ins Hier und Jetzt zurück. Zu dumm aber auch. Jetzt laufe ich schon wie eine Traumwandlerin durch die Gegend. Ärgerlich steckte Corri den Umschlag, welchen sie noch immer in der Hand hielt, in ihre Handtasche. Bestimmt gibt es eine einfache Erklärung für das alles. Wird sich wohl einer meiner Freunde einen Scherz mit mir erlaubt haben. Zur Strafe, weil ich nicht mehr mit um die Häuser gezogen bin.

„Guten Morgen, Maren. Du weißt nicht zufällig …“ Der mahnende Blick der Chefsekretärin ließ sie verstummen. Verstehend winkte sie ihr zu, steuerte den Kaffeeautomaten an und genehmigte sich einen großen, schwarzen Espresso aus der Maschine.

Die Unterlagen für das neue Projekt lagen in einem weniger vorzeigbarem Ordner auf ihrem Platz. 'Klosterzeile 13' las Corri und warf Maren einen fragenden Blick zu. Diese zuckte jedoch nur mit den Schultern und ihre Mimik schien zu sagen: Tja, genau das ist es. Resigniert stieß Corri einen Seufzer aus. Alles hatte sie erwartet, nur nicht ausgerechnet das.

Seit Jahrzehnten fand sich kein Investor für dieses Objekt. Der Zustand des Ordners allein sagte schon alles darüber aus. Klosterzeile 13 ... ein altes Patrizierhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert mit einem großen verwilderten Garten. Im Allgemeinen wurde bei diesem Anwesen nur von des Klosters Geisterstätte gesprochen. Es war allgemein bekannt, dass es da nicht mit rechten Dingen zuging. Diverse Spuk-Geschichten kursierten seit jeher im Ort. Die ganz Alten bekreuzigten sich sogar, wenn sie auf dem Weg über die kleine Steinbrücke in den angrenzenden Wald an diesem Haus vorbeikamen. Der Bürgermeister war schon seit ewigen Zeiten bemüht gewesen, einen Käufer für diesen Schandfleck der Gegend zu finden.

„Nun, hat der alte Kauz wohl endlich einen exzentrischen Millionär gefunden, dem er diese alte Bruchbude schmackhaft gemacht hat?“, konnte sich Corri nicht verkneifen zu sagen, verdrehte die Augen und zeigte Maren ein verschmitztes Grinsen.

Plötzlich zuckte sie zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Er stand in der Tür. Groß, schlank und doch muskulös … Eine imposante Erscheinung.

„Guten Tag! … Entschuldigen Sie, aber ich glaube, wir sind verabredet. Frau Langner … nehme ich an?“

Der Fremde stand in der Tür und schien Corri mit seinen mitternachtsblauen Augen zu durchbohren. Sein für einen Mann fast zu fein geschnittenes Gesicht ließ keine Emotionen erkennen. Er blickte völlig ausdruckslos.

Ohne von Corris verdutztem Gesichtsausdruck … große Augen und offenstehender Mund … Notiz zu nehmen, fuhr er fort: „Mein Name ist von Briesing, Richard von Briesing. Ich vertrete den exzentrischen Millionär bei der Instandsetzung seiner … Bruchbude.“

Augenblicklich fing sich Corri, schloss ihren Mund und räusperte sich. Musste ausgerechnet dieser Typ meine unprofessionellen Bemerkungen über den Bürgermeister, das Haus und meinen neuen Boss hören? Mist! Mist! Mist! Hoffentlich mache ich es nicht noch schlimmer.

Als ob sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hätte, verzogen sich jetzt seine Lippen zu einem kaum merkbaren Lächeln.

„Ähm …“ Verwirrt erhob sich Corri und begrüßte nun ihrerseits Herrn von Briesing. Entschuldigend bat sie ihn, in einem der bequemen Sessel im Verhandlungszimmer Platz zu nehmen. „Herr Richter wird jede Minute erscheinen, um das Projekt mit Ihnen … und mir … durchzugehen. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas anbieten? Kaffee? Tee? …“

„Danke. Nein. … Darf ich Sie Corri nennen? … Ich möchte die Angelegenheiten mit Ihnen gern vor Ort besprechen. Und zwar nur mit Ihnen. Es interessiert unseren gemeinsamen Boss nicht, was Ihr Chef dazu zu sagen hat. Nur Ihre Meinung zählt. Der Wagen wartet draußen.“

„Wagen? Vor Ort?“ Corri wirkte verunsichert. Außentermine gleich beim ersten Treffen waren in der Firma unüblich und sie wusste nicht …

„Ja. Ja sicher. Gehen Sie schon, Mädchen! Wenn Herr von Briesing es so wünscht. Sie wissen doch: Der Kunde ist König.“ Richter Senior hatte soeben seinen kleinen kahlen Kopf mit der viel zu großen Nickelbrille auf der spitzen Nase durch die Tür gesteckt und die Worte des Kunden mit angehört. Nun wedelte er aufgeregt mit der Hand und deutete damit an, dass Corri gehen sollte.

Sie packte schnell alle Unterlagen zusammen und folgte von Briesing hinaus. Das kann jetzt aber nicht sein. Nicht dieses Auto. Wie peinlich! „Das ist aber jetzt nicht Ihr Ernst? Ich kann unmöglich in dieses Auto einsteigen“, stieß Corri hervor, ohne darüber nachzudenken, als sie den schwarz-dunkelroten Maybach direkt vor dem Bürogebäude stehen sah.

Von Briesing zog eine Augenbraue nach oben und sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Nicht?“

Der Chauffeur hielt ihr freundlich die Tür auf.

Corri fühlte sich sichtlich unwohl. Nicht nur, dass dieses Auto alle Aufmerksamkeit auf sich zog, auch an den Fenstern des Bürohauses gafften die Angestellten ihr hinterher.

Richard von Briesing schien davon unbeeindruckt. Er drängte sie einzusteigen und nahm noch immer lächelnd neben ihr Platz.

Unbehaglich rückte sie ein Stück von ihm weg und nahm argwöhnisch das Innere des Autos in Augenschein. Die Innenausstattung des Zeppelin nahm ihr fast den Atem.

Die exklusive Lederausstattung in Beige stand im unglaublichen Kontrast zu dem Tiefschwarz der Lackoberflächen der Zierteile. Eine ungewöhnliche Steppung der Sitzflächen und Rückenlehnen … ein Sitzgefühl ohnegleichen. Die Füße ruhten auf echten Fellen. Auch im Interieur wiesen dezent angebrachte Schriftzüge auf die stilvolle Eleganz der Luxuslimousine hin.

„Gefällt Ihnen, was sie sehen, Corri?“, riss von Briesing sie aus ihrer Betrachtung. „Dieser Wagen wird Ihnen inklusive Fahrer ab sofort zur Verfügung stehen. Conrad wird sie bei Bedarf vom Büro abholen und wieder zurückbringen.“

Conrad, der Chauffeur, zwinkerte ihr nickend im Rückspiegel zu. Auch um seinen Mund spielte dieses spöttische Lächeln, welches, entgegen bei von Briesing, auch seine Augen erreichte.

„Auf keinen Fall. Ich werde mich auf keinen Fall wie … wie … na wie irgend so eine Schickimicki-Tussi durch die Gegend chauffieren lassen. Der Wagen geht mal gar nicht. Der kostet doch bestimmt mindestens das Zehnfache meines Autos“, stellte Corri entrüstet klar.

„Sie haben ein Auto?“

Was? Diese Frage brachte sie endgültig aus der Fassung. „Nein. Hab ich nicht. Aber wenn ich eins hätte“, gab sie deshalb etwas zu unwirsch zur Antwort.

Wie aus heiterem Himmel wurde Corri leicht schwindelig und sie musste sich kurz zurücklehnen. Da ist er wieder. Ganz schwach nur. Der Duft nach Moos und Holz. Woher ist mir diese Parfum-Note nur so vertraut? Mit zittrigen Finger nestelte sie an ihrer Handtasche, um ein Taschentuch zu suchen. Dabei bemerkte sie den Umschlag vom Morgen. Sofort fiel ihr ein, sie wollte doch Maren nach der Musical-Karte fragen … aber dieser markante …

„Corri? Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind auf einmal so blass. Fehlt Ihnen etwas? Kann ich Ihnen vielleicht etwas anbieten? Ein Glas Wasser … Sekt …?“

„Danke. Es geht schon wieder. Scheint wohl die ganze Aufregung zu sein. Ich brauch nur ein wenig frische Luft. … Und wir sind ja sowieso gleich da.“

Der Wagen hielt vor dem alten, äußerst baufälligen Patrizierhaus am Rande der Stadt. Es machte mehr als nur einen unheimlichen Eindruck.

Zum Teil waren die Fenster mit dunklen Stoffen verhängt, zum Teil durch halb zerfallene Fensterläden dürftig geschützt und in der unteren Etage mit Brettern vernagelt. Im Dach klafften an mehreren Stellen große Löcher. Demnach war mit enormen Wasserschäden im Haus zu rechnen. An mehreren Balken des Holzskelettes hatte sich der Holzwurm gütlich getan. Dieses Haus mochte zu seiner Zeit ein formidables Fachwerkhaus gewesen sein, von Prunk und Reichtum zeugend. Davon war nun kaum noch etwas zu erahnen.

Von Briesing öffnete die Tür, die in ein großes, reich verziertes Tor eingearbeitet war. Er ließ Corri den Vortritt in das dunkle, kalte Gemäuer.

Eine riesige Halle tat sich vor ihr auf. Hoch, weit. Ihre gesamte Wohnung musste sich in diesem Raum verlieren. Fenster, die bis unter die Decke einer umlaufenden Galerie reichten, säumten sowohl die Seite des Einganges als auch die gegenüberliegende mit Zugang zum weitläufigen Garten. Linker Hand befand sich eine Freitreppe ins darüberliegende Geschoss. Rechts stand ein massiver Schreibtisch, eine Chesterfield Sitzecke bestehend aus zwei Zweisitzern und vier Sesseln aus schwarz-grünem Büffelleder und einer Bar. Alles passend aufeinander abgestimmt und hervorragend für ein Herrenzimmer geeignet. Ein Teil des Mobiliars war wegen der Bauarbeiten weitestgehend mit Tüchern abgedeckt.

Corri stand mit staunenden Augen da und nahm diese faszinierende Architektur in sich auf. „Warum, Herr von Briesing …“

„Sagen Sie Richard zu mir, bitte“, unterbrach von Briesing sie. „Das wird uns eine lange Zeit der Zusammenarbeit erleichtern und vielleicht näherbringen?“

Corri blickte nachdenklich zu ihm auf. HmNäherbringen. Wie ist das denn gemeint? War da schon wieder dieses spöttische Lächeln? „Nun, Richard. Warum haben Sie mich als Innenarchitektin verpflichtet, wenn doch ein Architekt für die bauliche Erhaltung der Substanz von größerem Nutzen ist? Warum also mich, eine Innenarchitektin?“

Während Richard an den schweren Eichentisch in der hinteren Ecke der Halle trat, erläuterte er Corri die Vorgehensweise und die Pläne ihres gemeinsamen Auftraggebers.

Sie sollte neben ihm die hauptsächliche Ansprechpartnerin für alle Subunternehmer sein. Als Innenarchitektin oblag es ihr, sich ein genaues Bild des Hauses und dessen Räumlichkeiten zu machen, Pläne für die Innengestaltung zu erstellen und mit den Architekten etwaige Umbauten abzustimmen. Für die Wiederherstellung der Fassade, die denkmalgeschützt war, zeichnete zwar der Architekt in Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalschutz verantwortlich, unterstand aber trotzdem Corri.

Irgendwie war es von Briesing gelungen, ihre Frage nach dem Warum gerade sie? zu umgehen. Und es schien im Moment, als würde sie nie die Beweggründe erfahren. Er führte Corri durch das weitläufige Haus, zeigte ihr die verschiedenen Etagen und erklärte ihr die Wünsche des Besitzers hinsichtlich der Ausstattung, die da waren: Sie solle nach Gutdünken und ihren persönlichen Vorstellungen das Haus einrichten.

„Sehr aussagekräftig, die Wünsche vom Boss. Er lässt mir also freie Hand? … Wie ist er so? Alt, jung, verheiratet, Beruf, Hobbys? Ich meine …“

„Sie sind eine äußerst neugierige Person. Alles was Sie wissen müssen … Nun, denken Sie einfach, Sie müssten es für mich einrichten und vergessen Sie nicht die weibliche Note für die Dame des Hauses.“ Gerade noch hielt Richard sie zurück, bevor sie einen Fuß auf die Treppe zum obersten Stockwerk setzen konnte. „Da oben muss nichts gemacht werden. Dieses Stockwerk ist so in Ordnung, wie es ist. Auch würde ich Sie bitten, niemals, aber auch niemals, dort hinaufzugehen. Der Boss sieht es nicht gern, wenn Fremde sein Heiligtum betreten.“

Hm … Okay. Trotzdem seltsam. Gleich so … energisch. Alles was Corri am heutigen Tag über das Haus und seinen Eigentümer erfahren hatte, war seltsam genug, dass sie lediglich mit den Schultern zuckte und kehrt machte. Einen letzten, flüchtigen Blick auf die Tür am Ende der Treppe, die aus dunklem, edlem Holz gearbeitet wurde … und von der ein ihr bekanntes Fluidum ausging. Dieser Duft erinnert an … Vielleicht ist es ja das Haus? Das viele Holz. Sie schüttelte mal wieder verwirrt den Kopf und grinste dann in sich hinein. Bevor ich noch durchdrehe, brauche ich dringend eine positive Ablenkung. Feierabend und Musical.

***

Corri hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, ihre Freunde nach der Karte zu fragen. Das Meeting draußen im Patrizierhaus hatte sich in die Länge gezogen. Von Briesing hatte sie danach direkt bis nach Hause fahren lassen.

Eigentlich stand Corri nach dem gestrigen Kinobesuch weniger der Sinn nach Musical. Da es aber ihr Lieblingsmusical war und sie nicht wusste, wann sich so eine Gelegenheit wieder bieten würde, konnte sie nicht widerstehen. Und so saß sie nach einem seltsam aufregenden Tag in der wohl begehrtesten und wahrscheinlich auch teuersten Loge und wartete gespannt auf den edlen Spender ihrer Karte.

Der Hauch eines Bouquets aus exotischen Hölzern erfüllte plötzlich die Loge. Corri verspürte einen Luftzug im Rücken, der eine leichte Gänsehaut hinterließ. Das musste der geheimnisvolle Unbekannte sein. Sie wagte nicht, sich zu bewegen.

Als sich jedoch nichts hinter ihr rührte, drehte sie sich langsam um. Ihre Augen wurden groß. Da war … keiner. Niemand. Hatten ihr ihre Sinne einen Streich gespielt? Und dennoch lag ein schwerer Duft nach kostbarem Agarholz und Sandelholz in der Luft … und sie fühlte sich beobachtet.

Durch ein Klopfen an der Tür der Loge zuckte sie zusammen.

Ein Page brachte eine kleine Auswahl erlesener Pralinés und Champagner. „Wenn das Fräulein noch irgendwelche Wünsche …“

„Nein. Nein, danke“, unterbrach Corri ihn, von diesem Service bass erstaunt. „Oder … vielleicht doch. Können Sie mir sagen, wer diese Loge gemietet hat?“

Der Diener verneinte bedauernd und zog sich zurück.

Die Lichter gingen aus, und das Musical begann.

Verstohlen blickte Corri sich in der Loge um. Bewegte sich da nicht der Vorhang? … Wohl nicht. Ihr Blick blieb an den Kostbarkeiten, die der livrierte Junge gebracht hatte, hängen. Wer lässt sich das alles was kosten, ohne es auch nur zu genießen? Das ist alles so seltsam. Corri grübelte vor sich hin, verlor sich dann aber in der Handlung und der Musik. Sie vergaß alles um sich herum … dass sie allein in der schönsten Loge des Theaters saß … dass jemand in unmittelbarer Nähe sein musste … Sie war der Gegenwart gänzlich entrückt.

Ein leicht hingehauchtes, mysteriöses Cooriii … Cooriii riss sie aus ihren Träumen. Sie schaute sich um. Wieder ein Lufthauch und dieses Odeur. Aber da war niemand. Hatte sie sich die ruhige, rauchige Stimme eben nur eingebildet? Oh, ich werde schon verrückt. Ständig dieser männliche, sinnliche Duft, der Hauch, als streiche jemand über meine Haut, und jetzt noch Stimmen.

Corri fiel es schwer, wieder in die Handlung auf der Bühne zu finden. Ihre Sinne waren geschärft auf die übernatürlichen Phänomene in ihrer Umgebung. Als sie plötzlich eine Tür ins Schloss fallen hörte, sprang sie auf und lief hinaus ins Foyer. Aber weit und breit war niemand zu sehen.

Da sie nicht mehr damit rechnete, ihren geheimnisvollen Gastgeber kennenzulernen, beschloss sie, nicht mehr zurückzugehen, sondern den Heimweg anzutreten.

Schon beim Betreten der Straße spürte sie stechende Augen auf sich gerichtet, konnte aber nicht sagen ... woher. Bei jedem Schritt, der in der menschenleeren Straße widerhallte, drehte Corri sich um. Sie wurde das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden. Die Straßen waren im Zeitalter des Stromsparens nur spärlich beleuchtet und boten alles andere als Sicherheit.

Nur noch die nächste Ecke und ich bin fast zu Hause. Wieder drehte sie sich um. Und wieder hörte sie dieses leise, hypnotische Cooriii … Sie konnte jedoch wie schon zuvor niemanden sehen.

Waren das schwere Schritte in der Nähe? Das Rascheln eines langen Mantels? Panisch öffnete sie mit zitternden Fingern den Fahrstuhl zu ihrer Wohnung und atmete erst auf, als sich dieser in Bewegung setzte. Nochmals ein Blick auf die Straße hinunter … Niemand. Niemand war da. Niemand hatte sie verfolgt.

Erleichtert atmete Corri mehrmals tief aus und ein. Sie schloss die Wohnungstür auf und …

Oh nein! Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen erstarrte sie. Sie konnte sich eben noch an der Wand abstützen, bevor ihre Beine nachgaben.

Auf dem Spiegelschränkchen im Korridor stand eine Vase mit einer schwarzen Rose. Daneben lag die gleiche Karte, mit der gleichen starken, markanten Männerhandschrift und den gleichen Worten: „Danke für die atemberaubenden Stunden“

Geheimnis des Feueropals

Подняться наверх