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Vorwort

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Glühende Funken stoben im Rhythmus der bebenden Erde in den wolkenfreien Nachthimmel und verwandelten sich dort in funkelnde Sterne, die den vollen Mond in einem silbernen Reigen umgaben.

Männer, Frauen und Kinder saßen, sich wie in Trance wiegend und singend, im Halbkreis um ein Lagerfeuer.

Ihnen gegenüber thronte auf einem Podest aus weiß polierten Knochen das Oberhaupt des Stammes. Die Königin. Tochter der Göttin Luruna.

Trotz ihres hohen Alters ließ sich noch immer ihre einstmalige Schönheit erahnen. Über einem schlichten weißen Leinengewand, welches sich eng um ihren schlanken Körper legte, hatte sie einen knöchellangen Umhang aus Wolfspelzen gelegt. Statt einer Krone zierte der Kopf eines Wolfes das bereits ergraute Haar, welches ihr in üppigen Locken bis zur Taille reichte.

Wie aus Stein gemeißelt, blickte die Königin stolz erhobenen Hauptes in die Ferne. Ihre tiefblauen Augen schienen nicht mehr in dieser Welt zu weilen.

Zu ihren Füßen knieten beidseitig zwei Jünglinge auf allen Vieren, nur bekleidet mit einem Wolfspelz und einer Wolfskopfmaske.

Junge Männer, ebenfalls in Wolfsfelle gehüllt, stampften tanzend zum Klang mehrerer Trommeln um das Feuer und stimmten im Einklang mit den beiden Jünglingen den Gesang der Wölfe an.

Der Mond, der wie eine riesige gelbe Scheibe am Himmel hing, schien sich allmählich blutrot zu färben. Aus den umliegenden Wäldern stieg träge aber stetig weißer Nebel auf, der die Lichtung einzuhüllen drohte. Die Luft kühlte merklich ab.

Eiskalt kroch es den sieben Männern unter die sonst wärmende Outdoorbekleidung.

Sie gehörten hier nicht her. Das wurde ihnen schlagartig klar. Wenngleich sie von der Bevölkerung freundlich und zuvorkommend aufgenommen wurden, … Vielleicht auch viel zu freundlich? Als ob man auf sie gewartet hatte. … sollten sie nicht länger hier verweilen, sondern ihre Sachen packen und sich umgehend auf den Weg hinab ins Tal machen. Dort wurden sie ohnehin in zwei Wochen erwartet.

Henry stieß leicht Sebastian an. „Wir müssen sehen,

dass wir von hier verschwinden, so lange wir es noch können. Ich habe ein ganz mulmiges Gefühl. … Wir sind hier in irgendein Ritual hineingeraten. … Ich weiß auch nicht. Sag den anderen Bescheid.“

Flüsternd und ohne Aufmerksamkeit zu erregen, gab der Jüngere die Nachricht an die anderen weiter. Auch diese hatten die Wirkung des Gesanges und Tanzes gespürt. Es lag etwas in der Luft. Sie sollten hier nicht sein.

Das Dorf sollte hier nicht sein.

Keiner hatte ihnen gesagt, dass sie auf dem Weg durch die Wildnis auf Eingeborene oder wie auch immer man diesen wild lebenden Stamm bezeichnen mochte, treffen würden. Stets war nur von Outdoor-Sport als Auseinandersetzung mit der Natur, Selbstüberwindung und Abenteuer mit seinem Nervenkitzel und Risiken in einem Gebiet weitab der Zivilisation die Rede.

Dabei sollten sie für naturwissenschaftliche Forschungen des Instituts, welches die Unternehmung finanzierte, verschiedene Messungen durchführen sowie Proben von Flora und Fauna sammeln.

Dann stand da plötzlich dieses Dorf vor ihnen. Einfach aus dem Nichts. Ein ganzes Dorf. In keiner Karte verzeichnet. Wie aus dem Boden gestampft.

Der Nebel hatte mittlerweile das Dorf und den umliegenden Wald vollkommen verschluckt und rund um den

Schauplatz haltgemacht. Er wuchs nun wie eine undurchdringliche Wand zum Himmel empor.

Abrupt schwiegen die Trommeln. Der Gesang der Wölfe verstummte. Absolute Stille legte sich über die Landschaft. Eine Stille, in der jede Bewegung eingefroren zu sein schien. Selbst die Flammen des lodernden Lagerfeuers erweckten den Eindruck, erstarrt zu sein.

Majestätisch erhob sich die Königin. Sie erstrahlte in einem gleißenden Licht. Mit nach oben geöffneten Händen streckte sie die Arme nach vorn und schuf einen hellen, leuchtenden Tunnel in den Nebel hinein.

„Hohe Göttin Luruna, das Volk der Caluoc hat sich heute hier versammelt, um dir einen jungen Mann zuzuführen, dessen Samen uns eine neue Königin an meiner Statt aus deinem Schoße schenken möge. Sei uns gnädig und beehre uns …“

Beim Klang der sanften, jedoch zugleich mystischen Stimme der im Licht stehenden Frau standen den Fremden alle Haare zu Berge. Es war höchste Zeit für den Rückzug. Henry gab das Zeichen.

Zum Glück achtete keiner der Eingeborenen auf sie, denn aller Augen waren auf das Licht im Nebel gerichtet. Die Freunde nutzten die Situation und entfernten sich Schritt um Schritt seitwärts von diesem Schauspiel in den Nebel hinein.

Sebastian starrte reihum und hielt Ausschau nach seinem Bruder. Der stand ganz vorn in der ersten Reihe.„Thomas!“, zischte Sebastian ihm zu. „Thomas! Los jetzt! Lass uns gehen! Komm schon!“

Doch Thomas winkte nur verärgert ab und verfolgte voller gespannter Erwartung das Geschehen. Er wollte, nein, er musste einfach wissen, auf wen diese Menschen warteten.

„Thomas bitte! Die anderen sind schon auf dem Weg!“, drängte Sebastian ungeduldig seinen Bruder.

„Geht einfach. Ich komme nach“, murmelte dieser geistesabwesend und schritt wie magisch angezogen dem Lichtschein im Nebel entgegen.

Sebastian sah sich hilfesuchend nach Henry um, der nur machtlos mit den Schultern zuckte, ihn am Ärmel packte und mit sich zog. Ohne von jemandem wahrgenommen zu werden, verschwanden sie im Nebel.

Ein letztes Mal noch schaute Sebastian zurück und sah seinen Bruder mit einer Erscheinung, die aus dem Licht trat, verschmelzen.

Töchter der Caluoc

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