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Henrys Vermächtnis

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Da stand es. Ein kleines Rosenholzkästchen mit kunstvoll handgeschnitzten Blütenmotiven, dessen Facetten die unregelmäßig rötliche Maserung des Holzes auf eine besondere Art zur Geltung brachten und die Knospen und Blätter beinahe zum Leben erweckten.

Es ist schon ein besonders schönes Stück. In Sammlerkreisen mag das Kästchen vielleicht ein hübsches Sümmchen einbringen. Aber kaum so wertvoll, dass Großvater es bei Konstantin hinterlegen musste? Dann kann ja nur der Inhalt von Wert sein. Aber was sollte Henry mir wertvolles hinterlassen? Was konnte so wichtig sein, dass er es Dritten zur Aufbewahrung übergeben musste?

Charlotte betrachtete argwöhnisch den kleinen Kasten. Sie mochte da nicht hineinschauen. Schon der Gedanke verursachte ihr Bauchschmerzen.

„Was ist? Willst du denn gar nicht wissen, was da drin ist? … Charlie?“ Urs war neben seine Freundin getreten und trampelte von einem auf den anderen Fuß. Er platzte beinahe vor Neugier.

Der junge Mann kannte Henry als offenen Menschen und keineswegs als Geheimniskrämer. Immer hatte der alles sowohl mit Charlotte als auch seinen Angestellten besprochen. Alle wussten über die Vorkehrungen bezüglich der Kanzlei Bescheid, sollte seine Enkelin sie nicht übernehmen wollen oder können. Genau so lag sein Testament in seinem Tresor, welches Charlotte als Alleinerbin benannte. Sie war die Letzte der Familie.

Charlotte musste immer über seine Maßnahmen für den Todesfall, wie er es nannte, lachen. Bestimmt ein paar Tausend Mal hatte er ihr alles erklärt und gezeigt. Sicher, er war Charlottes Großvater, aber mit seinen Worten gesprochen >noch immer fit wie ein Turnschuh und keineswegs zum alten Eisen gehörend<. Und nun stand da dieses Kästchen.

Mensch Henry. Was hast du dir bloß dabei gedacht? Du musstest doch wissen, dass Charlie ein solch geheimgehaltener Nachlass aus den Latschen wirft. Urs schüttelte leicht verwirrt den Kopf.

Charlotte dagegen starrte das Kästchen an, als ob es ihr jeden Moment in den Schoß springen würde. Sie nahm Urs und seine Neugier gar nicht richtig wahr. Eher beschäftigte sie ein Gedanke, eine Frage. Welches dunkle Geheimnis bewahrte Henry in dieser Schatulle auf?

Von Konstantin wusste sie, dass Henry ihm das Kästchen schon vor Jahren zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Er sollte im Fall des plötzlichen Ablebens seines Freundes diese Kassette dessen Enkelin aushändigen. Ein paar Mal verlangte er sie wohl noch zu sehen, gab sie aber wenig später immer wieder zurück.

Die kleine zierliche Frau rang ihre Hände, verknotete ihre Finger und sah hilfesuchend zu Urs.

„Ich weiß nicht. Mir ist richtig schlecht. Ich mag eigentlich gar nicht wissen, was in dem Kästchen ist. Was, wenn es mir so gar nicht gefällt? Ich habe so ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache.“

Sie konnte sich drehen und wenden, man sah es ihr an. Sie wollte es wirklich nicht wissen.

Urs legte Charlotte seinen Arm um die Schulter und führte sie zurück auf die Couch.

„Mann, Mädchen. Du bist ja ganz blass und zitterst wie Espenlaub. Dich macht das wirklich nervös, oder? … Setzt dich und beruhige dich erst mal. Was soll denn schon in so einem kleinen Kästchen drin sein. Bisschen Schmuck. Vielleicht ein paar Briefe. … Komm schon. … Komm schon. Setz dich. Ich hole jetzt das Ding her und dann schauen wir gemeinsam.“ Urs wusste zwar, dass die letzten Wochen Charlotte ganz schön zugesetzt hatten, doch dass dieses Kleinod sie so aus der Fassung zu bringen vermochte, wollte und konnte er nicht verstehen.

Er nahm das Kästchen und betrachtete es interessiert von allen Seiten. An der Vorderseite war ein seltsames Schloss und bei genauerem Hinsehen stellte Urs fest, dass es sich im Deckel befand, der etwa ein Fünftel der Höhe des Kästchens ausmachte. Doch einen Schlüssel gab es nicht.

„Charlie? Hast du einen Schlüssel in Henrys Unterlagen gesehen? Hat er irgendwo einen hinterlegt? Ähm … Und der sollte schon etwas ungewöhnlich ausschauen. Also nicht so was ganz Gewöhnliches. Sonst bekommen wir nämlich die Schatulle nicht auf.“ Erwartungsvoll blinzelte Urs Charlotte an. Sein Blick schien zu sagen, na komm schon. Erinnere dich.

Sie zuckte aber nur mit den Schultern. Kein Schlüssel. Also auch kein Öffnen des Kästchens. Das wäre doch ein Wink des Schicksals.

„Charlie!“

Oh! Mit Nachdruck.

Ja, den Ton kannte sie. Urs war ungeduldig und da ließ er nicht mit sich handeln. Charlotte rollte mit den Augen und gab sich geschlagen. „O...kay. Schau im oberen linken Schub nach“, meinte sie kleinlaut und zeigte auf den Schreibtisch ihres Großvaters. „Da liegt so ein seltsames altes Monstrum von einem Schlüssel. Habe mich schon darüber gewundert. Wahrscheinlich gehört er zur diesem Ding da.“

Charlotte hätte niemals gedacht, dass es zu diesem Schlüssel überhaupt ein Schloss gab. Doch nun hielt Urs ihn in der Hand und inspizierte den fast zwanzig Zentimeter langen Hohldorn mit einem überraschend einfachen Bart. Ein Griff mit Schnörkeln, die sich um ein kunstfertiges Blütenmotiv rankten, machte den Schlüssel zu einem Hingucker, zu etwas ganz Besonderem.

Samt Kästchen und Schlüssel setzte sich Urs neben Charlotte, die wie ein ängstliches Mäuschen in der Sofaecke kauerte.

„Na komm schon. So schlimm wird's schon nicht werden. Hinterher lachst du darüber. … Also? Möchtest du? Oder soll ich?“ Damit hielt ihr Urs das Kästchen und den Schlüssel hin.

Mit klammen Fingern griff Charlotte danach. Die aufmunternden Worte konnten sie in keiner Weise beruhigen. Das mulmige Gefühl war da und wollte auch nicht weichen.

Zögerlich steckte sie den Schlüssel in die Öffnung. Nicht weit, dann stieß er auf ein Hindernis. Ratlos blickte sie auf.

„Versuch ihn zu drehen. Ist zwar seltsam, dass er nicht weiter reingeht. Aber wer weiß.“

Charlotte versuchte es im Uhrzeigersinn. Nichts. Entgegengesetzt? Eine halbe Drehung und ein Klick. Dann verschwand der Schlüssel bis zum Gelenk im Schloss.

„Ist ja irre. Das scheint doch tatsächlich so etwas wie ein Sicherheitsschloss zu sein. Den Mechanismus muss ich mir dann genauer anschauen“, begeisterte sich Urs.

Er war eben ein Technikfreak. Ihn interessierte weniger der Inhalt der Schatulle, als vielmehr der komplizierte Schließmechanismus.

Komm schon. Mach Mädchen. Los. Schneller. „ … und jetzt nochmals drehen. Im Uhrzeigersinn.“

Und während Charlotte sich kaum zu bewegen wagt, fiel es Urs schwer, nicht wie ein Floh auf und nieder zu hüpfen. Aufregung. Begeisterung. „ … und? Was? Geht es zu öffnen? … Charlie! Nun mach schon!“

Langsam bewegte Charlotte den Schlüssel rechts herum. Ein Klacken und der Deckel sprang einen Spalt auf.

Sie konnte gar nicht so schnell gucken, wie Urs den Deckel aufklappte und ein enttäuschtes Gesicht machte.

Natürlich! Nichts zu sehen. Hätte ich mir ja auch denken können.

Eine mit rotem Samt bezogene Zwischenwand verhinderte den Blick auf den Schließmechanismus. Dann fiel sein Blick auf den Inhalt, der seiner Freundin so viel Angst machte.

Zu oberst lag da ein Brief. >Für mein Krümelchen< stand in Henrys Handschrift geschrieben. Des weiteren eine Folie mit Zeitungsartikeln. Anscheinend chronologisch sortiert, denn obenauf lag ein Bericht vom vergangenen Jahr. Einige wenige Familienfotos und …

„Was sind denn das hier für Leute? … Oh. Hier ist mein Paps … und Henry.“ Charlotte sah die Fotos flüchtig durch.

Eine Gruppe von Männern irgendwo in der Wildnis. Wahrscheinlich eine Expedition.

Vorerst desinteressiert legte sie die Bilder zur Seite.

Neugierig lugte Urs in die nun schon fast leere Schatulle. Was ist denn das? Also doch Schmuck. Ich hab's gewusst. Der ist bestimmt sehr wertvoll.

Unter all den Papieren lag ein Säckchen aus schwarzem Satin. Ein schmaler Zettel schaute aus der Öffnung heraus.

Charlotte zupfte daran und las: >Sie war einfach da. Sie hat dich gefunden. Sie wird dir Glück bringen.<

Seltsame Worte. Wessen Schrift ist das denn? Nicht die von Großvater.

Dann fiel eine Kette aus dem Etui.

Der Anhänger war eine filigran gearbeitete Fassung mit einem walnussgroßen, orange-roten Stein.

So etwas hatte Charlotte noch nie gesehen. Ihre Augen weiteten sich. Ehrfurchtsvoll strich sie über das Schmuckstück. In dem Moment, als ihre Finger behutsam den Stein berührten, ging ein Pulsieren durch ihn hindurch. Die Farben wurden intensiver. Sie schienen wie Feuer.

Oh ja. Dieser Stein gehört zu mir. Ich habe ihn zum Leben erweckt. Er ist wunderschön und … magisch. Ich spüre seine Kraft durch mein Blut rasen. Was macht er mit mir? Ich fühle mich so … so … ich weiß auch nicht. Ich sollte ihn vielleicht wieder in das Säckchen packen, bevor …

„Charlie? Alles in Ordnung mit dir?“ Urs rüttelte an ihrem Arm und holte sie aus ihren Gedanken zurück.

Verwirrt sah sie Urs an. „Ich … ja? Sicher. Was sollte denn nicht in Ordnung sein?“ Ein Blick auf die Kette und sie wusste instinktiv, diese hatte eindeutig Macht über sie. Aber eine gute Macht. Sie wurde von Energie durchströmt und fühlte sich viel vitaler und psychisch ausgeglichener als noch vor Stunden. Nur das sagte sie Urs nicht.

„Diese Kette ist scheinbar das wertvollste in diesem Kästchen. Sie ist wunderschön. Findest du nicht auch? Ich werde sie immer im Andenken an Henry tragen.“ Sie legte die Kette um und musterte Urs skeptisch. „Was schaust du so?“

Der starrte sie, seit sie die Kette aus dem Futteral in den Händen hielt, unverwandt an. „Komm mit. Ich will dir was zeigen.“ Er zog Charlie hinter sich her bis vor einen Spiegel.

Da begriff Charlotte, sie musste es Urs nicht sagen, er sah es ihr an. Sie war nicht mehr so blass. Fast konnte man sagen, sie strahlt von innen heraus. Ihre Haut hatte plötzlich ein zartes Rosa angenommen und ihre Augen … das rötliche Braun ihrer Augen leuchtete in einem lange nicht mehr dagewesenem Glanz.

Urs stand hinter ihr und betrachtete sie voller Liebe.

Ja mein Schatz, diese Kette gehört dir. … und sie wird dir Glück bringen. Leider nicht mit mir. Wo auch immer dieser Stein her kommt, von da kommt auch der Mann, für den dein Herz einst schlagen wird. und wehe, er weiß es nicht zu schätzen, dann bekommt er es mit mir zu tun.

Er wusste nicht, woher das Wissen kam, nur dass er sich dessen ganz sicher war.

„Schau dich an. Du siehst toll aus. In dir war schon immer Magie. Aber was die Kette aus dir herausholt. Mädchen … du wirst dich vor Verehrern nicht mehr retten können. Mir bleibt dann nur noch, mich zu trollen. Leb wohl mein Schöne.“

Lachend fiel Charlotte Urs um den Hals. Dann bekam er für seine theatralischen Worte einen Nasenstüber. Sie zwinkerte amüsiert und hakte sich dann bei ihm unter. „Na dann komm mein Lieblingstroll. Lass uns die anderen Sachen noch durchschauen und vor allem Henrys Brief lesen. … Ach und übrigens, ich vertraue voll und ganz darauf, dass du immer auf mich aufpasst. Du bist und bleibst mein allerbester Freund, mein großer Bruder.“

Was ich niemals sein wollte.

Mit einem leisen Seufzer küsste er Charlotte auf die Stirn und begleitete sie zurück ins Arbeitszimmer.

Wieder in der Sitzlounge angekommen, griff Charlotte nach dem Brief ihres Großvaters.

Der Stapel mit den Fotos der unbekannten Männer fiel dabei zu Boden und einige der Zeitungsartikel rutschten aus der Folie. Aus dem Augenwinkel erspähte Charlotte einen ihr nicht unbekannten Artikel.

„Warum hat Henry diese Artikel gesammelt? Was wollte er denn damit? Schau!“ Charlotte nahm einen der Zeitungsausschnitte und zeigte ihn Urs. „Der Mann hier auf dem Bild … Der Kommissar wollte wissen, ob ich ihn kenne.“ Sie las schnell einige Zeilen.

„Ja genau. Das ist der, der spät abends noch im Forst joggen war und von einem angeblichen Wolfshund angefallen und tödlich verletzt wurde. Angeblich, weil … Die haben den nie gefunden. Und auch sonst war wohl alles sehr schwammig und unklar. Hier … Hier steht es.

> … Von einem Obdachlosen, der des Nachts auf einer Bank am See kampierte, erfuhren wir vor Ort: „Ein riesengroßes Tier ist da hinten aus den Büschen gesprungen. Ich dachte schon, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Aber das Biest hat mich Gott sei Dank nicht beachtet. Es jagte an mir vorbei, direkt auf den Kerl zu. Ein einziger Biss in die Kehle, dann war das Vieh weg und der Typ sackte einfach in sich zusammen. Mir graust immer noch davor. Das Ding hat ihn nicht mal umgeworfen. Einfach angesprungen, Biss und weg war die Kehle.“ Obwohl wir sicher sein konnten, dass der Augenzeuge unter Schock das Geschehen übertrieb, fragten wir: „Was kann uns die Polizei dazu sagen?“ und „Kein Kommentar“, lautete die offizielle Antwort. Der Beamte verwies uns an die Pressestelle. Später. Doch wir sehen uns in der Pflicht, die Bevölkerung davor zu warnen, nach Einbruch der Dunkelheit den Forst aufzusuchen. Der Mörder auf vier Pfoten konnte nicht dingfest gemacht werden. … <

Bla bla bla und so weiter. Das ist jetzt … drei Jahre her.“

Sie hielt Urs den Papierfetzen unter die Nase. „Sag's mir! Was wollte Henry damit? Was hatte er damit zu tun?“

Sich in die Polster zurückwerfend, richtete sie ihren Blick starr zur Decke und schnaufte vor sich hin. Ich hab's gewusst. Ich hab's gewusst. Dieses Kästchen bringt uns nur Ärger. … und wahrscheinlich nicht nur mit der Kripo. Verdammt aber auch. Hätte ich doch nur den ollen Schlüssel weggeschmissen.

Charlotte holte tief Luft und funkelte dann Urs herausfordernd an. „Nun mein Freund? Wie geht’s weiter? Irgendeine Idee?“

Urs nahm ihr kopfschüttelnd den Zeitungsabschnitt aus der Hand und überlegte. Er hatte doch das Gesicht schon gesehen. Aber wo? Dann wühlte er in den Fotos. Die Männer dieser Expedition.

„Das ist doch der Mann. Viel jünger, aber definitiv der Selbe. Siehst du? Der hier bei Henry und deinem Vater. … und schau mal. Dieser neben deinem Dad … könnte fast sein Zwillingsbruder sein.“

Nun betrachtete auch Charlotte die Bilder genauer. Urs hatte recht. Der Mann neben ihrem Paps sah wirklich aus, wie sein Zwilling.

Das wird ja immer verworrener. Niemals war je die Rede von einem Bruder oder gar anderen Verwandten. Es hat aber auch nie jemand erwähnt, dass Paps und Großvater zusammen an einer Expedition teilgenommen hatten. … und überhaupt … Welche Expedition?

Charlotte konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie sich ihr Vater und Großvater durch die Wildnis kämpften.

„Urs.“ Charlotte kam plötzlich ein abstruser Gedanke und sie wusste nicht, ob sie diesen weiter verfolgen wollte. „Wenn das wirklich eine Expedition gewesen ist … Oh Mann … die Fotos … die Zeitungsartikel … Mein Vater ist tot. Henry ist tot. Der Mann aus dem Park … tot.“

Zwischen ihren hingeworfenen Wortfetzen wühlte sich Charlotte durch die Fotos und die Zeitungsausschnitte und sortierte sie zueinander. Das Ergebnis war erschreckend, beängstigend und gleichzeitig faszinierend. Zu jedem Gesicht auf den Fotos ihres Großvaters gab es eine Schlagzeile in der Presse.

„Ich kann es nicht fassen. Jedes Jahr. Jedes Jahr ist einer von diesen Leuten gestorben. … Hier. Vor sechs Jahren meine Eltern. Ein Jahr später … der hier. Ein Tierschützer. Laut Berichten nahm er an einer Tierzählung im Yellowstone-Nationalpark teil. Ein Team erforschte dort den Lebensraum und die Population der Wölfe. Er verschwand einfach über Nacht. Die Suche nach ihm blieb erfolglos. Seine Überreste wurden erst Wochen später von Wanderern gefunden.“

Urs wusste nicht, was er Charlotte antworten sollte. Egal was diese Männer miteinander verband, den Zeitungsberichten zufolge waren alle tot. Nicht einfach nur tot, sondern auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen und nicht einer der Todesfälle konnte restlos aufgeklärt werden.

Er las den nächsten Artikel und betrachtete das dazugehörige Foto. „Ja. … und der hier war so ein Medienfutzi.Ist bei einer Reportage über die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland ums Leben gekommen. Obwohl man ja sagt, dass Wölfe keine Menschen angreifen … Der Gerichtsmediziner war der Überzeugung, die Kralle einer Wolfspfote im Herzen des Reporters gefunden zu haben. Wie auch immer die da hingekommen sein mochte. Die Polizei geht davon aus, dass Wölfe nicht mit ihren Krallen nach dem Herzen schlagen, sondern eher mit der Schnauzel die Kehle durchbeißen. Da wird irgendwer seine Hand im Spiel gehabt haben, dem der Reporter auf die Füße getreten ist. Die haben doch Feinde ohne Ende. … Na ja, und dann ein Jahr später der Arzt im Forst. Bei dem hat das ja mit der Kehle geklappt. Aber eben auch äußerst seltsam.“

Urs legte das Foto und den Artikel zusammen beiseite.

Jetzt war nur noch ein Zeitungsausschnitt vorhanden.

Keiner der beiden, weder Urs noch Charlotte suchten den Blick des anderen. Was würden sie da sehen? Unglaube? Entsetzen? Trauer? Und Fragen über Fragen?

Schweren Herzens langte Charlotte nach der noch auf dem Tisch liegenden Berichterstattung. „So. Das ist dann der letzte Auszug, den Henry beigelegt hat. Da muss ihm schon klar gewesen sein, dass nur noch er übrig war und es ihn über kurz oder lang ebenfalls erwischen würde. Denn er war kein Mensch, der an Zufälle glaubte.“

Urs strich Charlotte zärtlich über den Arm. „Wenn du willst, dann lese ich …“

„Nein schon gut. Ich schaffe das schon“, unterbrach sie ihn und überflog schnell die wenigen Zeilen der Notiz.

„Ein Naturschützer.

> … Bei einer Wanderung in der Hohen Tatra wurde der Naturschützer Jens K. Opfer eines Jagdunfalls. … <

Jagdunfall? Tja wohl kaum, denn es wurden bei der Obduktion nicht nur eine Schusswunde festgestellt, sondern auch diverse Kratz- und Bissspuren. Tödlich war davon eine jede Wunde für sich. So viel also dazu.“

Charlotte atmete tief durch und schob alle Dokumente weit von sich. Blieben nun nur noch zwei Fotos. Das ihres Großvaters und das eines jungen Mannes, der ihrem Vater so verdammt ähnlich sah.

Henry ist tot. … und was ist mit diesem anderen Mann?

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