Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 96
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Bount war von Myangs zerbrechlicher Schönheit stark beeindruckt. Die zierliche Chinesin reichte ihm zur Begrüßung die schmale Hand und musterte ihn mit ausdrucksvollen dunklen Augen.
„Sie haben ein ehrliches Gesicht, Mr. Reiniger“, stellte sie leise fest. „Ich kann verstehen, dass sich mein Vater ausgerechnet für Sie entschieden hat. Ich vertraue Ihnen.“
„Das freut mich“, gab Bount zurück. „Aber nennen Sie mich doch Bount. Wir werden mindestens bis zu Ihrem nächsten Geburtstag Kontakt miteinander haben.“
„Darüber bin ich außerordentlich froh, Mr. — äh, Bount. In der riesigen, fremden Stadt käme ich mir ganz verloren vor. Man hört so viel Schlimmes über New York.“
Bount schmunzelte. „Aus dem Mund einer Frau, auf die vor ein paar Stunden geschossen wurde, hört sich das seltsam an. Haben Sie vergessen, dass Sie sich noch in Bangkok befinden?“ Die Chinesin seufzte. „Sie haben recht, Bount. Das war eine schreckliche Geschichte. Wenn die Schufte es tatsächlich auf die Elefanten abgesehen haben, werde ich wohl erst drüben in den Staaten meines Lebens sicher sein.“
„Aus diesem Grund möchte ich auch, dass wir so schnell wie möglich fliegen. Wann sind Sie reisefertig?“
„Von mir aus sofort. Meine Koffer sind gepackt.“
Bount wandte sich an den Notar und bat ihn, für den kommenden Tag zwei Tickets zu besorgen.
Phra Kwan Ho dienerte eilfertig. „Wird erledigt, Mr. Reiniger. Darf ich Sie jetzt zum Hotel bringen? Auf mich wartet noch ein Klient.“
Bount verabschiedete sich von Myang und legte ihr ebenfalls dringend ans Herz, sich nicht auf der Straße blicken zu lassen, bis er sie am folgenden Tag abholen würde.
Die junge Chinesin versprach es. „Ich lege keinen Wert darauf, erneut als Zielscheibe für ein paar Wahnsinnige zu dienen“, beteuerte sie. „Ich werde alles tun, was Sie für richtig halten, Bount.“
Das hörte Bount gerne. Er folgte dem Notar, der bereits mit mühsam versteckter Ungeduld an der Tür auf ihn wartete.
Phra Kwan Ho kämpfte sich mit chinesischer Beharrlichkeit durch den stehenden Verkehr und setzte seinen Fahrgast endlich vor dem Hotel ab.
„Ich gebe Ihnen später den Abflugtermin durch, Mr. Reiniger. Wenn ich es einrichten kann, werde ich am Flughafen sein. Falls nicht, dann wünsche ich Ihnen jetzt schon einen angenehmen Rückflug und danke Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben, den Letzten Willen meines Klienten zu erfüllen. Sie haben sich ja überzeugt, dass die Summe, die Mr. Shao Ch’eng Ihnen zugedacht hat, auf einem Konto Ihrer Bank in New York eingezahlt wurde. Sie können darüber frei verfügen, sobald Sie die Bedingungen erfüllt haben. Bis dahin darf ich Ihnen diesen Scheck überreichen. Er dürfte Ihre Spesen und Ihr übliches Honorar um einiges übersteigen. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Passen Sie gut auf Miss Myang auf. Und natürlich auch auf die Elefanten.“
„Exakt in dieser Reihenfolge“, versprach Bount. „Ich nehme doch an, dass Shao Ch’eng die Sammlung versichern ließ.“
Der Notar schüttelte den Kopf. „Davon ist mir nichts bekannt. Da er sie bei der Bank in guter Obhut wusste, hielt er das wohl nicht für erforderlich. Ich rate auch Ihnen davon ab. Sie müssten die Elefanten unnötig durch die Stadt schleppen. Außerdem — ich schäme mich fast, das einzugestehen — wüsste ich nicht, welche Gesellschaft ich Ihnen empfehlen sollte. Viele Sachbearbeiter sind korrupt und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Wenn Sie nicht gerade ein Kenner altchinesischer Kunst sind, laufen Sie als Ausländer Gefahr,“ betrogen zu werden. Es ist auf jeden Fall weniger riskant, die Figuren ins Flugzeug zu schaffen und den Koffer, in dem sie sich befinden, als Kopfkissen zu benutzen. Vor allem steht ja auch gar nicht fest, dass Mr. Shao Ch’eng wegen seiner wertvollen Sammlung sterben musste. Verlieren Sie nicht die Kaufurkunde und die Vollmacht, die ich Ihnen ausgestellt habe. Sie laufen sonst womöglich Gefahr, als Kunstdieb verhaftet zu werden.“
An diese Selbstverständlichkeiten brauchte Bount nicht erinnert zu werden. Er war kein Anfänger in seinem Fach. Bount Reiniger akzeptierte auch noch Aufträge, bei denen seine Berufskollegen nur noch entsetzt abwinkten. Er gab nicht auf und gab sich mit keinem ungeklärten Fall zufrieden.
Eine hübsche, sanfte junge Frau und eine Herde zahmer Elefanten mit dem Flugzeug von Thailand in die Staaten zu bringen, gehörte sicher nicht zu seinen schwierigsten Jobs. Aber es ging um ein Menschenleben und um eine halbe Million.
Dabei zählte Bount sein eigenes Leben noch nicht einmal mit.