Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 97
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An der Rezeption gab es keine Schwierigkeiten. Bounts Zimmer war reserviert.
Ein Boy wollte ihm seine Reisetasche abnehmen. Bount stellte ihn mit einem Trinkgeld zufrieden, zog es aber vor, seine Tasche selbst zu tragen. Immerhin befanden sich einige Dinge darin, auf die er nicht verzichten wollte.
Der Lift beförderte ihn in die sechste Etage.
Nach dem Horror des Straßenverkehrs wurde Bount von dem Zimmer auf angenehmste Weise überrascht. Es war geräumig, hell und vor allem sauber.
Er stellte seine Reisetasche ins Bad. Bevor er sich unter der Dusche erfrischte, trat er auf den Balkon hinaus und genoss die prächtige Aussicht auf den unter ihm vorbeiziehenden Maenam mit seinen farbenfrohen Booten.
Es klopfte an der Tür.
„Der Begrüßungsdrink des Hauses, Sir“, meldete sich eine höfliche Stimme.
„Stellen Sie ihn auf den Tisch“, antwortete Bount, ohne sich deswegen stören zu lassen. Hoffentlich war der Drink gut gekühlt. In New York war er bei klirrendem Frost abgeflogen. Hier herrschte ebenfalls Winter, doch das Thermometer zeigte dreißig Grad an.
Bount fiel auf, dass sich der Etagenkellner noch immer nicht entfernt hatte. Wahrscheinlich wartete er auf ein Trinkgeld. Seufzend griff er in die Tasche, wurde aber von einer schneidenden Stimme gestoppt.
„Lass die Hände, wo sie sind, Reiniger. Dreh dich ganz langsam herum und komm her.“
Bounts Haut zog sich in der Nackengegend krampfartig zusammen. Auf einmal gefiel ihm das renommierte Hotel Orientale wesentlich weniger.
Vorläufig blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Er musste herausfinden, was der Kerl von ihm wollte. Dass er tatsächlich zum Hotelpersonal gehörte, war nicht anzunehmen.
Bount drehte sich um und stand einem Burschen gegenüber, der einen halben Kopf größer war als er. Sein Gesicht sah sanft aus, aber das täuschte offensichtlich.
Das Tablett mit dem Glas hatte er auf den Tisch gestellt. Dafür hielt er jetzt ein gefährlich blitzendes Messer in der Hand, das er zwischen Daumen und Zeigefinger wippen ließ.
„Komm näher!“, befahl er. „Wo hast du dein Gepäck?“
Es schien sich um einen stinknormalen Raub zu handeln. Sekundenlang hatte Bount befürchtet, der Überfall könnte etwas mit seiner Mission zu tun haben.
„Der Schrankkoffer wird morgen zugestellt“, antwortete er, „und die sechs Hutschachteln werden gerade vom Flughafen abgeholt.“
Das Babygesicht verengte die Schlitzaugen noch stärker. Hinter seinem Rücken öffnete sich die Tür, was ihn aber nicht störte. Er erwartete seinen Komplizen.
„Man sagt uns Chinesen Höflichkeit nach“, spottete der Gangster mit dem Messer. „Über deinen Witz kann ich aber nicht lachen, Reiniger. Du übrigens auch nicht, denn wenn du nicht augenblicklich das Maul aufmachst, kannst du dir Zähne aus Elfenbein einsetzen lassen. Wo sind sie, Schnüffler? Ich bin nicht für übermäßige Geduld bekannt.“
Der andere, ein Kerl mit massenhaft vielen Narben im Gesicht, blickte sich im Zimmer um.
„Er trug eine große Tasche, Lao“, erinnerte er sich. „Die hat er anscheinend versteckt.“
„Such sie!“, ordnete Babyface an und behielt Bount scharf im Auge.
Der Narbige begann, die Schränke aufzureißen und unter dem Bett nachzusehen.
Bount wartete auf einen günstigen Moment, dann würde er versuchen, den Strolch zu überwältigen.
Der Mann verschwand im Bad und frohlockte: „Ich habe sie. Sie ist verdammt schwer.“
„Bring sie her, Guan. Wir müssen uns vergewissern, ob sie tatsächlich drin sind, bevor wir ihm das Maul stopfen.“
Bount biss die Zähne zusammen. Wenn er sich nicht täuschte, suchten sie die Elefanten. Also doch! Er hatte es wahrscheinlich mit den Burschen zu tun, die auf Myang geschossen hatten. Die Mörder ihres Vaters.
Der Narbige, den das Babygesicht mit Guan angeredet hatte, brachte die Reisetasche und stellte sie auf den Tisch. Sie war noch verschlossen. Den Schlüssel dazu trug Bount in der Sakkotasche.
Er baute darauf, dass sie den Schlüssel von ihm forderten. Dazu mussten sie ihm gestatten, in seine Tasche zu fassen, wobei er seine Automatic herausholen würde, die nach Thailand einzuführen einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Oder aber sie waren gezwungen, sich ihm auf Reichweite zu nähern. Dann sollten sie ihn kennenlernen.
Sie entschieden sich für eine dritte Möglichkeit. Der Mann, der Lao hieß, schlitzte die Ledertasche mit seinem scharfen Messer auf, bis der Inhalt herausquoll.
Die Chinesen machten lange Gesichter.
„Du Schwein!“, kreischte Lao und schleuderte die zerfetzte Tasche in die Ecke. „Wo hast du die Elefanten?“ Jetzt war es heraus.
„Ich weiß nicht, wovon du redest“, behauptete Bount. Er wollte den Chinesen reizen und zur Unvorsichtigkeit veranlassen. Für sich selbst sah er noch keine akute Gefahr. Sie würden ihn wohl nicht töten, bevor sie wussten, wie sie an die Sammlung herankamen.
Der Narbige fletschte die gelben Zähne.
„Ich mache ihn fertig“, verkündete er. Er zog eine Pistole aus der Tasche und schraubte blitzschnell einen Schalldämpfer auf den Lauf.
Jetzt wurde es ungemütlich.
„Warte noch!“, hielt ihn sein Kumpan zurück. „Der Meister hat uns genau gesagt, wie wir uns in einem solchen Fall verhalten sollen.“ Er wandte sich mit gemeinem Grinsen an den Privatdetektiv. „Hör jetzt mal genau zu, Reiniger. Ich weiß, dass du dich für unbesiegbar hältst. Drüben in Amerika haben sie dir anscheinend diesen Floh ins Ohr gesetzt. Aber hier ist nicht Amerika, und ehe du weißt, was mit dir geschieht, schwimmst du mit starrem Blick im Maenam. Vorher aber kümmern wir uns noch um deinen Schützling. Unsere Freunde stehen in diesem Moment auf Abruf bereit. Sie warten nur auf unseren Anruf.“ Er schielte auf seine protzige Armbanduhr und fuhr fort: „Wenn der innerhalb der nächsten sechs Minuten nicht erfolgt, statten sie der kleinen Myang einen Besuch ab. Willst du wissen, was dann mit ihr geschieht? Sie landet in einem Bordell, in dem nur die ärmsten Schweine verkehren. Da hat sie nichts zu lachen, und innerhalb eines Jahres ist sie ein altes Weib. Es liegt nur an dir.“
Es konnte ein Bluff sein, aber das würde Bount erst erfahren, wenn es zu spät war.
Die Anweisung, nicht das Haus zu verlassen, bedeutete noch keinen sicheren Schutz für Myang. Schließlich hatte auch er sich hier im Hotel überrumpeln lassen.
Bount deutete auf das Telefon neben dem Bett. „Bedient euch!“
„Wo sind die Elefanten?“, kam es messerscharf. Die beiden Chinesen rückten von zwei Seiten drohend gegen ihn vor.
„Auf der Bank, wo sie hingehören“, sagte Bount wahrheitsgemäß. „Dort sind sie vor Strolchen wie euch sicher.“ Die Gangster zögerten.
„Du hast sie noch nicht abgeholt?“, fragte Lao zweifelnd. „Du warst vorhin auf der Bank.“
„Habt ihr euch eingebildet, ich wollte im Hotel mit den Tierchen spielen? Die lasse ich erst übermorgen aus dem Safe holen. Kurz vor dem Abflug.“
Er nannte den falschen Tag, machte sich aber keine Illusionen, dass das Pack darauf hereinfiel.
„Übermorgen?“, wiederholte Lao auch prompt. „Was tust du bis dahin in Bangkok?“
„Ich antworte auf geistlose Fragen“, gab Bount verächtlich zurück.
Er spielte ein riskantes Spiel. Er durfte sich nicht auf die Nervenstärke der Gangster verlassen.
Guan, der Narbige, sprang ihn mit einem Wutschrei an. Er versuchte, Bount die schwere Pistole gegen den Kopf zu knallen.
Bount trat erst im letzten Moment einen halben Schritt zur Seite. Seine Handkante traf den rechten Unterarm des Angreifers und lähmte ihn. Die Pistole fiel herab.
Bount fing sie geschickt auf, riss mit der freien Linken den Ganoven an der Jacke zu sich heran und setzte ihm den Schalldämpfer an die Schläfe.
„So“, sagte er, „und damit unser Quiz nicht zu langweilig wird, werdet ihr mir jetzt zur Abwechslung ein paar Fragen beantworten. Wieso seid ihr so gut informiert? Wie viele seid ihr? Wo ist euer Schlupfwinkel? Wer ist dieser sogenannte Meister? Habt ihr Shao Ch’eng ermordet? Hattet ihr es dabei ausschließlich auf die Elefanten abgesehen?“
„Ich sage nichts“, quetschte Guan heraus. Seine Augen weiteten sich. So ein Schalldämpfer an der Schläfe kann äußerst unangenehm sein.
Bount legte den Sicherungshebel herum. Das Knacken ließ den Chinesen erstarren.
„Nur zur Erinnerung“, sagte Bount ruhig. „Ich brauche dich nicht lebend. Wenn du nicht parierst, lege ich dich um.“
Der Chinese schluckte krampfhaft. Dann öffnete er den Mund.
„Er schießt wirklich, Lao“, stöhnte er. „Ich bin doch nicht verrückt, für den Meister zu sterben. Er hätte uns Leng Fing mitgeben sollen. Dann wäre alles klargegangen.“
„Wie heißt euer Meister?“, bohrte Bount.
„Er heißt ...“
Die Augen des Halunken wurden so groß und rund, wie das bei einem Chinesen kaum zu erwarten war.
Bount riss ihn zur Seite. Er hatte gesehen, wie Lao blitzschnell den Arm hob und das Messer schleuderte. Doch Bounts Reaktion kam zu spät. Die Klinge steckte exakt zwischen Guans Schulterblättern.
Bount ließ ihn fallen und hetzte dem Mörder nach, der die Flucht ergriffen hatte. Er jagte um die Ecke und kam bei den Fahrstühlen an. Bei einem schloss sich gerade die Tür. Er setzte sich nach unten in Bewegung. Der andere fuhr nach oben.
Bount raste die Treppen hinunter. Er musste vor dem Killer die Halle erreichen.
Die Tür des Lifts schwang gerade zurück, als Bount außer Atem unten ankam.
Eine bezaubernde Asiatin lächelte ihm verheißungsvoll zu. Ihr grauhaariger Begleiter schenkte Bount einen ungehaltenen Blick.
Sonst befand sich niemand im Aufzug. Bount hatte sich für die falsche Richtung entschieden. Der Gangster war inzwischen längst über das Dach entkommen.
Bount fuhr bis zur obersten Etage und befand sich auf der im Augenblick verwaisten Dachterrasse. Ein einziger Blick verriet ihm, dass ein mittelmäßiger Sportsmann das Dach des Nebengebäudes ohne große Gefahr durch einen Sprung erreichen konnte. Es war aussichtslos, die Verfolgung aufzunehmen. In dem brodelnden Hexenkessel Bangkok kannte sich der Killer wesentlich besser aus.
Bount dachte an Myang. Bluff oder nicht, er musste sie unbedingt warnen.
Als er in sein Zimmer stürzte, stellte er fest, dass sich Guan in der Zwischenzeit nicht von der Stelle bewegt hatte. Sein Kumpan hatte ihn tödlich getroffen und damit verhindert, dass er redete.
Bount verzichtete auf den Drink, der noch immer auf dem Tisch stand, obwohl er gern den bitteren Geschmack hinuntergespült hätte. Er traute dem Gesöff nicht, dass ihm die Gangster serviert hatten.
Dafür nahm er den Telefonhörer ab und zog den Zettel aus der Tasche, auf dem er Myangs Anschlussnummer notiert hatte.
Sie kam sofort an den Apparat.
Bount legte ihr ans Herz, unter keinen Umständen die Tür zu öffnen. Er erzählte ihr, was er erlebt hatte.
„Oh Gott!“, stieß sie erschrocken hervor. „Ihnen ist doch nichts passiert, Bount?“
„Mir nicht“, beruhigte er die zarte Chinesin. „Aber die Gegenseite hat einen Mann verloren. Vielleicht war er der Mörder Ihres Vaters, Myang.“