Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 99
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Die Nacht verlief ruhig. Bount verließ das Hotel nicht mehr, um den Gangstern ihr Geschäft nicht unnötig zu erleichtern.
In aller Frühe rief er Phra Kwan Ho an, um sich nach dem Abflugtermin zu erkundigen.
Der Notar hatte am Vortag mehrfach versucht, ihn zu erreichen.
„Haben Sie sich Bangkok angesehen?“, erkundigte er sich.
„Nur eines seiner Polizeireviere“, erklärte Bount und berichtete von dem Überfall.
„Diese Verbrecher schrecken vor nichts zurück“, sagte Phra Kwan Ho grimmig. „Sie haben großes Glück gehabt, Mr. Reiniger.“
„Stimmt. Besonders bei der Polizei.“
„Ich kann leider nicht zum Flughafen kommen“, erklärte der Chinese bedauernd. „Ein wichtiger Termin. Sie verstehen?“
„Ich komme schon alleine zurecht“, versicherte Bount.
Er befürchtete, dass die Gangster noch einmal alles auf eine Karte setzen würden. Sie durften nicht zulassen, dass er mit der Elefantensammlung ins Flugzeug stieg.
Er rief Myang an, dass sie sich bereithielt.
Die Fahrt von der Bank bis hinaus nach Don Muang würde noch einmal kritisch werden. Bei den chaotischen Verkehrsverhältnissen boten sich den Gangstern zweifellos zahlreiche Möglichkeiten eines Überfalls.
Im Shop des Hotels kaufte Bount einen schwarzen Aktenkoffer, eine Reisetasche als Ersatz für sein aufgeschlitztes Gepäck und noch ein paar Kleinigkeiten. Er zahlte seine Hotelrechnung und ließ sich ein Taxi bestellen.
Als der Wagen eintraf, fuhr Bount mit ihm zu Myang, um sie abzuholen.
Die Chinesin wartete schon ungeduldig. Sie hatte zwei voluminöse Koffer und eine große Tasche gepackt. Außerdem trug sie eine flache Ledertasche am Schulterriemen.
Bount blinzelte ihr aufmunternd zu. „Können wir, Myang?“
Die Chinesin nickte tapfer.
„Ich wollte, wir säßen schon in der Maschine“, gestand sie.
Bount schnappte sich die Koffer. Myang trug die Reisetasche hinterher. Sie verstauten alles im Kofferraum des Taxis.
„Zur Thai Farmers Bank“, befahl Bount, als sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten.
Der Fahrer begann einen halsbrecherischen Slalom, während Bount ständig darauf achtete, ob ihnen ein Fahrzeug in verdächtiger Weise folgte.
Er konnte nichts entdecken, was aber nichts zu bedeuten hatte. Die Gangster wussten ja offensichtlich, bei welcher Bank Shao Ch’eng die wertvolle Sammlung zur Aufbewahrung gegeben hatte. Dort brauchten sie nur auf ihn zu warten.
Die Halunken waren bestens informiert. Sie kannten seinen Namen und wussten auch sonst mehr, als Myang und ihm lieb sein konnte. Trotzdem war Bount eisern entschlossen, ihnen das Nachsehen zu geben.
Das Taxi hielt nicht unmittelbar vor der Bank, sondern musste noch zwanzig Meter weiterfahren, was das Risiko beträchtlich erhöhte.
„Warten Sie hier auf uns“, bat Bount den Thai, „und fahren Sie sofort los, sobald wir wieder da sind.“
Der Fahrer blickte den Amerikaner misstrauisch an. Das hörte sich doch fast nach einem geplanten Banküberfall an.
„Sie zahlen vorher“, verlangte er.
Bount grinste dünn und gab ihm einen Schein.
„Passen Sie gut auf“, warnte er. „Falls Fremde versuchen, sich in den Wagen zu drängen, fahren Sie los, ohne auf uns Rücksicht zu nehmen. Bringen Sie dann unser Gepäck zum Flughafen und geben Sie es am Informationsschalter ab. Das Geld müsste für diese Strecke reichen.“
„Gewiss, Sir.“
„Lieber wäre es uns aber, wenn Sie uns mitnähmen“, verdeutlichte Bount. „Und versuchen Sie nichts Unanständiges. Ich habe mir Ihre Autonummer gemerkt.“
Der Fahrer beteuerte, kein Hundesohn zu sein. Er sah seinen beiden merkwürdigen Fahrgästen mit gemischten Gefühlen nach.
Myang und Bount Reiniger blieben exakt vier Minuten und achtzehn Sekunden im Bankgebäude. Man hatte weisungsgemäß alles vorbereitet. Bount brauchte nur noch den Empfang der acht Sammlerstücke zu bestätigen, die ein Angestellter aus dem Tresor geholt hatte.
Bevor sie auf die Straße traten, überzeugte sich Bount, dass er nirgends das Babygesicht vom Vortag entdeckte.
„Bleiben Sie dicht neben mir“, wies er die Chinesin an. „Auf mein Kommando werfen Sie sich gegebenenfalls sofort hin.“
„Glauben Sie, dass es jetzt passiert?“, erkundigte sich Myang ängstlich.
„Jetzt oder am Flughafen. Ich vermute aber, dass die Gang sich noch eine letzte Möglichkeit offenhalten will, falls es hier schiefläuft.“
Sie verließen das Bankgebäude und hielten auf das Taxi zu, das tatsächlich noch wartete. Der Fahrer hatte nicht gewechselt, und auch die Nummer stimmte noch.
Myang stieg ein und schlug die Tür zu.
Bount musste auf die andere Seite gehen.
Eine Dreirad-Rikscha rollte heran. Der Lenker schrie sich den Weg frei. Sein Fahrgast war ein würdiger Greis in buddhistischem Gewand.
Bount machte Platz und drängte sich gegen das Taxi, als die Rikscha an ihm vorbeirollte.
Im nächsten Moment erhielt er einen Fausthieb gegen den Kopf. Jemand riss ihm den Aktenkoffer aus der Hand. Die Rikscha raste im Höllentempo weiter.
Myang schrie vor Entsetzen auf. „Die Elefanten! Oh Bount, wie konnte das passieren!“
Bount warf sich in den Fond des Wagens und befahl wütend: „Folgen Sie der Rikscha. Aber schnell!“
Es war ein aussichtsloses Unterfangen. Der angebliche Greis, der sich zweifellos nur geschickt verkleidet hätte, kannte sich in dieser Gegend aus. Bount beobachtete gerade noch, wie er den Koffer einem bulligen Burschen zuwarf, der in der Menge untertauchte. Dann sprang auch der Greis aus der Rikscha und floh zu Fuß weiter.
Myang liefen Tränen des Zornes über die Wangen.
Bount legte tröstend seinen Arm um ihre Schultern und wies den Fahrer an, die Verfolgung aufzugeben und lieber auf dem schnellsten Weg zum Flughafen zu fahren.
„Sie trauen mir doch hoffentlich nicht zu, dass ich mich auf diese Weise übertölpeln lasse, Myang“, sagte er schmunzelnd.
Sie starrte ihn an. „Aber der Koffer ist weg. Den sehen wir nie wieder.“
„Das ist wahr“, gab Bount zu. „Doch die siebzig Dollar, die er gekostet hat, kann ich verschmerzen. Im Übrigen enthält er nur ein paar Behälter mit Kies. Ich habe den Burschen einen Köder angeboten, und sie haben ihn prompt geschluckt. Wenn wir Glück haben, befinden wir uns schon in der Luft, bis sie die Pleite merken.“ Myang fiel Bount begeistert um den Hals. „Sie sind vielleicht eine Nummer! Jetzt weiß ich, warum Vater manchmal mit solcher Hochachtung von Ihnen sprach, obwohl Sie ihm das Leben ziemlich sauer gemacht haben.“
„Ihnen ist bekannt, was damals in New York passierte?“
Myang nickte. „Er hat es mir zwei Wochen vor seiner Ermordung gebeichtet. Er muss seinen Tod geahnt haben. Er bat mich, ihm seine Vergangenheit zu verzeihen. Was sollte ich sagen? Vater hatte mich immer gut behandelt, und hier in Thailand ging er auch keinen krummen Geschäften mehr nach. Sie haben ihm einen heilsamen Schock verpasst. Aber verraten Sie mir eins, Bount. Wo, um alles in der Welt, haben Sie die Elefanten versteckt?“
„Ich trage eine halbe Million bei mir am Körper. Im Panzerraum der Bank habe ich die Tiere in zuvor besorgte bruchsichere, gepolsterte Kästchen gelegt und in meinen Taschen verstaut. Die größeren Biester tragen aber ziemlich auf. Spätestens in Paris werde ich mich wieder von ihnen trennen.“
„In Paris?“
„Dort werden wir zwischenlanden. Wir haben bis zum Weiterflug vier Stunden Zeit.“
„Das ist schlecht“, fand Myang. „Was tun wir, wenn uns dort schon ein paar Killer erwarten?“
„Mich erwartet nur äußerst selten ein Killer, wenn ich in Orly ankomme“, erwiderte Bount.
„Diesmal ist es etwas anderes“, befürchtete die Chinesin. „Falls wir wirklich ungeschoren abfliegen können, werden die Gangster auf alle Fälle wenig später merken, dass sie betrogen worden sind. Einholen können sie uns dann nicht mehr, aber ein Telefonat mit den richtigen Leuten in Frankreich sorgt dafür, dass man uns ein heißes Willkommen bereitet.“
„Daran habe ich auch schon gedacht. Deshalb werde ich ebenfalls noch vom Flughafen aus einen Freund in Paris anrufen. Er ist leitender Commissaire und wird sich freuen, mir gefällig sein zu können. Er steht nämlich noch in meiner Schuld. Unter dem Schutz seiner Männer werden wir einen Kunstsachverständigen aufsuchen. Ich kenne eine gute Adresse in der Rue Clovis. Ganz in der Nähe befindet sich das Hochhaus einer Versicherungsgesellschaft. Ich werde die Sammlung für den Rest der Reise gegen Diebstahl versichern lassen. Dann brauchen wir nur noch auf uns selbst aufzupassen. Ich hätte das schon hier in Bangkok getan, aber Phra Kwan Ho riet mir von seinen Landsleuten ab. Nun ja, er kennt sie besser als ich.“
„Das ist eine gute Idee“, fand Myang. „Aber wie bringen wir den Killern bei, dass wir ihnen notfalls die Elefanten überlassen, ohne dass sie uns vorher umlegen müssen?“
„So weit wird es hoffentlich nicht kommen“, meinte Bount zuversichtlich. Er vertrat die Ansicht, dass er sich bis jetzt ganz ordentlich aus der Affäre gezogen hatte.
So sollte es, wenn es nach ihm ging, auch bleiben.