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Jonathan Allan Morane saß auf einer Bank am Ufer eines Sees im Central Park, der einfach den Namen The Lake trug. Im Hintergrund waren die Strawberry Fields zu sehen und die Dakota Apartments – ein Mietshaus, das äußerlich die Form eines Renaissance–Schlosses hatte. Ein schöner Anblick, auch wenn es ein diesiger Tag war. Nebelschwaden krochen über den See.

Der letzte Blick, den du haben wirst!, dachte er. Du hast ihn gut gewählt. Einfach verschwinden, das bleibt dir jetzt noch. Und es ist besser, du selbst setzt die Spritze, als wenn es der Henker in einem Staatsgefängnis tut.

Morane hatte sich genauestens informiert.

Ärzte durften auf Grund ihres hippokratischen Eides keine Hinrichtungen vornehmen, was die Giftspritze als Hinrichtungsmethode in die Diskussion gebracht hatte. Denn wenn angelerntes, schlecht geschultes Personal diese Spritzen setzte, konnte es sein, dass die Hinrichtung weder kurz noch schmerzlos war.

Dass man ihm auf den Fersen war und ihm dieser Tod blühte, war für Morane unumstößliche Gewissheit. Natürlich wusste er, dass die juristischen Möglichkeiten groß waren, eine Hinrichtung um Jahre oder Jahrzehnte hinauszuschieben. Aber Morane wollte das nicht ausschöpfen. Der Nutzen war geringer als der Schaden, den er dadurch erlitt, denn er würde die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle über sein eigenes Ende. Die Kontrolle darüber, dass die letzte Spritze richtig und fachmännisch korrekt gesetzt wurde.

Er krempelte den Arm hoch. Neben sich hatte er seinen Diplomatenkoffer auf der Bank liegen. Er war geöffnet. Die Spritze aufgezogen. Es waren nur wenige Passanten am Lake und die beachteten ihn kaum. Auch Männer in perfekt sitzenden grauen Anzügen wurden schließlich mitunter drogensüchtig.

Er dachte an Tamara Jordan.

Mit ihr war es nicht mehr so gewesen, wie zuvor.

Hoffman.

Er hatte alles verändert. Ein durchdringender, fragender, vollkommen befremdeter Blick von ihm hatte ausgereicht. Er wäre früher oder später zur Polizei gegangen, ging es Morane durch den Kopf. Oder er hätte mich erpresst. Ganz sicher…

Die Möglichkeit, dass Hoffman sich vielleicht einfach nur gewundert hatte, zu sehen, wie ein außerordentlich penibler Mann mit empfindlicher Haut ein Cellophantütchen mit Sand und Zigarettenkippen füllte, kam ihm nicht in den Sinn.

Die Nadel berührte die Vene.

Sie war kalt.

Gleich ist es vorbei, dachte er.

„Mister Morane!“, sagte eine Stimme. Eine Stimme, deren Klang ihn durcheinander brachte. Er hätte einfach nur zustoßen müssen. Eine kleine Kraftaufwendung. Aber er konnte nicht, er war wie erstarrt, bis eine Hand sich um seinen Unterarm schloss wie ein Schraubstock.

Auswahlband Krimi Winter 2020

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