Читать книгу Vergiss, dass du gebunden bist: Arztroman - A. F. Morland - Страница 5
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Оглавление„Wann warst du das letzte mal beim Gynäkologen?“, fragte Barbara Seefeld ungläubig. „Vor zehn Jahren? Meinst du nicht, dass du ein bisschen leichtsinnig mit deiner Gesundheit umgehst? Man muss mindestens einmal im Jahr zum Frauenarzt gehen. Besser zweimal.“
„Ich bin ja so schrecklich feige“, gestand Melitta Karner der Freundin und Kollegin.
Die blonde Barbara und die rothaarige Melitta saßen seit zwei Jahren Schreibtisch an Schreibtisch in einem großen hellen Büro und verstanden sich so gut, dass sie oft auch nach Arbeitsschluss noch beisammenblieben und über Gott und die Welt redeten.
Barbara nickte zustimmend auf die Bemerkung der Freundin hin. „Feige und dumm. Mädchen, dieser Gang zum Frauenarzt ist äußerst wichtig. “
„Ich weiß.“
„Was nützt es, wenn du es weißt, aber dich nie untersuchen lässt?“, fragte Barbara nüchtern.
Melitta verzog das Gesicht, als hätte sie Schmerzen. „Ich habe Angst.“
„Wovor?“
„Dass der Arzt etwas entdeckt...“
„Vogel-Strauß-Politik nennt man das. Immer schön den Kopf in den Sand stecken und so tun, als ginge einen die ganze Sache nichts an, nicht wahr?“, sagte Barbara Seefeld sarkastisch. Sie trug einen schicken, figurbetonten senffarbenen Leinenzweiteiler mit leicht überschnittenen Schultern. „Aber hier geht es um deinen Körper, Melitta. Ist dir der denn wirklich so egal?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Und wann gedenkst du, das mal zu beweisen?“, versuchte Barbara die Freundin festzunageln.
Melitta schwieg. Ein Fax kam. Melitta las es kurz durch und legte es dann in einen der Körbe, die auf ihrem Schreibtisch standen.
„Ich lasse mich seit Jahren von Dr. Sören Härtling, dem Leiter der Paracelsus-Klinik, untersuchen“, berichtete Barbara. „Es ist ein wunderbar beruhigendes Gefühl, von ihm bestätigt zu bekommen, dass alles in Ordnung ist. Und wäre das einmal nicht der Fall, so hätte ich die Gewissheit, dass Dr. Härtling rechtzeitig etwas dagegen unternehmen kann.“
Melitta kräuselte die Nase. „Können wir nicht über etwas anderes reden?“
„Dr. Härtling ist sehr nett.“
Melitta senkte verlegen den Blick. „Wenn ich ihm sage, wann ich mich zum letzten Mal gynäkologisch untersuchen ließ, staucht er mich bis zum Geht-nicht-mehr zusammen.“
„Das tut er ganz bestimmt nicht. Lass mich für dich anrufen.“
Melitta Karner konnte sich nicht entschließen, zuzustimmen.
„Du brauchst einen Termin bei einem guten Frauenarzt, und Dr. Härtling ist der Beste“, sagte Barbara Seefeld eindringlich. „Du hast Probleme, Melitta. Du darfst das nicht länger anstehen lassen, musst etwas dagegen unternehmen. Du hast nur diese eine Gesundheit. Du darfst sie nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Manche Beschwerden kommen und vergehen von selbst wieder. Einige bleiben, und gegen die muss der Arzt etwas unternehmen, bevor sie bedrohlich werden.“
„Ich habe in den nächsten Tagen viel um die Ohren: Meine Wohnung wird renoviert, ich muss die Arbeit der Handwerker überwachen und koordinieren und...“
Barbara sah die Freundin durchdringend an. „Melitta!“
„Das ist sehr wichtig...“
„Das sind alles bloß faule Ausreden, die ich nicht gelten lasse“, erklärte Barbara energisch. „Die Gesundheit hat Vorrang. Wenn du mir nicht erlaubst, in der Paracelsus-Klinik anzurufen, tue ich es eben ohne deine Erlaubnis, denn ich mache mir wirklich ernsthaft Sorgen um dich.“ Das Telefon auf Melittas Schreibtisch läutete. Sie nahm ab und meldete sich mit freundlicher Stimme. Am anderen Ende war Hartmut, ihr Freund.
Das dauert jetzt etwas länger, dachte Barbara und nützte die Gelegenheit zu einem Telefonat mit der Paracelsus-Klinik. Sie bekam Schwester Annegret an die Strippe.
„Geht es Ihnen gut,Schwester?“, erkundigte sich Barbara.
„Ich kann nicht klagen.“
„Das hört man gern“, sagte Barbara freundlich.
„Und wie geht es Ihnen?“
„Auch gut“, antwortete Barbara und kritzelte kleine Männchen auf ein Blatt Papier. „Ich hätte gerne einen Termin.“
„Moment, ich sehe nach, wann etwas frei ist.“ Kurze Pause. Dann meldete sich die im Dienst ergraute Pflegerin wieder.
„Der Termin ist nicht für mich“, erklärte Barbara Seefeld, „sondern für eine Freundin.“
„Wie ist ihr Name?“
„Melitta Karner.“
„Hat sie Beschwerden?“, wollte Schwester Annegret wissen.
„Ja“, sagte Barbara.
„Und zwar welche?“
„Unregelmäßige Blutungen“, antwortete Barbara. „Könnten Sie meine Freundin eventuell in den nächsten Tagen dazwischen schieben?“
„Kann sie morgen Vormittag zu uns kommen?“
Barbara warf einen Blick über den Schreibtisch. Melitta schäkerte noch immer mit ihrem Freund, lachte, war fröhlich. „Sie kann“, versicherte Barbara bestimmt.
„Sagen Sie ihr, sie soll um elf Uhr da sein.“
„Ich sag’s ihr“, gab Barbara zurück. „Danke, Schwester Annegret.“
„Wo für denn?“
Barbara legte auf, und als Melittas Gespräch nach zwanzig Minuten zu Ende war, sagte Barbara trocken: „Du hast einen Termin bei Dr. Härtling.“