Читать книгу Vergiss, dass du gebunden bist: Arztroman - A. F. Morland - Страница 9
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ОглавлениеMan nahm stolze fünfzehnhundert Mark für das Kleid, aber dafür sah Barbara Seefeld darin dann auch wirklich so umwerfend aus, wie ihr Chef sich das vorgestellt hatte.
Sie hatte noch nie femininer gewirkt, war dezent geschminkt und mit hochgesteckter blonder Mähne ein großartiger Aufputz für Horst Ehrmann, der begeistert durch die Zähne pfiff, als er sie von zu Hause abholte.
„Darf ich Ihnen eine indiskrete Frage stellen, Barbara?“ Ehrmann trug einen mitternachtsblauen Maßanzug, und er musste irgend etwas mit seinem Gesicht gemacht haben, denn er sah wesentlich jünger aus als sonst.
„Kommt darauf an, wie indiskret sie ist“, gab Barbara wachsam zurück.
„Wie ist es möglich, dass eine so attraktive junge Frau allein lebt?“
Sie schmunzelte. „Viele Männer sind feige. Ein scharfer Blick genügt, schon verlieren sie den Mut und lassen mich in Ruhe.“
„Aber warum wollen Sie in Ruhe gelassen werden? Die meisten Menschen um Sie herum versuchen zueinander zu finden, sich zu verlieben und ein gemeinsames Glück anzustreben. Warum gehen Sie den entgegengesetzten Weg?“
„Möchten Sie noch einen Drink, bevor wir gehen?“
„Nein, vielen Dank, ich habe schon verstanden“, sagte Horst Ehrmann. „Sie haben recht, Ihr Privatleben geht mich nichts an, solange Sie Ihre Arbeit zu meiner Zufriedenheit erledigen.“
„Ich habe nicht gesagt, dass Sie mein Privatleben nichts angeht. Ich habe nur vorübergehend und aus freien Stücken keines, das ist alles.“
Ihre letzte Beziehung lag ein halbes Jahr zurück und hatte mit einem Fiasko geendet. Seitdem sah Barbara sich die Männer, die ihren Weg kreuzten, etwas kritischer an, und es war bisher noch keiner dabei gewesen, der es geschafft hätte, ihr Interesse zu wecken. Doch das hieß nicht, dass das für alle Zeiten so bleiben sollte.
Barbara suchte zwar nicht, aber sie hielt die Augen offen, um eine gute Chance, wenn sie sich ihr bot sofort zu erkennen. Es wurde für Barbara ein langweiliger Abend. Sie hatte nichts anderes erwartet.
Ihr Chef ließ sich im Prunksaal eines der besten Münchner Hotels eine Weile um seine schöne Begleitung beneiden, und nachdem er sich in ihrem Glanz lange genug gesonnt hatte, ging er daran, Kontakte entweder aufzufrischen oder neu zu knüpfen und gegebenenfalls das eine oder andere lukrative Geschäft anzubahnen, und da ihm Barbara dabei nur hinderlich gewesen wäre, zog sie sich von ihm diskret zurück und gönnte sich in einer stillen Ecke ein paar süße Drinks.
Sie sah zu gut aus, um unbehelligt zu bleiben, doch sie schaffte es mühelos, sich die Männer, die sich bei ihr Chancen ausrechneten, vom Leib zu halten, bis Claus Thielberg sich um sie bemühte.
Er sah aus wie der junge Roger Moore, hatte Stil und Klasse, war selbstsicher und redegewandt. Und er war Barbara auf Anhieb sympathisch.
Fast alle im Saal kannten ihn, und man brachte ihm allgemein sehr viel Achtung entgegen. Auch Barbara wusste, wer er war. Er kaufte marode Firmen, sanierte sie und verkaufte sie hinterher mit enormen Profiten. Barbara ließ sich von ihm zu einigen Drinks an der Bar überreden. Er vertrug viel, sie leider nicht, und so begann sein gut geschnittenes Gesicht schon bald vor ihren Augen zu verschwimmen.
„Langweile ich Sie?“, fragte er irgendwann.
„Nein“, antwortete Barbara Seefeld. Sie gab sich Mühe, nicht zu lallen, sondern klar und deutlich zu sprechen. „Wie kommen Sie darauf?“
Er lächelte. „Ich habe den Eindruck, Sie hören mir nicht zu.“
„Ihr Eindruck täuscht Sie. Ich bin ganz Ohr.“
„So? Und was habe ich soeben gesagt?“
Sie musterte ihn kokett. Wenn sie nüchtern gewesen wäre, hätte sie das bestimmt nicht getan. „dass Sie mich bezaubernd finden.“
„Das tue ich, aber das habe ich nicht gesagt.“
„Ach, nicht?“ Sie zuckte die Schultern. „Dann muss ich mich verhört haben.“ Ist er nicht süß?, ging es ihr durch den Sinn. Zucker-zuckersüß?
Er war seit langem wieder mal ein Mann, zu dem sie sich hingezogen fühlte. Ich glaube, in dich könnte ich mich verlieben, Claus Thielberg, dachte sie.
„Noch einen Drink?“, fragte er. Er wollte sie anscheinend besiegen. Da war so ein gewisses listiges Funkeln in seinen Augen, das sie trotzig machte.
„Aber immer“, gab sie erhobenen Hauptes zurück. Ich lasse mich doch von dir nicht unter den Tresen trinken, fügte sie ihren Worten im Geist hinzu.
Sie hätte das lieber bleiben lassen sollen. Es war ein falscher Ehrgeiz, zu meinen, alles genauso gut zu können wie ein Mann. Und schon gar nicht konnte sie mit dem trinkfesten Claus Thielberg mithalten.
Damit hatten selbst geeichte Männer ihre liebe Not, und so war denn auch Barbaras Absturz bereits vorprogrammiert. Sie brauchte nur noch diesen einen Drink zu kippen. Als ihr Glas leer war, war sie voll. „Tolle Party“, sagte sie mit schwerer Zunge und schwankte dabei wie ein Halm im Wind. „Lauter nette Leute.“
„Sind Sie okay?“, erkundigte sich Claus Thielberg.
Barbara kicherte. „Wie rührend besorgt du um mich bist. Natürlich bin ich okay. Warum sollte ich nicht okay sein? Ich fühle mich großartig... O mein Gott, ich glaube, mir wird schlecht.“
„Kommen Sie, gehen wir an die frische Luft.“
„Ich gehe mit dir, wohin du willst. Ich muss nur Horst Ehrmann Bescheid sagen. Wir sind gemeinsam gekommen, und es war geplant, dass wir auch gemeinsam nach Hause gehen. Wo ist er nur? Ich kann ihn nicht sehen. Siehst du ihn? Kennst du ihn überhaupt?“ Sie lachte leise. „Er hat in der Mitte des Gesichts eine Nase und an jeder Hand fünf Finger. Eigentlich sind es, wenn man genau sein will, je vier Finger und ein Daumen, hab’ ich recht? Natürlich habe ich recht. Ich habe immer recht. Oder, sagen wir, fast immer... Eine Nylontüte. Ein Königreich für eine Nylontüte.“
Claus Thielberg nahm ihre Hand. „Gehen wir.“
„Halt!“ Barbara rührte sich nicht von der Stelle. „Moment! Ich muss Ehrmann erklären...“
„Das tun Sie morgen.“
„Er ist mein Chef“, kam es undeutlich über Barbaras Lippen. „Ich bin seine Sekretärin. Er könnte sich über mich ärgern und mich feuern.“
„Dann verschaffe ich Ihnen einen anderen Job“, sagte Claus Thielberg.
„Aber bestimmt keinen so guten.“
„Einen besseren“, behauptete Thielberg.
„Angeber.“
Thielberg zog sie mit sich aus dem Festsaal.
„Hilfe!“, kicherte Barbara. „Ich werde entführt! Wieso hilft mir keiner? Hast du die alle bestochen?“
Er verfrachtete sie in ein Taxi und nannte dem Fahrer eine Adresse.
„Da wohne ich nicht“, sagte Barbara ziemlich unverständlich.
„Aber ich“, gab Claus Thielberg zurück.
Der Taxifahrer musterte Barbara sorgenvoll. „Is der Dame schlecht?“
„Nein“, antwortete Claus Thielberg.
„Natürlich ist mir schlecht, und wie“, lallte Barbara.
Die Miene des Fahrers verdüsterte sich. „Wenn die Dame ko... sich übergeben muss...“
„Bezahle ich selbstverständlich die Reinigungskosten“, beruhigte Thielberg ihn.
„Haben Sie eine Ahnung, wie dös stinkt? Den Geruch kriagt man nia wieder raus.“
„Also wollen Sie uns nun fahren oder nicht?“, fragte Thielberg ungeduldig.
„I bitt Sie, achten S' darauf, dass die Dame bei sich behalt, was Sie ‘gessen und ‘trunken hat.“
„Ja, ja. Je schneller Sie fahren, desto früher sind Sie uns los.“
Der Taxifahrer kratzte sich hinter dem Ohr. „Es geht mi ja nix an, aber wie kann ma als Dame nur so viel trinkn?“
„Sie haben recht“, sagte Claus Thielberg unfreundlich, „es geht Sie nichts an.“