Читать книгу Vergiss, was war, schöne Kollegin: Arztroman - A. F. Morland - Страница 9

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Dr. Volker Wolff sah geistesabwesend auf das Telefon.

„Du bist nicht glücklich”, murmelte er. „Du bist nicht glücklich, meine wunderwunderschöne Kollegin.” Er schob die Hände in die Hosentaschen und hob trotzig den Kopf. „Aber eines Tages wirst du glücklich sein. Ich werde dich glücklich machen. Du wirst es nicht verhindern können.”

Der Apparat begann plötzlich zu schrillen.

War das Petra? Hatte sie es sich anders überlegt? Wollte sie doch mit ihm essen gehen?

Volker hob rasch ab und meldete sich mit einem erfreuten, erwartungsvollen „Ja!”

Er war ein klein wenig enttäuscht, als er die Stimme seines Vaters hörte.

„Hallo, mein Junge”, sagte sein alter Herr.

Volker liebte ihn, und jetzt freute er sich auch über seinen Anruf.

„Hallo, Papa. Wie geht es dir?”

„Oh, soweit ganz gut.”

„Was macht das Herz?”, erkundigte sich Volker.

„Wenn ich regelmäßig meine Medikamente nehme, arbeitet es klaglos.”

„Das freut mich”, sagte Volker.

„Wie läuft es in der Paracelsus-Klinik?”

„Bestens”, antwortete Volker.

„Hast du viel zu tun?”

„Ist nicht so schlimm”, sagte Volker. „Warte, Mama zupft mich fortwährend am Ärmel. Gott, kann diese Frau lästig sein. Sie möchte auch mit dir sprechen. Einen Augenblick, ich gebe ihr den Hörer. Mach’s gut, mein Junge!”

„Ja, du auch, Papa”, gab Volker zurück. Dann hatte er seine Mutter an der Strippe. „Mama, beste aller Mütter”, sagte er überschwänglich. Er hatte ein großartiges Verhältnis zu dieser großartigen Frau.

„Volker! Schön, mal wieder deine Stimme zu hören. Du machst dich in letzter Zeit ein bisschen rar.” Sie sagte es ohne jeden Vorwurf.

Er lachte. „Eure Schuld.”

„Wieso?”

„Ihr wolltet, dass ich Arzt werde”, sagte Volker. „Dieser Beruf hat auch seine Schattenseiten.”

„Am Sonntag gibt es bei uns Rindfleisch in Wurzelsoße.”

Volker rollte mit den Augen. „Mein Leibgericht.”

„Wir legen gerne ein Gedeck mehr auf.”

„O Mama, ich bin untröstlich”, sagte Volker mit kläglicher Stimme „Ich habe am Sonntag Dienst.”

Seine Mutter seufzte enttäuscht.

„Vielleicht war es wirklich ein Fehler, dir nicht vorzuschlagen, Rechtsanwalt zu werden.”

„Am darauffolgenden Sonntag habe ich frei”, sagte Volker.

„Dann verschieben wir das Festmahl eben”, erklärte seine Mutter spontan.

„Wunderbar.”

„Wir freuen uns auf dich”, sagte Constanze Wolff.

„Und ich freue mich auf euch”, gab der junge Assistenzarzt zurück.

„Sollte es jemanden geben, den du gerne mitbringen möchtest - wir haben nichts dagegen.”

„Mal sehen”, sagte Dt Wolff. Er dachte an Petra. Die hätte er sehr gerne zu seinen Eltern mitgenommen, aber er wusste nicht, ob er sie dazu überreden konnte.

„Wir lieben dich”, sagte seine Mutter innig.

„Ich umarme und küsse euch”, sagte Volker Wolff.

„Du weißt, um welche Zeit wir essen.”

„Ich werde pünktlich sein”, versprach Volker, und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.

Es klickte in der Leitung. Mutter hatte aufgelegt. Sie hätte es gern gesehen, wenn er ihnen seine „Frau fürs Leben” präsentiert hätte.

Sie hielt sehr viel von einer dauerhaften Beziehung und sehr wenig vom - wie bei Junggesellen üblichen - unbeständigen Herumnaschen, bei dem man sich sehr leicht den Magen verderben konnte. In Zeiten wie diesen, fand sie, brauchte ein Mann eine gesunde zuverlässige Lebenspartnerin, und nicht viele kleine gefährliche Affären. Die Gefahr, sich anzustecken, erhöhe sich von Jahr zu Jahr. Liebe mit ständig wechselnden Partnern würde immer mehr zum russischen Roulette.

Sie hatte ja recht, und Volker hätte seine Suche nach der idealen Lebensgefährtin sofort und für immer eingestellt, wenn Petra ihn erhört hätte.

Aber würde sie das jemals tun? Würde sie jemals seine Liebe erwidern? Er ärgerte sich über diese Zweifel.

„Du bist schon mal optimistischer gewesen”, murmelte er und schüttelte unwillig den Kopf.

Sein Magen ließ ihn mit leisem Knurren wissen, dass er gefüttert werden wollte. Volker ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank.

Gähnende Leere. Ein vergammeltes Stück Käse, ein Stück Dauerwurst, eingehüllt in Klarsichtfrischhaltefolie, H-Milch, Erdnussbutter, deren empfohlene Aufbrauchsfrist bereits einen Monat überschritten war ...

„Dem Käse werden bald Ohren wachsen”, grinste Volker und schloss den Eiskasten wieder. Er würde demnächst mal wieder einen Großeinkauf tätigen müssen. Und wovon lebte er bis dahin? Kein Problem. Im Kasino der Paracelsus-Klinik aß man nicht schlecht - und München hatte außerdem ein Überangebot an guten Esslokalen. In dieser Stadt brauchte kein Junggeselle, der des Kochens unkundig war, Hunger zu leiden.

Im Wohnzimmer schlug das Telefon wieder an. Volker verließ die Küche. Er hoffte, dass es nun Petra Graf war, die ihn anrief, doch das erwartungsvolle Leuchten in seinen Augen erlosch, als er die Stimme am andern Ende erkannte.

Es war Lisa Landtmann. Lisa war verrückt nach ihm, aber er wollte von ihr nichts wissen. Er hatte sie vor einem halben Jahr auf einer Party kennengelernt, und sie hatte sich sofort in ihn verliebt. Er hatte den Fehler gemacht, sie mit zu sich nach Hause zu nehmen. Wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er das bestimmt nicht getan, aber er war an diesem Abend ziemlich beschwipst gewesen — und seither ließ ihn Lisa nicht mehr in Ruhe. Sie war hübsch, sah wirklich sehr gut aus, machte den allerbesten Eindruck, aber sie war zu impulsiv, zu leidenschaftlich, zu triebhaft, und das stieß Volker ab.

Keine Spur von sanfter, weiblicher Zurückhaltung. Wenn ein Mann bei ihr auf den richtigen Knopf drückte — was Volker offensichtlich ganz zufällig getan hatte —, warf sie alle Hemmungen ab und ging hoch wie eine Rakete.

Sie hatte ihn gleich beim ersten Zusammensein mit ihrer Liebe so sehr überschüttet, dass er darunter zu ersticken drohte. Er hatte sich erschrocken zurückziehen wollen, aber das ging bei Lisa Landtmann nicht so einfach. Wenn sie sich für einen Mann entschieden hatte, wollte sie ihn mit Haut und Haaren haben, und es war ihr ziemlich egal, ob er das auch wollte oder nicht. Sie merkte überhaupt nicht, welchen Schaden sie mit ihrer ungestümen Liebe anrichtete. Ohne zu denken, stürzte sie sich kopfüber in jede Beziehung und ließ ihren Partner keine Sekunde zu Atem kommen.

Sie war sehr anstrengend - und es war noch anstrengender gewesen, sie wieder loszuwerden. Ganz war es Volker ja noch nicht gelungen, aber er hatte es immerhin geschafft, sie davon abzuhalten, mit Sack und Pack bei ihm einzuziehen, wie sie das ganz fest vorgehabt hatte.

Sie war ja ganz lieb und ganz nett - es war nur unheimlich schwierig - eigentlich so gut wie unmöglich -, freundlich zu ihr zu sein und sie dabei auf Distanz zu halten.

Volker hatte immer wieder mit ihr schlafen müssen. Lisa hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Als er Petra kennengelernt und sich in sie verliebt hatte, war er mit Lisa nicht mehr ins Bett gegangen. Es wäre ihm so vorgekommen, als würde er seine schöne Kollegin betrügen. Tausend Ausreden hatte er sich einfallen lassen müssen, damit es nicht mehr dazu gekommen war.

Doch Lisa war nicht so einfach abzuschütteln. Volker hätte ihr wehtun müssen, um sie loszuwerden, und das brachte er denn doch nicht übers Herz.

„Endlich erreiche ich dich”, sagte Lisa. „Ich habe dich heute schon viermal angerufen. Einmal in der Paracelsus-Klinik ...”

„Du weißt, dass du mich da nicht anrufen sollst!”, sagte Volker Wolff streng.

„Ja, aber es war wichtig. Hat man dir nicht ausgerichtet, dass du zurückrufen sollst?”

„Nein”, antwortete Volker. Jedermann in der Paracelsus-Klinik wusste, dass er für Lisa Landtmann nicht erreichbar war. Bitten um Rückruf sollte man einfach ignorieren. Man hielt sich daran. Es klappte wunderbar. Seit zwei Monaten hatte Lisa ihn in der Klinik nicht mehr ans Telefon bekommen, aber sie lernte nichts daraus, wie sich heute wieder einmal zeigte. Sie rief ihn da trotzdem - wenn auch schon seltener - immer wieder an.

„Du solltest mal Krach schlagen”, riet ihm Lisa. „Die können meinen Anruf doch nicht so einfach vergessen.”

„Du musst das verstehen”, erwiderte Volker. „Es war mal wieder sehr viel zu tun heute. In diesem Durcheinander kann es schon mal passieren, dass eine telefonische Nachricht nicht weitergeleitet wird.”

„Ich komme seit vielen Wochen nicht mehr zu dir durch”, beschwerte sich Lisa.

„Das tut mir leid”, sagte Volker.

„Manchmal glaube ich fast, die schirmen dich in der Klinik ab.”

„Wenn ich bei einer Operation assistiere, kann ich nicht ans Telefon kommen, das musst du einsehen”, erwiderte Volker.

„Ach”, seufzte Lisa, „ich sehe es ja ein, ich sehe alles ein, Liebster. Du hast einen sehr verantwortungsvollen Beruf - und ich habe nur meine Liebe im Kopf.”

„Was hätte es denn so Wichtiges gegeben, dass du mich in der Klinik sprechen wolltest?” erkundigte sich Volker.

„Hat sich erledigt. Eine Freundin hat mir Theaterkarten für heute Abend geschenkt. Ich habe sie inzwischen weitergegeben.”

„Konntest du keinen anderen Begleiter finden?”, fragte Volker Wolff.

„Oh, das wäre kein Problem gewesen. Hubert Pretterebner oder Franz Schindler wären überglücklich gewesen, wenn ich sie gefragt hätte ...”

„Warum hast du’s nicht getan?”

„Weil ich mit dir gehen wollte”, sagte Lisa. „Mit dir und mit keinem andern. Weil ich dich liebe. Bist du allein?”

Er beging den Fehler, ja zu sagen.

„Ich komme zu dir”, erklärte sie sofort.

„Nein!” Er schrie es förmlich heraus.

„Warum nicht?”

„Ich … ich war gerade im Weggehen begriffen, als das Telefon läutete.”

„Wohin wolltest du?”, erkundigte sich Lisa.

Er machte den nächsten Fehler.

„Ich bin hungrig und habe nichts im Haus.”

„Ich habe auch noch nichts gegessen”, sagte Lisa sofort. „Wir könnten zusammen - irgendwo ... Hast du schon von der neuen Churrascaria gehört?”

„Nein, was ist das?”

„Ein brasilianisches Restaurant”, erklärte Lisa sachkundig. „Ein ganz bestimmter Lokaltyp. Kommt sehr gut an bei den Leuten. Du bezahlst vierzig Mark und kannst essen, so viel du willst. Die Kellner servieren das Fleisch auf langen Spießen - Lamm, Rindfleisch, Schweinefleisch, Roastbeef, Spareribs, Rindfleisch mit Parmesankruste, Hähnchen, Würstchen ... dazu gibt es köstliche Salate und eine Menge Beilagen ... Ich rufe sofort an und bestelle einen Tisch.”

Ehe er sich versah, war er mit Lisa Landtmann verabredet. Ihm war, als würde er Petra Graf hintergehen, als er mit Lisa ausging, und er hatte den ganzen Abend ein schlechtes Gewissen.

Lisa hatte ihre blonde Lockenpracht zu einer wilden Löwenmähne frisiert. Sie trug ein superkurzes, hautenges Kleid, das gewagt dekolletiert war. Mit ihren Reizen hatte sie noch nie gegeizt. Aber sie wusste sie so zu präsentieren, dass es niemals ordinär wirkte. Sie sah begehrenswert wie immer aus, aber sie war dennoch leider nicht die Richtige für Volker. Er konnte es nicht ändern. Es war nun einmal so.

Der dunkelhäutige Kellner brachte Chili, gebackene Zwiebelringe, Reis, Pommes frites und eine gebackene Banane. Den Salat hatten sich Lisa und Volker selbst geholt, und nun wurde das Fleisch serviert. Es steckte an degenähnlichen Spießen, und die Brasilianer schnitten mit großen scharfen Messern laufend kleine Stücke von den verschiedenen gut gewürzten Fleischgerichten ab.

Lisa Landtmann griff nach Volkers Hand, sah ihn schmachtend an und sagte „Ich bin sehr glücklich, mit dir hierzu sein, Liebster. Wir haben uns in letzter Zeit nicht oft gesehen. Ich weiß, ich weiß, du bist Arzt und hast viel zu tun. Ich beklage mich auch nicht. Ich versuche irgendwie damit fertig zu werden. Ich sage mir immer, dass du für die kranken Menschen zuerst dasein musst, weil sie dich dringend brauchen, obwohl ... Du siehst müde aus.”

„Ich bin müde.”

„Wir bleiben nicht lange.”

Er wusste, womit sie hinterher rechnete, und er schalt sich im Geist einen Idioten, weil er sich von Lisa hatte überrumpeln lassen.

Er aß sehr viel, und es schmeckte ihm hervorragend. Wenigstens das, dachte er, während er immer fauler wurde. Als er mehr als satt war, bestellte er zwei Verdauungsschnäpschen. Wenig später verließen sie die Churrascaria.

Lisa hängte sich bei Volker ein und schmiegte sich leise schnurrend an ihn.

„Na, wie hat es dir gefallen?”

„Sehr gut”, antwortete Volker.

„War eine prima Idee von mir, nicht wahr?”

„Ja”, sagte Volker.

„Jetzt habe ich eine noch viel bessere.“ Sie grub ihm ihre spitzen Fingernägel in den Handballen.

Er räusperte sich verlegen. Die Situation war ihm unangenehm.

„Du, Lisa, sei mir nicht böse, aber ...”

„Wir fahren zu mir”, flüsterte sie, und ein begehrliches Verlangen glänzte in ihren Augen.

„Ich muss morgen sehr früh raus.”

„Ich habe seit sechs Wochen ein neues Schlafzimmer”, sagte Lisa. „Es ist noch immer nicht gebührend eingeweiht.”

„Wir holen das nach.”

„Wann?”, fragte Lisa.

„Bald.”

„Du hast so wenig Zeit für mich, Liebster”, seufzte Lisa. „Ich bin fast versucht, zu glauben, dass du eine andere hast. Hast du eine andere, Volker? Bitte, sag es mir.”

„Nein. Nein, ich habe keine andere.”

„Wieso sind wir dann so selten zusammen?”, wollte Lisa wissen. „Du musst doch auch den Wunsch haben, mit mir ... Du bist ein gesunder junger Mann.”

„Wenn man beruflich so viel um die Ohren hat ...”

„Würdest du es mir sagen, wenn es eine andere Frau in deinem Leben gäbe?”, fragte Lisa.

„Ja”, antwortete Volker.

„Das würde mich todunglücklich machen. Ich liebe dich doch so sehr.”

Volker schluckte „Lisa ...”

„Ich habe noch nie jemanden so gern gehabt wie dich, Volker, das ist wahr. Wenn - wenn du mich verlassen würdest - ich weiß nicht, was ich dann tun würde. Ich glaube, ich wäre zu allem fähig. Ich würde dann nicht mehr leben wollen.”

Er schüttelte ernst den Kopf.

„Unsinn, Lisa ...”

„Doch, doch, ich würde nicht mehr leben wollen.”

„Leben bedeutet ständige Veränderung, Lisa. Was heute noch zusammenpasst, lässt sich vielleicht morgen schon nicht mehr zusammenfügen. Nicht einmal mit Gewalt. Menschen begegnen sich, bleiben eine Weile zusammen, gehen wieder auseinander, verlieren sich manchmal aus den Augen, lernen jemand anderen kennen ...”

„Es gibt aber auch Paare, die bleiben ein Leben lang zusammen. So muss das auch bei uns sein, Volker. Wenn ich heute definitiv wüsste, dass es anders kommt, würde ich ... Es könnte sein, dass ich mir in meiner grenzenlosen Verzweiflung etwas antue.”

Er war sicher, dass sie nicht bluffte, und er wollte nicht schuld sein an ihrem Tod. Aber er wollte sich auch nicht länger ihre Liebe aufzwingen lassen, die er nicht erwidern konnte. Gott, konnte das Leben manchmal kompliziert sein! Lisa Landtmann liebte ihn, aber er liebte sie nicht. Dafür liebte er Petra Graf, die wiederum ihn nicht liebte.

Er brachte Lisa nach Hause, aber er ließ sich nicht dazu überreden, noch mit hochzukommen. Weder auf einen Kaffee, noch auf einen Drink. Er weigerte sich auch, sich „nur ganz kurz” das neue Schlafzimmer anzusehen, weil er genau wusste; was daraus geworden wäre. Er redete sich auf eine schwierige Operation aus, die für morgen schon ganz früh angesetzt sei und für die er bestens ausgeruht und topfit sein müsse.

Traurig gab sie nach.

„Warum nur musste ich mich ausgerechnet in einen Arzt verlieben?”, seufzte sie enttäuscht.

Vergiss, was war, schöne Kollegin: Arztroman

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