Читать книгу Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 62
21
ОглавлениеDer Regen hatte aufgehört, aber der graue Himmel verhieß keine Besserung.
Katja setzte ihren Golf auf den Hof, stieg aus und ging eilig zur Haustür. Unter dem Arm trug sie eine Plastiktüte vom Supermarkt. Die Tragelaschen waren gerissen und unten hatte sich bereits die scharfe Kante eines Joghurtbechers durch das weiche Plastik geschnitten.
Katja fingerte mit einiger Mühe einhändig den Haustürschlüssel ins Schloss und bekam am Ende sogar die Tür auf, die man beim Aufschließen anziehen musste.
Sie trat ein, trat mit der Hacke die Tür zu und hatte auf einmal das Gefühl, dass schon jemand in der Wohnung war.
Irgend ein Geräusch hatte sie stutzen lassen - nur einen Sekundenbruchteil lang, aber es reichte aus.
"Thomas?", rief sie und blickte dabei auf den Fußabdruck auf dem Teppich. Ja, das sah ihm ähnlich! "Bist du schon zurück? Ich bin heute etwas früher!"
Sie bekam keine Antwort und ging in die Küche, wo sie die Tüte auf dem Tisch abstellte.
"Thomas?", fragte sie noch einmal.
Sie hörte Schritte und wirbelte herum.
In der Küchentür stand eine Gestalt, deren Gesicht von einem Motorradhelm verdeckt wurde. Es musste der Kerl sein, den Katja durch das Küchenfenster hatte davonfahren sehen, als auf Thomas geschossen worden war.
"Keine Bewegung", zischte eine dumpfe, sonore Stimme und Katja blickte in blanken Lauf einer Pistole. "Kommen Sie!", forderte er.
"Was haben Sie vor?"
"Tun Sie einfach, was ich sage! Kommen Sie mit ins Wohnzimmer! Gehen Sie langsam vor mir her!"
Katja gehorchte. Der Puls schlug ihr bis zum Hals. Sie schluckte und fühlte einen Kloß im Hals.
"Setzten Sie sich ganz ruhig in den Sessel dort!", wies der Mann sie an, als sie das Wohnzimmer betraten Sie setzten sich.
Der Mann legte einen Fuß auf den niedrigen Wohnzimmertisch, während Katja die schweißnassen Hände zwischen die Beine presste.
Sie atmete einmal heftig und hörte sich dann fragen: "Wer sind Sie?"
Sie blickte zu ihrem gesichtslosen Gegenüber auf.
"Was soll ich Ihnen darauf antworten? Auf jeden Fall ein recht guter Schütze - wenn auch vielleicht nicht ganz so gut, wie Ihr Mann! Aber ich kann mit diesem Ding hier umgehen, darauf können Sie sich verlassen!
Katjas Gedanken ordneten sich wieder einigermaßen. Den ersten Schock hatte sie hinter sich.
"Sie... wollen meinen Mann töten?", erkannte sie glasklar.
Sie rutschte auf dem Sessel nach vorn.
"Ich habe gesagt, Sie sollen sich setzen und mir nicht noch dumme Fragen stellen!"
Katja sah, dass er die Pistole angehoben hatte und lehnte sich wieder zurück. Er schien ziemlich nervös zu sein.
"Zufrieden?", fragte sie.
Er nickte.
"Ja, so ist es gut."
"Warum machen Sie das? Warum haben Sie auf meinen Mann geschossen und uns diese Fotos geschickt? Das waren doch Sie, oder?"
"Hat Ihr Mann Ihnen das nicht erklärt?"
"Ich... Ich weiß jetzt nicht so recht, was Sie meinen..."
Ein heiseres Lachen kam dumpf unter dem Helm hervor.
"Dachte ich es mir doch."
"Was dachten Sie sich?"
"Er ist ein feiger Hund."
"Thomas?"
"Ja, Ihr Thomas."
Es entstand eine Pause. Im Hintergrund tickte die Wohnzimmeruhr vor sich hin. Tick, tack... Katja machte das rasend.
Nur ruhig bleiben!, sagte sie sich. Ruhig bleiben und nicht den Kopf verlieren.
Tick, tack...
Zeit gewinnen! Irgendwie musste sie Zeit gewinnen. Er schien sich noch nicht im Klaren darüber zu sein, was er mit ihr anfangen sollte. Er hatte wohl nur mit Thomas gerechnet und eigentlich wäre sie jetzt ja auch noch nicht zu Hause gewesen.
Wenn er Thomas umbringt, dann wird er mich kaum am Leben lassen können!, überlegte sie.
Sie fragte sich, warum er es dann noch nicht getan hatte.
Vielleicht wollte er einfach nicht, dass man jetzt schon ein Schussgeräusch hören konnte.
"Haben Sie die Männer auf den Fotos auch... auch umgebracht?", fragte sie mit zitternder Stimme, die aber mit jedem Wort sicherer wurde.
"Halten Sie einfach den Mund, ja?"
"...und wenn Thomas gleich zurückkommt, dann soll ich in aller Ruhe mit ansehen, wie er eine Kugel von Ihnen bekommt? Das haben Sie doch vor, oder?"
Er zuckte die Achseln.
Schließlich sagte er nach kurzer Pause: "Es tut mir leid, dass ich Sie da hineinziehen musste. Es tut mir leid, aber ich kann nichts dafür. Normalerweise sind Sie um diese Zeit nicht zu Hause!"
"Ich weiß... Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?"
"Durchs Klofenster. Es war abgeklappt."
"Ja, das war Marc. Ich habe ihm schon dutzendmal gesagt..."
"Ihr Sohn ist noch mindestens zwei Stunden weg. Handballtraining...
Katja atmete tief durch.
"Sie wissen sehr gut Bescheid."
"Ja, ich habe mich informiert! Und Hansen - also ich meine Ihr Mann - hat Ihnen bestimmt nichts gesagt? Über die Fotos zum Beispiel?"
"Er hat mir gesagt, dass er für die Stasi... Aufträge ausgeführt hat. Früher, meine ich. Schon lange her..."
Sie sah, wie der Motorradhelm sich hob und senkte.
"Ja, richtig."
"Hören Sie, mein Mann hat wirklich nicht vor, Ihnen irgendwie zu schaden! Ihnen oder Ihrem Auftraggeber!"
"Was Sie nicht sagen!"
"Für ihn sind die alten Zeiten vorbei - aus und vergessen. Und er will nichts, als sein Geschäft betreiben und ein ganz normales Leben führen..."
"Ein ganz normales Leben", unterbrach er sie mit einem zynischen Unterton. "Schön haben Sie das gesagt! Wirklich schön!"
Katja hob die Arme und beugte sich erneut etwas vor, worauf der Mann mit dem Helm diesmal allerdings nicht weiter reagierte.
"Sie müssen mir glauben!", rief sie.
Wieder ein heiseres Lachen.
"Ich kann mir gut vorstellen, dass er die alten Zeiten gerne vergessen würde. Oder vielleicht sogar schon vergessen hat."
Katja begriff nicht.
"Na, dann ist doch alles in Ordnung oder?", meinte sie. "Er verlangt auch kein Geld oder so..."
Jetzt war er es, der sich vorbeugte. Er nahm den Fuß vom Tisch und auf einmal war ein seltsames Vibrieren in seiner Stimme.
"Hören Sie, Ihr Mann mag alles vergessen haben aber ich, ich kann es nicht vergessen!", zischte er. "Niemals!"
"Ach, so ist das", murmelte Katja, so als ob sie verstanden hätte, was er meinte.
Er nickte leicht.
"Ja, so ist das!", fauchte er.
Sie nahm einen erneuten Anlauf, denn um keinen Preis wollte sie das Gespräch abreißen lassen. Aus den Augenwinkeln heraus blickte sie zur Uhr. Thomas musste jeden Moment kommen.
"Sie sind ein Ossi, nicht wahr?", fragte sie. "Ich meine, ich wollte sagen, also... Ein Bürger aus den fünf neuen Bundesländern?"
Kopfschütteln.
"Nein. Ich war noch nie dort."
"Was?"
"Ihr Mann scheint Ihnen nicht alles gesagt zu haben."
"Sind Sie kein Ex-Stasi-Mann?"
"Ich?"
"Ja, sicher!"
Er lachte. "Nein, ich bestimmt nicht", murmelte er dann kopfschüttelnd.
Katja war wie vor den Kopf gestoßen.
"Aber..."
"Ich möchte, dass Sie sich Folgendes vorstellen!" forderte er und wieder vibrierte seine Stimme. Er atmete schneller, als er leise fortfuhr: "Ein kleiner Junge, vielleicht vier Jahre alt, betritt die Wohnung seiner Eltern. Er kommt vom Spielen, den Ball hat er noch unter dem Arm. Er ist hingefallen und hat das Knie blutig und nur deshalb ist er jetzt hier." Er schnappte nach Luft und machte eine Pause. Dann schluckte er. "Können Sie mir folgen?"
"Ja", sagte Katja fast tonlos. "Erzählen Sie mir, wie es weitergeht..."
"Der Junge kommt in die Wohnung. Die Tür steht auf. Er sieht seine Eltern, beide liegen auf dem Boden tot. Und daneben steht ein großer Mann mit einer sehr langen Pistole. Er sieht den Jungen an und der Junge sieht ihn an. Dann geht der Mann an ihm vorbei, verlässt die Wohnung und verschwindet."
Das Schweigen, das dann den Raum erfüllte war unangenehm und drückend. Und im Hintergrund ging immer noch die Uhr.
Unablässig ging das Pendel hin und her. Katja dachte unwillkürlich an ein Fallbeil.
"Der Junge - das waren Sie?", fragte sie.
Er nickte.
"Sie dürfen dreimal raten, wer der Mann mit der Pistole war!"
Katja hob die Augenbrauen.
"Thomas?
"Ja."
"Sie... Sie täuschen sich bestimmt!"
"Nein, ich täusche mich nicht", erklärte er. "Ich habe Jahre gebraucht, um herauszufinden, was damals geschehen ist. Aber seit es die Mauer nicht mehr gibt, ist alles etwas leichter geworden... Der Mann auf dem ersten Foto, das war der Stasi-Offizier, von dem Ihr Mann seine Aufträge erhielt!"
"Aufträge?", erkundigte sie sich und ihre Augen wurden schmal dabei.
"Ja, insgesamt sieben", bestätigte er. "Sieben Menschen, die er umgebracht hat. Politische Gegner, die in den Westen geflohen waren, Überläufer, was weiß ich... Missliebige eben.“
"Das wusste ich nicht."
"Sie haben geglaubt, dass Ihr Mann nur ein paar Panzer fotografiert hat, was? Nein, er hatte ganz spezielle Aufgaben. Aber er wird dafür bezahlen!"
"Mein Gott... Können wir uns nicht irgendwie einigen? Ich meine..."
Der Helm hob sich ein wenig. Katja blickte in ihr eigenes Spiegelbild.
"Einigen?", fragte er höhnisch.
"Geld, vielleicht. Unsere Firma geht gut, da..."
"Vergessen Sie's!"
"Wie, bitte?"
"So etwas lässt sich nicht mit Geld regeln. Das ist ausgeschlossen. Ich sehe jede Nacht diesen Mann vor mir, mit seiner Pistole. Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Können Sie das?"
"Wahrscheinlich nicht", gab Katja zu und dachte gleichzeitig fieberhaft nach. "Wenn Sie so sehr von der Schuld meines Mannes überzeugt sind - weshalb gehen Sie dann nicht zur Polizei, anstatt hier mit einer Pistole aufzutauchen?“
Er schüttelte den Kopf.
Sein Ton wurde bitter.
"Das ich nicht lache! Wissen Sie, wie viel man auf die Erinnerung eines Vierjährigen gibt? Nein, das würde nur im Sande verlaufen. Ihr Mann war Profi. Er hat seine Sache gut gemacht. Es dürfte schwer sein, heute noch Beweise beizubringen, die ein Gericht akzeptieren könnte!" Er machte eine Pause. Dann fragte er unvermittelt: "Ist Ihr Mann eigentlich bewaffnet?"
"Nein", sagte Katja.
"Soll ich das glauben?"
"Glauben Sie, was Sie wollen! Er hat eine Pistole. Aber nicht bei sich. Soll ich sie Ihnen zeigen?"
Der Mann zögerte und schien einen Moment lang nachdenken zu müssen.
Dann nickte er schließlich langsam, aber bestimmt.
"Ja."
Er fuchtelte mit der Pistole hin und her. Katja erhob sich vorsichtig.
"Seien Sie ja vorsichtig mit dem Ding, hören Sie?", murmelte sie.
"Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein! Wo ist die Waffe?"
"In der Küche."
"Versuchen Sie keine Tricks, ja? Es würde Ihnen schlecht bekommen!"
Er ließ Katja vor sich her gehen.
"Werden Sie mich nicht ohnehin töten?", fragte sie, als sie die Küche erreicht hatten.
"Warum sollte ich?"
Plötzlich klang Katjas Stimme sehr stark und bestimmt.
"Das sagen Sie nur, um mir Hoffnung zu machen!", stellte sie kühl fest.
"Ich sage, weil es die Wahrheit ist. Außerdem habe ich einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Ihr Mann hat den Tod verdient, sogar mehr als das! Aber sie haben damit nichts zu tun."
"Aber ich wäre eine Zeugin."
"Wirklich?" Er lachte. "Was wissen Sie von mir? Nichts. Ihr Mann war Profi, aber ich werde nicht weniger geschickt vorgehen. Wo ist jetzt die verdammte Pistole?
Katja öffnete eine Schublade. "Hier!", sagte sie.
"Finger weg!", fauchte er. „Das ist ein ziemlich altes Ding, was?"
Da klang so etwas wie Zweifel mit und deshalb beeilte sich Katja zu sagen: "Er hat sie auch ziemlich lange nicht mehr gebraucht!"
Er wandte den Kopf zu ihr. Vielleicht musterte er sie.
Katja sah den blicklosen Helm fest an und hoffte, dass man ihr glaubte.
"Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen, was?", kam es ihr kalt entgegen.
"Das würde ich nie wagen!"
"Ach, nein?"
"Nicht solange Sie mit Ihrer Waffe vor meinem Gesicht herumfuchteln!"
Er nahm die Waffe in die Linke und hielt sie Katja entgegen.
"Das ist eine Sportpistole!", stellte er fest. "Ich will ja nicht bestreiten, dass man damit nicht auch jemanden umbringen kann, aber..."
Er richtete den Lauf auf Katja und bohrte in dann schmerzhaft in ihren Hals. Vielleicht fünf volle Sekunden lang machte er das. Katja wagte nicht einmal zu schlucken.
Dann nahm er das Eisen wieder weg und schüttelte den Kopf.
"Sie haben gefragt, ob Thomas eine Waffe bei hat", sagte sie dann so ruhig sie eben konnte. "Und ich habe Sie Ihnen jetzt gezeigt. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
"Ja, ja... Die Rolle des Unschuldslamms, die steht ihnen prächtig!", versetzte er zynisch.
"Mein Gott, was erwarten Sie denn von mir?"
"Schon Gut. Gehen wir wieder ins Wohnzimmer."
Er wandte ein wenig den Kopf und dann ging alles sehr schnell.
Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er wollte die Rechte hochreißen, aber es war zu spät.
Zwei Schüsse kurz hintereinander abgefeuert trafen ihn im Oberkörper, rissen ihn nach hinten und ließen ihn dann der Länge nach zu Boden schlagen. Blut sickerte auf den kalten Kachelboden in der Küche.