Читать книгу Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021 - A. F. Morland, Pete Hackett - Страница 18
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ОглавлениеCharles Marcuse war froh, dass sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Paul Carson war gestorben. Niemand hatte mehr nachzuhelfen brauchen. Der Boss konnte zufrieden sein. Carson war nicht mehr in der Lage, irgendetwas auszuplaudern.
Da Carsons Tod einigen Staub aufgewirbelt hatte, hatten die Truck-Hyänen eine kurze Verschnaufpause eingelegt. Auf den einschlägigen Routen hatte sich zu viel Polizei herumgetrieben. Firmen, die es sich leisten konnten, schickten zwei, drei Tage lang einen zweiten Mann mit, aber auf die Dauer war das nicht tragbar.
Und nun war die Schonzeit für Trucks abgelaufen. Der Boss hatte wieder grünes Licht für einen neuen Überfall gegeben. Der Anruf hatte Marcuse zu Hause erreicht. Ausgestattet mit den nötigen Informationen trommelte Charles Marcuse danach seine Komplizen zusammen.
Er brauchte sich nicht zu beeilen. Der Überfall sollte erst gegen Mitternacht stattfinden. Sie hatten also noch jede Menge Zeit, um sich gründlich darauf vorzubereiten.
Victor Tiggers stöberte Charles Marcuse in einem kleinen Steakhouse auf. Er setzte sich zu dem Komplizen, der gerade sein Steak zerteilte, und grinste ihn an.
„Was gibt’s? Warum grinst du so dämlich?“, fragte Tiggers.
„Mir fiel gerade ein Spruch ein.“
„Was für einer?“
„Dass die meisten Selbstmorde mit Messer und Gabel begangen werden.“
„Die Gefahr besteht bei mir nicht. Ich laufe täglich meine sieben Meilen. Der Arzt ist mit meiner Gesundheit unzufrieden, weil sich damit nichts verdienen lässt, und ich bin auch besser als du.“
„Ja. Vor allem im Mundvollnehmen bist du einsame Spitze.“
„Weshalb bist du hier?“
„Es gibt wieder Arbeit, aber du brauchst dich nicht zu beeilen. Iss in Ruhe dein Steak auf.“
„Ich hatte auch nicht vor, es überzulassen. Was liegt an?“
„Erzähle ich dir draußen im Wagen.“
„Trinkst du einen Schluck Wein mit?“
„Nein, und du solltest damit auch maßhalten.“
„Ich weiß, was ich vertrage“, erwiderte Tiggers und goss sein Glas demonstrativ voll. Aber er leerte es nur zur Hälfte. Nachdem er mit dem Essen fertig war, verlangte er die Rechnung. Mit vollem Bauch, und bester Stimmung verließ er mit Marcuse das Lokal.
Im Wagen erhielt er die Informationen, die Marcuse vom Boss bekommen hatte. Sie fuhren von Manhattan nach Brooklyn hinüber und betraten wenig später eine riesige Bowling-Halle.
Eliot Banninger, der Dritte im Bunde, wohnte beinahe hier. Jede freie Minute verbrachte er in der Bowling-Halle. Zu Hause war er nur selten anzutreffen. Kein Wunder, dass er es auf der Bowling-Bahn bereits zu einer beachtlichen Meisterschaft gebracht hatte.
Eben schob er wieder einen Strike, und seine Freunde applaudierten dazu. Er ließ sich grinsend feiern. Ein kleines Girl sprang an ihm hoch und küsste ihn auf die Wange.
Er blickte an ihr vorbei und bemerkte Marcuse und Tiggers, die sich auf die Hocker gesetzt hatten, die vor dem Bartresen standen. Die beiden schauten zu ihm herüber.
Er entschuldigte sich bei seinen Freunden und begab sich zu seinen Komplizen. „Was wollt ihr denn hier?“, fragte er.
„Wie läuft das Spiel?“, fragte Marcuse.
„Bestens“, erwiderte Banninger. „Meine Mannschaft ist weit vorn.“
„Umso leichter kann deine Mannschaft auf deine weitere Mitwirkung verzichten“, sagte Marcuse.
Banninger blickte zuerst Marcuse und dann Tiggers an. „Geht’s wieder, los?“
Die beiden nickten.
„Wann?“, wollte Banninger wissen.
„Gegen Mitternacht.“
„Na schön. Ich komme gleich“, sagte Eliot Banninger. Er kehrte zu seiner Mannschaft zurück und erklärte, er müsse dringend weg. Geschäftlich. Man bedauerte sein Ausscheiden zwar sehr, aber man zeigte Verständnis dafür. Das Geschäft muss Vorrang haben.
Mit Tiggers und Marcuse verließ er die Bowling-Halle. In Queens stahlen sie einen Range Rover. Damit fuhren sie aus der Stadt. Im Fond des Fahrzeugs lagen ihre weißhaarigen Greisenmasken und die Maschinenpistolen - also das Werkzeug, das sie bei dem bevorstehenden Coup benötigten.
In Suffolk rief sich Charles Marcuse noch einmal ins Gedächtnis, was ihm der Boss eingeschärft hatte. Die Straße fiel leicht nach Osten hin ab. Marcuse lenkte den Range Rover hinter eine Buschgruppe.
„Auf dieser Steigung muss der Truck-Driver zurückschalten“, erklärte Charles Marcuse. „Die Maschine wird einen Mordslärm machen. Da wird man deinen Schuss gar nicht hören“, sagte er zu Eliot Banninger. Sie stiegen aus. Marcuse und Tiggers begleiteten ihren Komplizen bis zu jener Stelle, wo er sich auf die Lauer legen sollte.
„Ein einziger Schuss müsste genügen“, meinte Victor Tiggers.
„Darauf könnt ihr euch verlassen“, sagte Banninger.
„Sobald der Truck steht, stößt du zu uns“, sagte Marcuse.
„Klar. Ich lasse euch schon nicht im Stich“, erwiderte Banninger grinsend. Er setzte seine Greisenmaske auf.
„Wir testen hinterher gleich mal unsere Walkie-Talkies“, sagte Marcuse.
„In Ordnung“, gab Banninger zurück.
Marcuse und Tiggers kehrten um. Banninger setzte sich unter einem alten Ahornbaum ins Gras. Die Maschinenpistole legte er neben sich. Seine Komplizen verschwanden hinter der Straßenkrümmung.
Banninger zog die Antenne seines Sprechfunkgerätes aus und rief die Freunde. „He, ihr zwei Nachteulen, könnt ihr mich hören?“
„Bestens“, kam es aus dem Lautsprecher.
„Ihr kriegt Bescheid, sobald ich den Truck erspähe.“
„Dann halt mal schön die Augen offen.“
Funkstille trat ein. Banninger steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und rauchte kalt. Weil er nichts Besseres zu tun hatte, nahm er die MPi zur Hand und stellte sie auf Einzelfeuer. Die Zeit verrann träge, aber Eliot Banninger verfügte über eine Engelsgeduld. Lange Wartezeiten hatten seine Nerven noch nie angegriffen. Er vermochte sich wunderbar abzulenken. Seine Gedanken schweiften zu jenen Jahren zurück, als er noch nicht mit Marcuse und Tiggers zusammengearbeitet hatte.
Damals war es ihm echt dreckig gegangen. Er hatte von Einbrüchen und Diebstählen recht und schlecht gelebt. Die Hehler hatten ihn immer wieder übers Ohr gehauen. Einen von ihnen hatte er eines Tages dann dermaßen verdroschen, dass der Mann zwei Monate im Krankenhaus bleiben musste.
Banninger erinnerte sich noch gut daran, wie nervös er damals gewesen war. Wenn der Hehler ausgepackt hätte, wäre er ins Zuchthaus gekommen. Aber der Mann hatte glücklicherweise geschwiegen. Aus Angst vermutlich.
Ein Jahr später hatte sich Banninger mit Marcuse und Tiggers zusammengetan. Von Truck-Überfällen war damals jedoch noch nicht die Rede gewesen. Sie hatten Banken ausgeraubt, Supermärkte überfallen, Tresore geknackt. Die Einnahmen konnten sich sehen lassen.
Aber das Risiko war hoch gewesen, denn viele Firmen stellten private Wachmänner ein, und an einem von ihnen wäre Banninger um ein Haar gescheitert. Wenn Marcuse ihn nicht aus der Klemme geholt hätte, hätte der Wachmann ihn erschossen.
Dieses Erlebnis machte die drei vorsichtiger. Da sie nicht mehr so viel zu riskieren bereit waren, gingen auch die Einnahmen zurück. Doch dann kam die Idee mit den Truck-Überfällen, und seither blühte das Geschäft wieder.
Scheinwerfer in der Ferne. Eliot Banninger griff sofort nach seinem Walkie-Talkie. „Da kommt ein Fahrzeug auf uns zu!“, meldete er.
„Ein Brummer von CONTINENTAL TRUCK?“, fragte Charles Marcuse.
„Kann ich auf die Entfernung noch nicht erkennen.“
„Behalt den Lastwagen im Auge.“
„Was dachtest du denn, was ich tue?“
Das schwere Fahrzeug kam näher. Sämtliche Wagen von CONTINENAL TRUCK waren knallrot gespritzt und mit zitronengelben Streifen versehen. Das waren die Markenfarben des Frachtunternehmens.
Der Truck, der in diesem Augenblick die Steigung hochbrüllte, trug diese Farben nicht. Banninger entspannte sich sofort wieder. „Falscher Alarm!“, rief er in sein Sprechfunkgerät und zog sich hinter den Stamm des alten Ahornbaumes zurück, um nicht gesehen zu werden.
Lärmend rollte der Truck an dem Gangster vorbei. Er passierte kurz darauf die Stelle, wo Charles Marcuse und Victor Tiggers in ihrem Versteck warteten. Dann herrschte wieder Stille.
Zehn Minuten später meldete Eliot Banninger wieder einen Truck, und diesmal war es der richtige. Selbst in der Dunkelheit leuchteten die zitronengelben Streifen auf dem knallroten Untergrund.
„Jungs, es ist so weit!“, gab Banninger durch.
„Ziele gut!“, erwiderte Marcuse.
„Mach’ ich“, sagte Banninger, schob die Teleskopantenne in das Funkgerät, steckte es ein, griff zur Maschinenpistole und legte sich flach auf den Bauch. Gleich würde der Truck da sein und dann ...