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26. Kapitel

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Die Bergung der Verunglückten gestaltete sich überaus schwierig. Der Rettungshubschrauber hatte wegen des stärker gewordenen Windes Schwierigkeiten, die Position zu halten, und die Trage, auf die man Sandra gelegt hatte, drohte beim Hochziehen zweimal gegen die steile Felswand zu schlagen.

Eine Stunde später lag Sandra Falkenberg im OP der Wiesenhain-Klinik. Dr. Peter Dansberg hatte Dr. Daniel Frank, den Chefarzt der Chirurgie, zu Hause erreicht – nachdem Sandras Ankunft über Funk avisiert worden war – und ihn gebeten, unverzüglich in die Klinik zu kommen.

Sandra hatte sich zwei Rückenwirbel gebrochen, ihr drohte eine irreparable Querschnittslähmung, wenn es Dr. Frank nicht gelang, das gequetschte Rückenmark und die eingeklemmten Nerven zu entlasten.

Der Assistenzarzt Dr. Dansberg hatte auch Dr. Krautmann telefonisch zu erreichen versucht, aber er hatte nur die Haushälterin an den Apparat bekommen, und die hatte nicht gewusst, wo der Chef der Wiesenhain-Klinik sich zurzeit befand. Eine halbe Stunde später hatte Florian Krautmann sich gemeldet, und nun stand auch er im OP und versuchte der Patientin gemeinsam mit Dr. Frank zu helfen. „Trümmerbruch“, stellte Daniel Frank mit dumpfer Stimme fest. „Sieht nicht gut aus.“

„In letzter Zeit hat sie das Unglück gepachtet“, sagte Florian Krautmann voll Mitleid.

„Ihr Kreislauf wackelt“, meldete Dr. Andrea Ehrlich, die Anästhesistin.

„Halte durch, Mädchen“, sagte Dr. Frank eindringlich. „Mach uns jetzt um Himmels willen nicht schlapp.“

Dr. Ehrlich spritzte ein kreislaufstärkendes Medikament in den Infusionsschlauch.

Wenig später konnte sie melden, dass sich der Kreislauf der Patientin wieder normalisiert hatte. Sandras Atmung war okay. Dr. Frank hatte gleich nach ihrer Einlieferung diverse Röntgenaufnahmen sowie ein MRT veranlasst, um sich ein präzises Bild ihrer Rückenverletzung machen zu können.

Wichtig bei solchen Verformungen ist, dass man den Verformungsgrad ausrechnet. Dazu misst man die Wirbelhöhle vorn und hinten im Vergleich zu den Nachbarwirbeln und außerdem den Winkel des Achsenknicks infolge des Wirbelbruchs. Das hatte Daniel Frank getan, und er war dabei zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Abknickung der Wirbelsäulenachse nach vorn oberhalb des sechsten Brustwirbels betrug fast dreißig Grad. Rückenmark und Nervenstrang waren gequetscht. Dr. Frank tat alles, um sie zu entlasten, doch er erzielte nur einen schwachen Teilerfolg.

Nach vier Stunden intensivster Chirurgenarbeit unter höchster nervlicher Anspannung und geistiger Konzentration sagte Daniel Frank: „Mehr dürfen wir der Patientin im Moment nicht zumuten, sonst kehrt sich das, was wir erreicht haben, ins Gegenteil um.“

Während sie sich wenig später die Hände wuschen, sah der Chefchirurg Florian Krautmann mit sorgenvoller Miene an.

„Du hast wenig Hoffnung, nicht wahr?“, sagte der Klinikchef dumpf.

„Wir sind Ärzte“, erwiderte Dr. Frank. „Es hat keinen Zweck, die Dinge schönzufärben.“

„Befürchtest du, dass sie querschnittgelähmt bleibt?“

„Zurzeit sieht es danach aus. Der Trümmerbruch macht mir große Sorgen.“

„Wird sie nie wieder gehen können?“

„Sie ist eine Freundin von Lisa und Julian, habe ich gehört.“

Florian Krautmann nickte. „Ja.“

„Wie alt?“

„Vierundzwanzig“, antwortete der Klinikchef. „Sie hat noch so viele Jahre vor sich, Daniel.“ Er drehte das Wasser ab und griff nach einem Handtuch.

„Du möchtest nicht, dass sie diese im Rollstuhl verbringt“, sagte Daniel Frank gepresst. „Ich auch nicht, aber ich weiß nicht, ob ich es ihr ersparen kann. Wir müssen die heutige Operation als Beginn einer Reihe von Eingriffen sehen. Vielleicht können wir ihr helfen, wenn wir sie drei-, vier- oder fünfmal operieren, aber wird sie dazu bereit sein? Ich kann ihr nicht versprechen, dass sie nach der fünften Operation wieder gehen kann.“ Er seufzte. „Ihre Chancen sind denkbar schlecht. Vielleicht quälen wir sie mit weiteren Eingriffen nur unnötig. Auch das wäre möglich.“

Die Ärzte setzten das Gespräch in Dr. Krautmanns Büro fort. „Du hast den Trümmerbruch eingerichtet“, sagte der Leiter der Wiesenhain-Klinik.

„So gut es ging“, nickte Dr. Frank. „Nun müssen wir ihm Zeit lassen, zusammenzuwachsen. Nach der Kallusbildung werden wir weitersehen. Aber ich wage keine Prognose.“

„Ich habe befürchtet, dass sie eines Tages schweren Schaden nehmen wird“, sagte Dr. Krautmann ernst.

„Wieso?“

Florian Krautmann erzählte, was er von den Zwillingen wusste – dass Sandra Falkenberg jedes Wagnis auf sich genommen hatte, um Karsten Rüge zu imponieren und Oliver Wiechert zu ärgern.

„Die Menschen suchen aus den unterschiedlichsten Gründen die Konfrontation mit der Gefahr“, meinte Dr. Frank nachdenklich. „Es ist eine neue, unerfreuliche Zeiterscheinung, ein gefährlicher Trend, dass man in der Freizeit aufbricht, um seine Grenzen beim Wildwasserfahren, Drachenfliegen, Skysurfen und dergleichen mehr zu suchen – und immer mehr von denen, die sie gefunden haben, landen schließlich halb tot bei uns, das hat eine Studie der Krankenkassen über das neue Freizeitverhalten unserer Landsleute an den Tag gebracht.“

„Scheint so, als ginge es den Menschen zu gut“, kommentierte Florian Krautmann.

„Und sie haben zu viel Freizeit, mit der sie offenbar nichts Rechtes anzufangen wissen“, bemerkte Daniel Frank, „deshalb kommen sie auf die hirnrissigsten und waghalsigsten Ideen. Es ist zu befürchten, dass das demnächst noch viel schlimmere Blüten treiben wird. Die Krankenkassen befürchten eine wahre Kostenexplosion, deshalb möchten sie, dass Sportarten, die ein extrem hohes Risiko beinhalten, so bald wie möglich privat versichert werden. Aber um auf Sandra Falkenberg zurückzukommen: Dass ein Mädchen seine Gesundheit so beharrlich aufs Spiel setzt, um den Freund, der sie enttäuscht und gekränkt hat, zu bestrafen, ist mir noch nicht untergekommen.“

Liebe auf der Station - 4 Arztromane: Liebe und Schicksal Großband 9/2021

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