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28. Kapitel

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Die ganze Clique wollte Sandra Falkenberg tags darauf besuchen, aber das durfte man ihr noch nicht zumuten. Dr. Krautmann erklärte den jungen Leuten – Julian und Lisa waren auch dafür, dass die Patientin im Augenblick noch nicht besonders belastbar sei. „Deshalb kann ich nur eine Person bewilligen“, sagte er, und die Clique delegierte vernünftigerweise Oliver Wiechert.

„Wir warten hier auf dich“, sagte Karsten Rüge. „Bestell ihr herzliche Grüße von uns.“

Oliver nickte nur.

„Lass dir Zeit“, sagte Dorothee Simonis. „Bleib so lange bei ihr, wie es geht.“

Seit Sandras Absturz war Dotty wie ausgewechselt. Sie war sehr mild und versöhnlich gestimmt, und es hatte den Anschein, als fühlte sie sich an dem Unglück mitschuldig. Olivers Herz klopfte heftig, als er die Tür öffnete, die in Sandras Krankenzimmer führte. Ihm war, als würde eine unsichtbare Hand seine Kehle zudrücken.

Er war so leise, dass Sandra ihn nicht eintreten hörte. Sie hatte die Augen geschlossen, schien zu schlafen. Aufwecken werde ich sie auf keinen Fall, dachte Oliver. Wenn sie schläft, lasse ich sie schlafen und sehe sie nur an. Er erreichte ihr Bett und musste den Wunsch unterdrücken, sich über sie zu beugen und zu küssen. Ihr hübsches Gesicht war blass, aber ihren entspannten Zügen war nicht anzusehen, welches schreckliche Schicksal sie ereilt hatte.

Olivers Nerven vibrierten. Es schmerzte ihn zutiefst, Sandra so daliegen zu sehen, und ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust, auf die ein unsichtbares Gewicht von mehreren Zentnern drückte. Sandra hörte sein Seufzen und öffnete die Augen.

„Hallo“, sagte er zaghaft.

„Oliver …“, hauchte sie.

„Wie geht’s?“, wollte er wissen.

Sie schwieg.

„Hast du Schmerzen?“

„Sie geben mir etwas dagegen“, antwortete sie leise.

„Ich soll dich von der gesamten Clique ganz herzlich grüßen. Sie sind alle draußen, aber Dr. Krautmann bewilligte nur einen Besucher, und alle meinten, das müsse ich sein.“

Tränen rannen ihr übers Gesicht.

„Nicht weinen, Liebes“, bat Oliver zärtlich. „Nicht weinen, es wird alles gut.“

„Ich bin so wahnsinnig unglücklich“, schluchzte Sandra.

„Du lebst.“

„Aber wie. Ich werde nie wieder gehen können.“ Sie schloss die Augen und verzog verzweifelt das Gesicht. „Wenn ich könnte, würde ich aus dem Fenster springen.“

Oliver sah sie erschrocken an. „Das darfst du nicht sagen.“

„Was soll ich denn noch auf dieser Welt?“

„Warum denkst du immer nur an dich, warum nicht auch mal an mich?“, fragte Oliver ein wenig vorwurfsvoll.

„Es wäre auch für dich besser, wenn ich nicht mehr leben würde.“

„Sandra, ich bitte dich, hör auf, so zu reden, das tut mir weh.“

„Ich bin doch nur noch eine Last für dich“, seufzte sie.

„Ich liebe dich.“

„Ich bin zur Hälfte tot. Mein Unterleib ist völlig gefühllos.“

„Die Ärzte bringen dich wieder hin“, sagte Oliver zuversichtlich. „Du bist in einer der besten Kliniken unseres Landes, das weißt du doch.“

„Ich muss für meine Dummheit und meinen Leichtsinn bezahlen.“

„Du wirst eines Tages wieder gehen können, Sandra.“

„Nein, Oliver, das kannst du vergessen. Ich werde meine Beine nie mehr gebrauchen können. Damit ist es ein für alle Mal vorbei. Wenn die Ärzte jedem Querschnittgelähmten helfen könnten, gäbe es nicht so viele davon.“

„Jeder Fall liegt anders“, entgegnete der junge Mann mit ungebrochenem Optimismus.

„Sie haben wahrscheinlich alle einmal gehofft und den Himmel verzweifelt um Hilfe angefleht – und was ist ihnen letzten Endes geblieben? Enttäuschung, Resignation und Tränen.“

„Manchmal lässt der Himmel ein Wunder geschehen.“

„Ein Wunder“, sagte Sandra bitter. „Ich glaube nicht an Wunder.“

Oliver lächelte. „Ob du an sie glaubst oder nicht – es gibt sie.“

„Nicht für mich.“

„Auch für dich“, widersprach er und streichelte zärtlich ihre Hand.

Liebe auf der Station - 4 Arztromane: Liebe und Schicksal Großband 9/2021

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