Читать книгу Liebe auf der Station - 4 Arztromane: Liebe und Schicksal Großband 9/2021 - A. F. Morland - Страница 43
36. Kapitel
ОглавлениеAls Anette Falkenberg und Oliver Wiechert Sandra besuchten, zeigte sie auch ihnen ihr neuestes Kunststück, und die beiden waren außer sich vor Freude.
„Hab ich’s nicht gesagt?“, jubelte Oliver. „Hab ich’s nicht gesagt? Manchmal lässt der Himmel ein Wunder geschehen, habe ich gesagt. Und da ist es! O Sandra, ich freue mich ja so sehr für dich. Ich kann nicht sagen, wie sehr.“
Nun begann eine harte, anstrengende Zeit für das junge Mädchen, aber sie war niemals schlimmer als die, die Sandra bereits hinter sich hatte.
Natürlich gab es hin und wieder auch kleine Misserfolge, doch die vermochten Sandra nicht mehr zu entmutigen, denn im Großen und Ganzen ging es mit ihr trotz aller unwesentlichen Rückschläge doch stetig und unaufhaltsam immer weiter aufwärts.
Als Oliver wieder in die Wiesenhain-Klinik kam, um seine geliebte Sandra zu besuchen, war er voller wunderbarer Zukunftspläne, und er malte sich in den schillerndsten Farben aus, wie schön es sein würde, wenn Sandra wieder laufen konnte. Man weiß so selbstverständliche Dinge erst zu schätzen, wenn man sie verloren hat, dachte er und lief am Fahrstuhl vorbei die Treppe hinauf, während sich der Aufzug träge nach unten bewegte.
„Tag, Dr. Krautmann“, grüßte er den Chefarzt, der soeben aus dem Schwesternzimmer trat.
„Oliver. Wie geht’s?“
„Prima. Macht Sandra nach wie vor gute Fortschritte?“
„Wir sind mit ihr sehr zufrieden“, antwortete Florian Krautmann. „Sie hat einen eisernen Willen.“
„O ja“, sagte Oliver stolz, „wenn es sein muss, kann sie die Zähne wie ein Mann zusammenbeißen.“ Dr. Renate Sanders, die Fachärztin für Pädiatrie, erschien am Ende des Ganges. Ihr oblag vor allem die Behandlung und Überwachung Frühgeborener. Florian Krautmann erblickte sie und sagte zu Oliver: „Bitte entschuldigen Sie mich, ich werde erwartet.“
„Ich auch“, grinste Oliver. „Ich auch.“
Sie trennten sich, und Oliver öffnete wenig später mit erwartungsvoller, freudiger Miene die Tür, die in Sandra Falkenbergs Zimmer führte.
Er stutzte. Das Bett war leer. Hatte man Sandra verlegt? Wieso hatte Dr. Krautmann ihm nichts davon gesagt? Hatte der Klinikchef vergessen, es zu erwähnen?
Sofort erwachte Unruhe in Oliver. Er mochte solche Überraschungen nicht. Sollte er bleiben? Sollte er eine der Schwestern fragen, wo Sandra war?
Er trat unschlüssig ans Fenster und blickte hinaus. Ein grauhaariger Patient schlich, auf seine Frau gestützt, matt durch den Park.
Im Fensterglas spiegelten sich plötzlich zwei Gestalten. Oliver drehte sich rasch um und sah Sandra, die von Schwester Annegret geführt wurde.
„Sandra“, stieß er fassungslos hervor. „Du – du – du gehst ja!“
„Kann man das schon gehen nennen?“, fragte Sandra lächelnd.
„Du sitzt nicht mehr im Rollstuhl, bewegst dich auf deinen eigenen Beinen vorwärts. Ich schlage vor Freude gleich Purzelbäume.“ Er trat einen Schritt vor, um die Entfernung zu verringern, breitete die Arme aus und sagte: „Glaubst du, du schaffst die paar Schritte ohne Schwester Annegrets Hilfe?“
„Ich weiß es nicht.“
„Würdest du es bitte versuchen?“ Die grauhaarige Pflegerin ließ sie los. Jetzt stand Sandra erst mal. Allein. Aber sie schien sich keinen Schritt zuzutrauen.
„Na los!“, drängte Oliver sie. „Komm! Komm, Liebling!“
Je länger sie zögerte, desto mehr wuchs die Spannung.
„Du kannst es“, behauptete Oliver eindringlich. „Du kannst alles, was du willst, Schatz. Du bist in diesem Haus schon bekannt für deinen beispielhaften eisernen Willen. Hab’ ich recht, Schwester Annegret?“
„Ja“, schmunzelte die Pflegerin, „das hat sich bereits bis zur Säuglingsstation herumgesprochen.“ Ungelenk setzte Sandra den rechten Fuß vor den linken. Sie musste wieder gehen lernen. Wie ein Kleinkind kam sie sich vor, und sie fühlte sich genauso unsicher.
„Jetzt den linken Fuß“, sagte Oliver Wiechert aufgeregt. „Komm schon, du schaffst es. Du schaffst es, Liebes!“ Sie machte den zweiten Schritt. Beim dritten fiel sie nach vom, aber es passierte ihr nichts, denn Oliver fing sie blitzschnell und sicher auf, und er sagte unendlich zärtlich: „Ich werde von nun an immer da sein, um dich aufzufangen, wenn du fällst.“