Читать книгу Berliner Bär contra Düsseldorfer Wolf: Berlin 1968 Kriminalroman Band 37 - A. F. Morland - Страница 6

Оглавление

2


An der Beerdigung nahmen nur wenige Menschen teil. Auf dem großen Nordfriedhof von Düsseldorf verlor sich die kleine Schar der Trauernden nahezu zwischen den vielen Gräbern.

Es war ein strahlender Tag, an dem Karsten Langer zu Grabe getragen wurde. Hinter dem Sarg ging eine schlanke, zerbrechlich wirkende Frau - Langers Frau.

Sie trug ein schwarzes Kostüm und einen leichten schwarzen Übergangsmantel darüber. Auf ihrer blonden Frisur saß ein schwarzer Hut mit Schleier. Dahinter war ein bleiches Gesicht zu sehen. Die Augen waren rotgeweint, und Tränen glitzerten auf Karin Langers Wangen. Immer wieder putzte sie sich die Nase, während ihr Blick starr auf den schwarzen Sarg gerichtet war.

Die kleine Prozession bog in einen schmalen Weg zwischen den Gräbern ein. Die Schritte knirschten auf dem hellen Kies. Am offenen Grab hielt der Priester eine kurze Ansprache. Sie war ziemlich allgemein gehalten, weil er den Toten nicht persönlich gekannt hatte. Anschließend senkte sich der Sarg langsam in die Tiefe.

Karin Langer spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Sie musste sich für immer von Karsten verabschieden, und das schmerzte sie. Sie hatte ihren Mann mit allen seinen Fehlern und Schwächen geliebt, und wenn auch nicht alles richtig gewesen war, was er getan hatte, so war er doch kein schlechter Mensch gewesen.

Er hatte sie niemals betrogen, und es waren nur die Umstände gewesen, die ihn vorübergehend zum Ganoven gemacht hatten. Er war ein guter Ehemann gewesen. Der beste, den Karin sich wünschen konnte. Aufmerksam, verträglich, nett und zuvorkommend.

Als der Priester seine Ansprache beendet hatte, trat Karin Langer an das offene Grab. Sie warf eine blutrote Rose auf den Sarg.

„Adieu, Karsten“, flüsterte sie. „Ich werde dich sehr vermissen.“

Ihre Stimme erstarb. In ihrer Kehle entstand ein schmerzliches Gefühl. Sie merkte, dass sich um sie herum alles zu drehen begann und kämpfte gegen die Schwäche an, die sie übermannen wollte. Bernd Schuster nahm ihren Arm und stützte sie. Gemeinsam verharrten sie noch am Grab.

Eine ganze Weile später ging Bernd Schuster neben Karin Langer auf das offene Friedhofstor zu. Die Witwe hatte ihren Arm unter den seinen geschoben, und er stützte sie noch immer.

„Es tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen, Karin“, sagte Bernd.

Karin Langer seufzte: „Mir auch. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie zur Beerdigung extra nach Düsseldorf gekommen sind.“

„Ich bitte Sie, das war doch selbst verständlich.“

Sie verließen den Friedhof. Karin verabschiedete sich von den wenigen Trauergästen und gab dann Bernd die Schlüssel zu ihrem Wagen. Bernd Schuster schloss den BMW auf. Karin setzte sich in das graue Fahrzeug. Bernd warf den Wagenschlag zu, ging um das Heck herum und setzte sich ans Steuer.

Er kannte Karin Langer von früher. Bis vor vier Jahren hatte sie in Berlin gelebt. Sie hatte da als Sängerin in einem Lokal gearbeitet, das Bernd hin und wieder gern aufgesucht hatte. Eines Tages hatte sie ihm erzählt, dass sie den Mann ihres Lebens getroffen habe: Karsten Langer. Einen Monat später hatten die beiden schon geheiratet, und Karin war als Frau Langer mit ihrem Mann nach Düsseldorf gegangen.

Bernd hatte damals nicht gedacht, dass er Karin jemals wiedersehen würde. Und nun saß er neben ihr und lenkte ihren Wagen. Aber die Umstände, die zu diesem Wiedersehen geführt hatten, passten ihm absolut nicht.

Während der Fahrt sprach Karin kein Wort.

Bernd Schuster brachte die junge hübsche Frau nach Hause. Sie besaß eine Dreizimmerwohnung in der Nähe der berühmten Kö, der Einkaufsmeile Königsallee.

Im Wohnzimmer nahm Karin Langer den Hut ab. Sie zog den Mantel aus und legte ihn über die Lehne eines malvenfarbenen Sessels.

„Etwas zu trinken?“, fragte sie.

„Das könnte ich jetzt vertragen.“

„Würden Sie sich selbst bedienen? Dort ist die Bar.“

„Für Sie auch einen?“

„Aber nur einen kleinen.“

„Okay.“

„Entschuldigen Sie mich einen Moment, Bernd. Ich bin gleich wieder zurück.“

Bernd Schuster nickte. Karin verließ den Raum. Bernd bereitete die Drinks. Als Karin wiederkam, trug sie ein einfaches schwarzes Kleid. Sie ließ sich in einen Sessel fallen, als wäre sie unendlich müde. Seufzend nahm sie ihr Glas entgegen.

„Ich hoffe, dass es Karsten da, wo er jetzt ist, gutgeht“, sagte sie.

Bernd setzte sich. Er nippte an seinem Whisky.

„Erzählen Sie mir von ihm!“, bat er.

Karin senkte den Blick.

„Er hatte Startschwierigkeiten, als wir nach Düsseldorf kamen.“

„Warum ging er mit Ihnen von Berlin weg?“

„Er hatte hier einen Freund, der ihm unter die Arme zu greifen versprochen hatte. Aber daraus wurde dann nichts.“

„Wieso nicht?“

„Der Freund ging nach München. Karsten versuchte alles, um in dieser Stadt Fuß fassen zu können, aber was er auch anpackte, ging schief. Es war nicht immer sein Verschulden. Als es mit unseren Ersparnissen zu Ende ging, sagte ich, dass ich mir einen Job suchen würde. Karsten wollte das nicht. Er war sehr stolz. Er wollte nicht vom Geld seiner Frau leben. Er stand auf dem Standpunkt, dass ein Mann, der seine Frau nicht ernähren kann, ein Versager ist. Wir hatten einige hitzige Debatten. Ich setzte mich schließlich durch und trat wieder als Sängerin auf. Kurze Zeit später hatte auch Karsten einen Job. Aber die Sache war nicht ganz astrein, wie sich sehr bald herausstellte. Ich bat ihn, die Finger davon zu lassen, doch Karsten behauptete, was er tue, wäre so harmlos, dass man ihn deswegen nicht einmal einsperren würde, wenn man ihn erwischen sollte. Er merkte nicht, dass er immer mehr abrutschte. Aber mir fiel es auf, denn er brachte immer mehr Geld nach Hause - und für kleine Gefälligkeiten zahlt niemand so gut.“

„Was für Jobs übernahm er?“, wollte Bernd Schuster wissen.

„Keine Ahnung. Er sprach nie mit mir darüber.“

„Für wen hat er gearbeitet?“

„Für Benno Wolf. Man nennt ihn nicht nur seines passenden Nachnamens wegen den Wolf von Düsseldorf. Es gibt kein schmutziges Geschäft, in dem Wolf nicht seine Finger hat. Kreditwucher, Rauschgift, Prostitution ... Wolf macht alles, was ihm Geld einbringt. Er ist rücksichtslos und geht eiskalt über Leichen.“

Bernd nippte wieder von seinem Drink. Dann zündete er sich eine Roth Händle an.

„Es ist Ihnen schließlich doch gelungen, Karsten zu überreden, bei Benno Wolf auszusteigen.“

„Es war ein harter Kampf, aber ich ließ nicht locker. Karsten verstand eine Menge von Pferden. Ich lernte einen Rennstallbesitzer kennen, und es gelang mir, für meinen Mann einen Job zu bekommen. Das gab den Ausschlag. Karsten willigte ein, sich von Wolf zu trennen ...“ Karin unterbrach sich. Heiser fuhr sie fort: „Und nun ist er tot. Er wollte endlich wieder ein sauberes Leben führen, doch der Wolf von Düsseldorf hat das nicht zugelassen. Ich kann Ihnen meine Gefühle nicht beschreiben, die ich hatte, als die Polizei mir mitteilte, was mit meinem Mann passiert war.“

„Ich kann mir denken, wie Ihnen zumute war.“

„Ich wollte zu Benno Wolf fahren und ihn umbringen, aber ich wusste, dass es mir nicht gelingen würde, bis zu ihm vorzudringen. In meiner Verzweiflung fielen Sie mir ein. Als ich damals mit Karsten Berlin verließ, sagten Sie, dass ich Sie jederzeit anrufen könne, falls ich einmal Schwierigkeiten haben sollte.“

„Es war richtig, dass Sie sich an mich gewandt haben, Karin.“

„Ich hasse Benno Wolf.“

„Das ist verständlich.“

„Ich weiß, dass ich von Ihnen nicht verlangen darf, dass Sie ihn töten, Bernd, aber ich würde mich freuen, wenn Wolf sich bei irgendeiner Gelegenheit das Genick bricht.“

Bernd nahm einen Zug von seiner Zigarette.

„Hatte Karsten Freunde?“

Karin Langer lachte bitter auf.

„Haben Sie welche auf dem Friedhof gesehen? Sie hatten alle Angst, Karsten das Letzte Geleit zu geben. Nicht einmal Karl Bukowsky war gekommen.“

„Wer ist Karl Bukowsky?“

„Ich dachte, er wäre Karstens bester Freund, aber ich habe mich geirrt.“

„Arbeitet Bukowsky auch für den Wolf von Düsseldorf?“

„Kann sein. Ich weiß es nicht.“

Bernd bat um Bukowskys Anschrift. Er bekam sie. Nachdem er die Roth Händle im Aschenbecher ausgedrückt hatte, leerte er sein Glas und erhob sich.

„Dann will ich mich mal an die Arbeit machen“, sagte Bernd Schuster.

„Sie können meinen Wagen haben. Er steht Ihnen zur Verfügung. Ich brauche ihn nicht. In den nächsten Tagen werde ich kaum die Wohnung verlassen.“

„Versuchen Sie über diesen schmerzlichen Schicksalsschlag hinwegzukommen, Karin! Es klingt vielleicht grausam, wenn ich sage: Das Leben geht weiter. Aber es ist so. Sie sind jung. Sie haben vom Leben noch vieles zu erwarten.“

„Sie brauchen mich nicht zu trösten, Bernd. Ich werde schon irgendwie damit fertig - weil Karsten das von mir erwartet.“

Bernd verließ die Wohnung der Witwe. Er fuhr mit dem Aufzug zur Tiefgarage hinunter. Als er den grauen BMW erreichte, nahm er hinter sich plötzlich eine schnelle Bewegung wahr.

Bernd Schuster wirbelte herum. Und dann ging alles sehr schnell.

Berliner Bär contra Düsseldorfer Wolf: Berlin 1968 Kriminalroman Band 37

Подняться наверх