Читать книгу Spätes Opfer - A.B. Exner - Страница 9
Reginald Hübler
ОглавлениеEr war so stolz, als er mir davon berichtete. Ein Vietnamese, der gegen die Amerikaner gekämpft hatte, war einer der Tauchausbilder in der Einheit, in die Bert versetzt worden war. Hung wurde immer mehr zu seinem Freund. Gemeinsam fuhren die beiden in den ersten Urlaub nach Berlin. Hung wollte unbedingt den Tauchclub Nautilus kennenlernen, in dem Bert inzwischen ein Ehrenmitglied war. Das war so üblich, wenn ehemalige Gefährten zur Fahne gerufen wurden. In diesen vier Tagen in Berlin entwickelte sich die Situation, die dafür sorgte, dass Bert aus der DDR fliehen konnte.
Hung nahm also an einem Tauchtraining teil, hielt Vorträge zu einer Diashow. Redete über den heroischen Kampf gegen die Amerikaner. Zeigte seine Orden und Auszeichnungen und erklärte die technischen Merkmale der Tauchausrüstung, welche die Vietnamesen zusammen mit den Genossen aus der großen ruhmreichen Sowjetunion entworfen hatten. Bert hing das alles zum Hals raus. Hung fügte sich und Berts Trainingskumpels waren nur genervt. Einzig den Parteibonzen und der Führungsriege des Vereines schwoll die Brust. Nicht nur wegen Hung, sondern auch wegen Bert Klose.
Er hatte am Abend vor der Reise erfahren, dass er nicht zum Bergetaucher, sondern zum Kampfschwimmer ausgebildet werden sollte. Leider hatten seine Vorgesetzten diese Information an seinen ehemaligen Trainer weitergeleitet.
Nach zwei Tagen und drei Abenden waren alle offiziellen Termine erledigt und Bert konnte Hung sein Berlin zeigen. Ja, sie besuchten auch eine vietnamesische Teestube. Das war am Humannplatz und Bert hatte keine Ahnung, was da so in die Tees getan wurde.
Der Abend endete damit, dass Hung sich mit Bert auf der Schulter zur Stolpischen Straße durchfragen musste. Berts Vater war auf den sieben Weltmeeren unterwegs, er hatte ihn seit mehr als einem Jahr nicht gesehen.
Berts Mutter war nicht sonderlich erbaut. Aber sie ließ Hung jetzt nicht mehr weg.
Es war mitten in der Nacht, basta, er solle dort schlafen.
Der kommende Morgen war für Bert die völlige Überraschung.
Er hatte immer gehört, dass Alkohol unweigerlich dazu führte, dass man Kopfschmerzen und Unwohlsein verspüren müsse. Dem war nicht so.
Er hatte keine Erinnerung an den Abend. Und noch etwas hatte er nicht.
Er hatte keine Beine.
Er wollte aufstehen und knickte sofort wieder ein.
Im Kopf absolut klar, fragte er Hung nach den Getränken des Vorabends. Er konnte beruhigt werden, es habe sich nur um einen vietnamesischen Fruchtlikör gehandelt.
Ein paar Stunden später waren die beiden zum Abschiedstermin im Tauchclub.
Hung verkündete eine Idee, die er habe. Er müsse das nur noch mit dem Konsulat klären, sei aber sehr zuversichtlich, dass der Tauchclub Nautilus einige der Atemgeräte bekommen könne, die Hung selbst dazu genutzt hatte, die amerikanischen Schnellboote auf den Flüssen seiner Heimat zu sprengen. Die Freude war so lala.
Was sollten die Berliner Taucher mit dem Vietnamesenschrott, an dem vorher noch die Sowjets rumgefummelt hatten? Vielleicht konnte man eines der Geräte in dem vereinsinternen Museum unterbringen.
Während der Zugfahrt nach Stralsund in die Dienststelle der beiden erklärte Hung das Geheimnis der Geräte. Es handelte sich um sogenannte Kreislaufbeatmer. Eine Atemkalkpatrone bindet das Kohlendioxid der ausgeatmeten Luft als Feststoff und reichert die verbliebene Luft mit reinem Sauerstoff wieder an. Die Erfindung war nicht neu, aber die Russen hatten es wohl geschafft, einen handlichen Rückencontainer zu bauen. Mit dem war ein geübter Taucher wie Hung selbst in der Lage, mehrere Stunden unter Wasser zu verweilen.
Dieser Vorteil jedoch wurde noch dadurch überboten, dass es beim Ausatmen keinerlei Blasen zu sehen gab, da die gesamte verbrauchte Atemluft sozusagen recycelt wurde.
Hung selbst hatte ein Patrouillenboot der Feinde in die Luft gejagt, in dem er eine Magnetmine direkt an den Rumpf gehängt hatte. Da keine Luftblasen eines Tauchers zu sehen waren, ahnte die amerikanische Besatzung auch nichts von dem Angriff. Noch dazu waren diese kleinen Container komplett aus Kunststoff. Nur Teile der Ventile waren aus Metall. Somit konnten auch Magnetsonargeräte suchen, wie sie wollten.
Der Taucher war für mehrere Stunden unsichtbar.
Bert war begeistert. So ein Ding wollte er unbedingt mal ausprobieren.
Hung versprach es.
In Stralsund angekommen, meldete Bert sich beim Diensthabenden an und ging in seine Stube.
Er war mehr als perplex.
Zwei Briefe.
Der erste Brief war von seinem Vater und nicht halb so interessant wie, der von Vera.