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4. Ansprache: Das Schild am Kreuz
(zu Mt 27,31–46)

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Es sollen u.a. die Lieder EG 346 und EG 402 gesungen werden.

Manche der Zeugnisse der Passion, mit denen wir uns während dieser Passionsandachten beschäftigen, sind richtig nahe dran an Jesus. Sie geben kein Zeugnis aus der Ferne, aus der Distanz, sondern berichten von ganz nah. Sie berichten nicht nur als damals Anwesende, sondern als persönlich Betroffene. Das macht einen ungeheuren Unterschied aus. Stellen Sie sich vor, sie sind Zeuge eines Unfalls und stehen zufällig an der Kreuzung, als zwei Autos aneinander stoßen, weil der eine die Verkehrsregeln nicht richtig beachtet hat.

Als Augenzeuge können Sie genau beschreiben, wie der Unfall passiert ist. Was dazu führte und wer Schuld hat. Aber etwas ganz anderes wäre es doch, wenn sie in einem der beteiligten Autos gesessen hätten, als der Unfall geschah. Sie wären genauso ein Augenzeuge, aber nun wären Sie persönlich betroffen. Nun könnten Sie, nachdem Sie Ihre Aussage zu Protokoll gegeben haben, nicht einfach nach Hause gehen und so weiter machen wie zuvor. Nun würden Sie die Ereignisse noch lange begleiten und beschäftigen.

„Seid immer bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand fragt, warum ihr so von Hoffnung erfüllt seid.“ (1. Petr 3,15)

Wir haben gehört, wie Jesus gekreuzigt worden ist. Wie man ihn hingerichtet hat. Brutal. Unmenschlich. Unfassbar.

In der Kirche „Santa Croce in Gerusalemme“ in Rom wird eine Holztafel aufbewahrt, die seit 1492 als Reliquie des Originaltitels vom Kreuz Jesu gezeigt wird. Einer kirchlichen Überlieferung nach wurde das Heilige Kreuz im Jahr 325 von Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin des Großen, zusammen mit drei Nägeln und der Kreuzesinschrift in Jerusalem entdeckt. Den größten Teil davon ließ sie nach Rom in ihren Palast bringen.

Am 25. April 1995 konnte die Kirchengeschichtlerin Maria-Luisa Rigato die Tafel fotografieren und wiegen. Sie besteht aus Walnussholz, ist 687 Gramm schwer, 25 Zentimeter lang, 14 Zentimeter breit und 2,6 Zentimeter dick. Das Holz ist von Würmern, Insekten und Pilzen zerfressen. In den darauffolgenden Jahren wurde die Tafel immer wieder von verschiedenen Wissenschaftlern aus aller Welt untersucht, und man datierte den Schrifttyp der Inschrift in das 1. Jahrhundert.

Das Holz war ursprünglich weiß bemalt. So, wie damals üblich. Die Buchstaben erscheinen dunkelrot bis schwarz. Es gibt drei Zeilen mit Schrift, Hebräisch, Griechisch und Lateinisch.

Die erste Zeile enthält sechs nur teilweise erhaltene hebräische Buchstaben. Besser erhalten sind die zweite und dritte Zeile mit der griechischen und lateinischen Inschrift.

Die erste Zeile hat Maria-Luisa Rigato als „Jesus Nazara euer König“ („Jeschu nazara m m“) rekonstruiert. In der Bibel heißt es: „Über seinem Kopf hatten sie ein Schild angebracht, auf dem der Grund für seine Hinrichtung geschrieben stand: Dies ist Jesus, der König der Juden“ (Mt 27,37).

Faszinierend, oder?

Ist dieses Schild also tatsächlich echt?

Es spricht in der Tat vieles dafür: die Schrift, die Reihenfolge der Sprache, die Schreibrichtung …

Das Schild, der Titulus, kann wirklich ein echtes Zeugnis der Kreuzigung sein. Nur die Nägel waren noch näher an Jesus dran.

Und so schildert das Schild, wer das ist, der da am Kreuz hingerichtet wurde und hängt. Und es sagt uns etwas über Jesus, damit wir Zeugnis geben können „über die Hoffnung, die in uns ist“ (1. Petr 3,15).

Denn Jesus starb ja dort, Gott selbst (!), damit wir Hoffnung haben. Hoffnung auf ein Leben in Freiheit. Frei von Schuld, frei von Lasten, frei von quälenden Sorgen, frei von Egoismus, frei den Blick nach vorn zu richten und die Hände frei für die Menschen und diese Welt um uns herum.

Ach sucht doch den, laßt alles stehn,

die ihr das Heil begehret;

er ist der Herr, und keiner mehr,

der euch das Heil gewähret.

Sucht ihn all Stund von Herzensgrund,

sucht ihn allein; denn wohl wird sein

dem, der ihn herzlich ehret. (EG 346,3)

Wie stehen wir selbst an der Kreuzung des Kreuzes und schauen, was dort geschah? Was kein Unfall war, sondern von Gott gewollt, weil wir so sehr von Gott geliebt sind. Spüren wir, wie es uns betrifft? Wie wir mit hineingezogen werden, einbezogen sind in das Geschehen dort. Wir können eigentlich gar nicht unbeteiligte Zeugen dieses Geschehens bleiben und gelassen unsere Aussage zu Protokoll geben, nach Hause gehen und dann weiter machen wie zuvor.

Jesus von Nazareth, dein König.

„Seid immer bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand fragt, warum ihr so von Hoffnung erfüllt seid.“ (1. Petr 3,15)

Wofür stehst du? Kannst du Zeugnis geben von dem, was Dich im Innersten bewegt?

Was ist es, das Dein Leben ausmacht und im Innersten zusammenhält?

Und wenn es Jesus ist, dieser Jesus, der aus Liebe für Dich am Kreuz gestorben ist, dann sprich davon. Nein, nicht besserwisserisch. Nicht wie früher: Auch du brauchst Jesus! Das schafft nur Distanz. Sondern: Auch ich brauche Jesus und willst du wissen, warum und wie er mir geholfen hat? Warum und wie er mir hilft? Und was der Glaube mir bringt? Das schafft Nähe auf Augenhöhe. Das schafft Nähe, die in unserer distanzierten, individuellen Welt notwendig ist, weil sie heilsam ist und Hoffnung schenkt in unserer nicht nur aktuell hoffnungslosen Welt. Wir dürfen Salz und Licht sein. Ohne Christen ist diese Welt geschmacklos. Wir dürfen das Licht und die Liebe Gottes weitergeben. Jeder so, wie er oder sie es kann und mag. Aber geschehen soll es. Unbedingt, um unserer Welt und Nächsten willen. Unsere Welt braucht Menschen, die wissen, wofür sie stehen, und die das liebevoll in diese Welt hineinsprechen können, als das, was es immer schon war: eine gute Botschaft.

Lieder wie 402 und 346, die wir heute Abend singen, geben schon mal ein wenig „Material“ zum Gespräch und zur eigenen Überlegung, zur Vergewisserung: Wofür stehe ich eigentlich?

Der Titulus wurde so aufgehängt, wie es geschrieben steht. Ein Zeugnis für alle Welt.

Jesus Christus, der König der Juden. Für Dich.

Versuchen auch wir, ein Zeugnis zu sein – für alle Welt.

Amen.

Auf dem Weg zur Auferstehung

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